Michael Ermann

Psychotherapie und Psychosomatik


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und Behandlungsvoraussetzungen

      Auf einer Skala von 0 (nicht vorhanden) bis 3 (hoch) wird die Ausprägung von 19 Variablen für den Einzelfall beurteilt. Dazu gehören Schweregrad der Symptomatik, Leidensdruck, Einsichtsfähigkeit in psychodynamische Zusammenhänge, persönliche Ressourcen u. a.

      • Achse II – Beziehung

      Zur Diagnostik des Beziehungsverhaltens werden das habituelle Beziehungsverhalten und insbesondere die konflikthaften und dysfunktionalen, immer wiederkehrenden Beziehungsmuster beurteilt. Dabei werden konkrete Beziehungsepisoden, das Selbsterleben und das Objekterleben erfasst.

      • Achse III –Konflikte

      Die OPD beschreibt sieben zeitlich überdauernde Konfliktbereiche (image Kap. 5.3.2), die wiederum wie in Achse I auf Skalen beurteilt werden. Bei der Definition werden entwicklungspsychologische Annahmen vermieden, ohne dass diese damit als irrelevant gelten müssten. Außerdem gibt sie für reaktive Störungen die Möglichkeit vor, die Störung auf konflikthafte äußere Lebensbelastungen zurückzuführen. Schließlich wird zwischen einem aktiven und einem passiven Modus der Konfliktverarbeitung unterschieden und dieser dokumentiert.

      • Achse IV –Struktur

      Die Struktur wird für die Dimensionen Selbstwahrnehmung, Selbststeuerung, Abwehr, Objektwahrnehmung, Kommunikation und Bindung beurteilt. Dabei wird jeweils der Integrationsgrad von 1 (gut integriert) bis 4 (desintegriert) eingestuft.

      • Achse V – Syndrom

      Sie enthält im Wesentlichen die Einschätzung des klinischen Syndroms nach ICD-10.

      Die OPD geht über das traditionelle (auch in diesem Buch vertretene) diagnostische Konzept hinaus. Bei diesem traditionellen Vorgehen werden die subjektive Befindensschilderung des Patienten mit empathischer Einschätzung durch den Untersucher und szenischen Informationen verknüpft und auf der Basis von Expertenwissen zu einem diagnostischen Gesamteindruck integriert. Dabei gehen freilich theoriegeleitete Konzepte mit ein. Das erscheint aber nicht als Nachteil, denn sie werden auch in der anschließenden Behandlung leitend, sofern diese vom Untersucher durchgeführt wird.

      Anders ist das Verfahren der OPD. Hier erfolgt die Evaluation in Hinblick auf Achse I bis IV nach standardisierten Vorgaben (Checklisten und Modellsätzen). Achse V übernimmt die Klassifizierung nach ICD-10.

      Dieser Ansatz, der ursprünglich für wissenschaftliche Zwecke entwickelt wurde, eignet sich auch für die psychotherapeutische Praxis. Er strukturiert das diagnostische Denken und macht Ergebnisse unabhängig von Theorien kommunizierbar. Die Kurzversionen der einzelnen Achsen tragen den Erfordernissen der Praxis Rechnung, wo man nicht jeden Einzelfall so aufwendig dokumentieren kann, wie das Manual es ursprünglich für Forschungszwecke verlangte. Inzwischen liegt auch für die Verwendung im Psychotherapie-Gutachtenverfahren ein Anwendungsmanual vor.155

      Die OPD bedeutet zweifellos einen deutlichen Fortschritt auf dem Weg zu einer Objektivierung von Diagnostik, Therapieplanung und Effizienznachweis in der psychodynamischen Psychotherapie. Ihr Nutzen ergibt sich allerdings nur bei sachgerechter Anwendung. Die Voraussetzung ist eine vertiefte verstehende Erfassung des Einzelfalles, seiner Dynamik und Struktur. Es reicht nicht aus, Befunde (Konflikte und Strukturdefizite) anzunehmen und zu klassifizieren, wenn nicht dargestellt wird und nachvollzogen werden kann, wie diese individuell verankert sind. Es ist erforderlich, dass verstanden wird, wie sie an der Entstehung einer Störung beteiligt sind und welche Folgen sie in Hinblick auf Befinden, Verhalten, Beziehungen und andere Bereiche der Lebensgestaltung haben. Erst auf dieser Grundlage führt die Verständigung über den Einzelfall zu einer Bereicherung. Die bloße Benennung von Konfliktkategorien, Strukturdefiziten und Beziehungsmustern hat als solche für das klinisch-praktische Verständnis wenig Wert, solange diese nicht durch die Darstellung der individuellen Erlebnisinhalte und Funktionsabläufe belegt werden.

      Zur Vertiefung empfohlene Literatur

      Zum ärztlichen Untersuchungsgespräch: Adler R u. Hemmeler W (1992), Morgan WL u. Engel GL (1977)

      Psychodiagnostik: Arbeitskreis OPD (2006), Argelander H (1970b), Dührssen A (1986), Eckstaedt A (1992), Rudolf (2004), Statsch u. a. (2015)

      142 Schultz-Hencke (1951)

      143 In Europa das Klassifikationssystem ICD der WHO, in den USA das Diagnostische Manual DSM

      144 Hahn u. a. (1977)

      145 Argelander (1970b)

      146 Lorenzer (1970a)

      147 Schultz-Hencke (1951)

      148 Argelander (1970)

      149 Internationale Klassifikation der Krankheiten, 10. Fassung. Springer, Berlin, Heidelberg, New York 1991

      150 ICD-Portal der WHO https://icd.who.int/en/ (Zugriff am 15.12.2019)

      151 Schneider u. Freyberger (1914, 2014)

      152 Im klinischen Sprachgebrauch spricht man auch von »Psychoneurosen«, wobei reaktive und posttraumatische Symptombildungen eingeschlossen wären.

      153 Arbeitskreis OPD (1996), 4. Auflage als »OPD-2« 2006

      154 Rudolf (2004)

      155 Statsch u. a. (2015)

Krankheitsbilder

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