Heinz-Joachim Simon

Die Tränen des Kardinals


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kann schon. So geht das in der realen Welt zu.“

      Der Bischof kam mit rotem Kopf herausgestürmt.

      „Was reden Sie da für Unsinn? Sie kommen vom Heiligen Vater? Das ist unmöglich! Ich war doch gerade bei ihm.“

      „Wir untersuchen die Causa Zusatzvertrag“, sagte der Kardinal fast demütig. „Wir waren gerade bei Kardinalstaatssekretär Domus.“

      „Und was soll das Gerede, dass der Heilige Vater …?“

      „Das geht auf meine Kappe! Es sollte Ihrer schönen Schwester die Dringlichkeit verdeutlichen!“, gab ich zu, arrogant wie der Aufsichtsratschef einer deutschen Bank. Ich mochte ihn nicht. Er passte nicht zu der Bischofssoutane, war groß, breitschultrig und hatte Fäuste wie Schmiedehammer. Sein bulliges Gesicht hätte mich bei einem Wrestler nicht erstaunt. Er wies mit seinem mächtigen Kopf hinter sich. Wir folgten ihm in sein Büro.

      „Signore Christiansen kennt sich mit unseren Gepflogenheiten nicht so aus“, bot ihm Wischnewski die Friedenspfeife an. Er schnaubte nur.

      „Sagen Sie endlich, was Sie wollen, damit ich meine Arbeit tun kann!“

      „Sie haben den Lateranvertrag angefordert?“

      „Ja, habe ich. Und der Zusatzvertrag war nicht bei den Akten“, sagte er scharf.

      „Schon gut. Warum haben Sie den Lateranvertrag angefordert?“

      „Ich durchforste alle Verträge, die wir in diesem Jahrhundert abgeschlossen haben. Wir prüfen, ob noch irgendwelche Forderungen bestehen.“

      „Der Lateranvertrag wurde doch bereits 1929 abgeschlossen. Daraus sind doch kaum noch irgendwelche Ansprüche abzuleiten.“

      „Nach Ihrer Aussprache sind Sie Deutscher. Auch wir im Vatikan sind gründlich. Wir drehen jeden Stein um.“

      „Das verstehe ich. Ist auch meine Devise.“

      „Also, was wollen Sie noch wissen?“

      „Das wäre es erst einmal.“

      „Wegen solcher Kleinigkeiten stören Sie mich bei der Arbeit?“, platzte er heraus.

      „Für mich war es ein durchaus interessantes Gespräch“, erwiderte ich vage und erhob mich. „Ich wünsche Ihnen noch einen zufriedenstellenden Arbeitstag.“

      An der Tür drehte ich mich noch einmal um. „Stimmt es, dass die Vatikanbank immer noch Geld von der Mafia wäscht?“

      Zugegeben, das war frech und unhöflich. Aber die Spatzen pfiffen es von den Dächern, dass diese Praxis entgegen aller Verlautbarungen immer noch nicht aufgegeben worden war.

      „Was erlauben Sie sich! Ich habe das absolute Vertrauen des Heiligen Vaters!“, brüllte er los. Er schien dicht vor einem Schlaganfall zu stehen.

      „Verstehe. Ein Dementi hört sich anders an!“

      „Raus! Sie … Sie …! Schleppen Sie mir diesen Kerl nicht noch einmal an!“, wandte er sich an den Kardinal.

      Wir gingen hinaus. Die Nonne sah mich an, als wäre ich der Leibhaftige persönlich.

      „War das nötig?“, klagte Wischnewski.

      „Der Besitz des Zusatzvertrages kann Millionen wert sein. Und wo Geld ist, nehme ich die Witterung auf. Und Bischof Kaczinski verwaltet die Milliarden des Vatikans, deswegen musste ich feststellen, was für ein Mensch er ist.“

      Man sah dem Kardinal an, dass er sich die Frage stellte, ob es richtig gewesen war, den Mann aus Hamburg zu engagieren. Ich verabschiedete mich von ihm und wir versprachen einander, uns auf dem Laufenden zu halten.

      Als ich aus dem Torbogen auf den Petersplatz trat, sah ich mich noch einmal nach dem mächtigen Gotteshaus um. Wie viel Blut hatte der Bau einst gekostet. Schließlich war seine Finanzierung der Grund für den Ablasshandel gewesen und dieser wiederum hatte zum Schisma und letztendlich zum Dreißigjährigen Krieg geführt. Der Dom löste bei mir keine Emotionen aus. Das einzig wirklich schöne war die Pietà Maria und Jesus vom großen Michelangelo. Dass Maria eher wie seine Schwester aussah, war für mich kein Problem.

      Ein Taubenschwarm flog über den Platz. Er lag still und friedlich im Sonnenlicht. Dabei hatte der Papst die Schlacht um Polen bereits eröffnet. Wie hätte ich auch ahnen können, dass ich in seinem Krieg eine wichtige Rolle spielen würde.

      2

      Die alten Götter haben Rom nie verlassen

      Marcello hing am Telefon, als ich das Büro betrat. Ich ging an die große Tafel, nahm ein Stück Kreide und schrieb eine Reihe von Namen auf:

       Casardi

       Domus

       Kaczinski

       Wischnewski

       Johannes Paul II.

      Den Namen des Papstes schrieb ich nur auf, weil ich mich auch dem Unmöglichen nicht verschließen wollte und er der Boss des ganzen Vereins war. Verbindungen konnte ich zwischen den Namen noch nicht herstellen. Ich war mir ziemlich sicher, dass noch eine Menge Namen dazukommen würden. Marcello legte den Hörer auf.

      „Der Leiter des Archivs scheint tatsächlich in Ordnung zu sein. Sein Leumund ist so makellos wie ein Kinderpopo. Er hat Altertumswissenschaft studiert, ein paar Jahre als Archäologe gearbeitet und in Herculaneum nach Scherben gesucht. Davon lässt sich kaum eine Familie ernähren. Er hat sich dann als Archivar im Vatikan beworben. Verheiratet, zwei Jungen. Studieren beide in Bologna.“

      „Was studieren die beiden?“

      „Archäologie.“

      „Ach nein.“

      „Hältst du das für eine Spur?“

      „Nicht wirklich.“

      Ich schnappte mir das Telefon und rief Montebello an. Er war Chef der römischen Kriminalpolizei. Bei der Aufklärung des Mordes an Johannes Paul I. war er mir eine große Hilfe gewesen. Als ich mich meldete, knurrte er: „Habe schon gehört, dass du dich wieder in Rom herumtreibst.“

      „Kann ich mal vorbeikommen?“

      „Hm, hab viel zu tun.“

      „Ich gebe ein Essen aus.“

      „Schön. Treffen wir uns doch im Alfredo, am Augustusgrab. Sagen wir um 12.30 Uhr.“

      „In Ordnung. Im Alfredo, du Feinschmecker!“

      „Ich hätte auch das Hassler vorschlagen können!“

      Er lachte und legte auf.

      „Was versprichst du dir davon?“, fragte Marcello.

      „Ich will mal ein bisschen herumhorchen, was hier so läuft. Wenn einer Bescheid weiß, dann Montebello.“

      Das Alfredo war berühmt für sein cremiges Pastagericht, eben „Fettuccine Alfredo“. Eine Kalorienbombe. Fast jede Berühmtheit, die sich in Rom aufhielt, wurde ins Alfredo geführt. Der Besitzer hatte zwar mehrmals gewechselt, aber der Name war geblieben. In den sechziger Jahren wurde jeder amerikanische Schauspieler im Alfredo gesehen, von Frank Sinatra über Dean Martin bis zu Gregory Peck und Audrey Hepburn.

      Bevor ich abzog, instruierte ich Marcello noch einmal über unser weiteres Vorgehen.

      „Kümmere dich um die Söhne von Casardi. Auch um ihre Freundschaften. Welche Lokalitäten sie besuchen, Freundinnen usw.“

      Marcello schnitt eine Grimasse.

      „Wann willst du Ergebnisse? Im nächsten Jahrhundert?“, erwiderte er nicht gerade begeistert.

      Ehe wir das ausdiskutieren konnten, stürmte Maja ins Büro. Aus ihren schönen dunklen Augen sprühten Funken. Mein Gott, wie ich diese Frau liebte! Und doch hatte ich sie verloren. Jeder andere hätte für sie den Paris gespielt. Ich war