Andreas Suchanek

Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King


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Mutter einfach ignoriert. Selbst die Drohung, dass ihr Vater alles erfahren würde, war vergeblich gewesen.

      »Das ist nicht alles«, sagte Olivia. Sie war bisher auffallend ruhig gewesen. Nun zog sie ein Foto aus der Tasche und schob es Mason über den Tisch. »Das ist ein Bild, das ich am Strand aufgenommen habe – du weißt schon wo. Die Initialen in diesem Herzchen, es könnte natürlich einfach ein Zufall sein, aber nach allem, worauf wir gestoßen sind, glaube ich das nicht.«

      Mason sah einen Moment verdutzt auf das Foto, dann riss er die Augen auf. »Mein Dad und Marietta King?«

      Randy schnappte sich das Bild. »Oh. Na ja, das ergäbe durchaus Sinn. Ich habe mir die Unterlagen angeschaut. Billy war da sehr gründlich.« Er öffnete einen Aktenschrank und zog ein ledergebundenes Buch hervor. »Er wollte wohl ein Buch über den Mordfall schreiben und veröffentlichen und hat dafür auch Informationen über seine Freunde aus der Zeit vor dem Fall zusammengetragen.«

      »Und?«, fragte Mason.

      »Dein Dad und Marietta waren tatsächlich kurze Zeit ein Paar. Mehr steht da aber nicht drin. Und … na ja. Dann kam er mit Shannon zusammen.«

      »Was?!«, riefen Mason und Danielle gleichzeitig.

      Randy zog die Schultern ein. »Sorry, ich dachte, ich warte auf den richtigen Moment, um es euch zu sagen.«

      Er sah den beiden an, dass das Kopfkino einsetzte. Beide verzogen angeekelt die Lippen.

      »Auf jeden Fall steht hier drin einiges«, sagte Randy schnell, um das Thema zu wechseln. »Es beginnt mit einem Erlebnisbericht von Harrison Lebovitz. Er war einer der 84er. Als sie in die Schule einbrachen, stand er Schmiere.« Randy bekam eine Gänsehaut. »Stellt euch das nur vor, nachts alleine in der Schulaula zu stehen. Gruselig.«

      Olivia trat neben ihn. »Und was hat er mitbekommen?«

      »Nicht viel«, erklärte Randy. »Er hat es tatsächlich geschafft, einzudösen. Dann kam ein Unbekannter die Treppen runter. Harrison hat sich versteckt. Er konnte aber sehen, dass dieser jemand ein Super-8-Band bei sich trug und sehr auffällige Schuhe anhatte.« Er deutete auf ein Katalogbild, das jemand ausgeschnitten und neben den Bericht geklebt hatte. »Kurz darauf haben die anderen ihm gesagt, er soll abhauen.«

      »Nicht sehr aufschlussreich«, sagte Mason.

      »Stimmt«, gab Randy zu. »Aber immerhin ein Anfang. Billy hat wohl jeden seiner Freunde aufschreiben lassen, wie er diese Nacht erlebt hat, und das dann zusammengetragen. So entsteht ein vollständiges Bild, wenn man alle Berichte gelesen hat.«

      »Dann lies weiter.«

      »Mache ich ja«, sagte Randy. »Allerdings ist das nicht so leicht. Die hatten damals echt eine Sauklaue und dazwischen gibt es seitenlange Notizen, Querverweise, Bilder und eingeklebte Kopien. Es wird eine Weile dauern, bis ich mich da durchgearbeitet habe.«

      Olivia schlug ihm auf die Schulter. »Viel Spaß. Ich würde sagen, du bist ab sofort für die Recherche im Mordfall King zuständig und gehst das alles durch.«

      »Bin dafür«, sagte Danielle.

      »Tolle Idee«, warf Mason ein.

      Randy verdrehte die Augen. »Na, vielen Dank auch.« Innerlich freute er sich natürlich darüber. In alten Akten zu wühlen machte ihm Spaß – zumindest bis zu einem gewissen Grad. »Ich werde alles einscannen, was ich mir ansehe, mit Schlagworten versehen und in einer verschlüsselten Datei abspeichern. Dann können wir nach und nach über Stichworte die Dateien durchsuchen.«

      »Gute Idee.« Mason grinste. »Ich wusste, du bist der Richtige dafür.«

      »Es sind übrigens nicht alles Akten zu Marietta King«, sagte Randy. »Die 84er haben eine Menge Zeug erlebt und alles aufgeschrieben. Zum einen in ihrer Zeit als Schüler und später dann auf dem College. Ich habe nur mal Stichproben gemacht, aber dieser seltsame Graf, mit dem dein Dad im Steinbruch gesprochen hat, kam auch öfter vor.«

      »Wir müssen höllisch aufpassen«, sagte Olivia. »Nehmt das bitte ernst. Wir haben es hier nicht nur mit einem uralten Mordfall zu tun, der Mörder läuft auch noch dort draußen rum. Und mit einem Gangsterboss, der so lange unentdeckt bleiben konnte, ist auch nicht zu spaßen.«

      »Gemeinsam schaffen wir das«, sagte Randy optimistisch. »Und hey: Wenn ich das sage, der aus dem Fenster geflogen ist, gibt es keine Widerworte!«

      »Schon gut.«

      »Mein Dad darf von alldem nichts erfahren«, sagte Mason. Besorgt knetete er seine Finger. »Er hat viel riskiert, um mir zu helfen. Wenn er erfährt, dass wir an der Sache dran sind, wird er alles tun, um uns zu stoppen. Immerhin hat er seine gesamten Aufzeichnungen zu dem Fall weggegeben, um uns zu schützen.«

      »Das Gleiche gilt für meine Mum«, sagte Danielle.

      Randy zuckte die Schultern. »Dann also geheim.«

      Sie waren sich einig.

      »Jetzt schau nicht so«, sagte Randy zu Mason. »Die Drogen sind weg, das Verfahren eingestellt. Du solltest glücklich sein. Und nach den Sommerferien denkt keine Sau mehr daran.«

      In Wahrheit war Randy sich da nicht so sicher. Barrington Cove hatte die unangenehme Eigenschaft, dass nichts wirklich vergessen wurde. Im Falle von Mason konnte er nur hoffen, dass er sich irrte.

      Mason schwieg.

      »Also schön, dann werde ich mir mal überlegen, wie wir hier unten ein wenig Farbe ins Spiel bringen«, sagte Danielle. »Die Vorhänge da müssen raus. Und die Couchbezüge gehen ja mal gar nicht. Vielleicht noch ein paar andere Bilder an die Wand. Und denkt nicht mal an halbnackte Models, ihr zwei.«

      Mason wurde rot.

      »Außerdem brauchen wir dringend eine Verbindung zum Netz«, sagte Randy, nachdem er ein weiteres Mal auf sein Smartphone-Display gestarrt hatte. Wenn Sie Zugriff zu einem Server wollten, um die Daten sicher auszulagern – man wusste ja nie, was hier unten geschehen konnte, vielleicht stürzte der Raum irgendwann ein –, benötigten sie eine ordentliche Internetverbindung. »Ich habe oben einen Router gesehen. Ein, zwei Verstärker – und wir haben eine Verbindung. Ich hab auch noch einen alten Computer, den ich hier reinstellen kann. Und ’nen Scanner.«

      »Wenn ich es mir recht überlege, könnte ich hier eine schöne Dunkelkammer für das Entwickeln von Fotos einrichten«, dachte Olivia laut. »Da besteht wenigstens nicht die Gefahr, dass jemand mittendrin die Tür aufreißt. Und das Zeug hierher zu bringen ist keine große Sache. Das könnte ich morgen gleich anpacken. Und da ja bald Ferien sind …« Sie zwinkerte.

      Mason schaute von einem zum anderen. »Na ja, dann sorge ich für ein wenig Lesestoff oder so. Und koordiniere alles. Vielleicht hole ich auch ein paar Sportgeräte?« Es war schnell ersichtlich, dass Mason keine Ahnung hatte, wie er sich beteiligen konnte.

      Randy grinste. »Keine Angst. Wir teilen das schön auf. Ich«, er zeigte auf seine Brust, »Hirn. Du«, er zeigte auf Mason, »Muskeln. Wer, denkst du, wird den Rechner schleppen?«

      Mason knurrte und stürzte sich auf den Freund.

      Ein Gerangel entstand.

      »Jungs«, sagte Danielle.

      »Das wird ein Spaß«, seufzte Olivia.

      Beide grinsten sich an und brachen in Lachen aus, während Mason Randy eine Kopfnuss verpasste.

      *

      Es war schon ein Ärgernis. Zwei Tage lang hatte Elisabeth nun wegen der falschen Medikamente fast ständig geschlafen. Ohne ihre kleine Danielle wäre dieser Irrtum niemals aufgeflogen. Sie war dem Kind ja so dankbar.

      Was sonst wohl passiert wäre?

      Bisher war sie mit der Behandlung hier, im Pflegeheim Zur rüstigen Eiche, durchaus