dieser Art Klanggedichte […] auf die durch den Journalismus verdorbene und unmöglich gewordene Sprache“, ziehe sich „in die innerste Alchemie des Wortes zurück“ und bewahre so „der Dichtung ihren letzten heiligsten Bezirk“.18 Er behauptet also, die Dichtung durch die vollendete Sinnlosigkeit ‚bewahren‘ zu können – tatsächlich entsemantisiert er die Worte so stark, dass es fast nur noch auf die Klanglichkeit ankommt. Balls Intention lag darin – die Rede von der „innerste[n] Alchimie des Wortes“ deutet es an –, die kommunikative Leistung der Sprache aufzuheben und zu einer Äußerungsform zurückzukehren, die „von keinerlei konventionellem Sinn bedingt und gebunden“19 ist. An ihre Stelle tritt eine Ausdruckssprache, die im Sinne von Walter Benjamins Sprachtheorie nicht etwas mitteilen, sondern benennen will.20 Durch die Destruktion der kommunikativen Sprachfunktionen will Ball also den „einzelnen Vokabeln und Laute[n] […] ihre Autonomie“ zurückgeben.21 Demgemäß spricht er von „magisch erfüllte[n] Vokabel[n]“, die beschwören und gebären, also im Akt der Benennung dasjenige, was benannt wird, hervorrufen.22
Die religiösen Bezüge des Lautgedichts kommen nicht zuletzt in der Vortragssituation zum Ausdruck. Für Ball ist Dichtung, zumal Lautdichtung, nicht „am Schreibtisch erklügelt“, sondern „für die Ohren lebendiger Menschen gefertigt“.23 Und so wurden Balls Texte von vornherein für den Vortrag vor Publikum geschrieben, aus dem dann oftmals ein großes Spektakel wurde. Als Ball seine ersten Lautgedichte im Cabaret Voltaire aufführte, trug er ein selbstgemachtes Kostüm mit Schamanenhut:
Abb.1: Hugo Ball beim Vortrag seiner Lautgedichte im Cabaret Voltaire
Die Form des Vortrags scheint hier noch durchaus improvisiert, wenn man Balls Beschreibung Glauben schenken darf:
Ich merkte sehr bald, daß meine Ausdrucksmittel, wenn ich ernst bleiben wollte (und das wollte ich um jeden Preis) dem Pomp meiner Inszenierung nicht würden gewachsen sein. […] Da bemerkte ich, daß meine Stimme, der kein anderer Weg mehr blieb, die uralte Kadenz der priesterlichen Lamentation annahm […]. Ich weiß nicht, was mir diese Musik eingab. Aber ich begann meine Vokalreihen rezitativartig im Kirchenstile zu singen […].24
Wie ernst man diese Beschreibung nehmen soll, kann offen bleiben. Wichtig ist jedoch zu betonen, dass Ball hier mit dem religiösen Kultus ein kulturelles Referenzsystem ins Spiel bringt, das für ihn als selbsternannten „magische[n] Bischof“25 offenbar nahelag, das jedoch nicht das einzig mögliche ist. Kurt Schwitters wird dieses religiöse Referenzsystem dezidiert nicht teilen, sondern – wie wir sehen werden – durch den profanen bürgerlichen Musikbetrieb ersetzen.
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