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Große Werke der Literatur XV


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unter dem Autornamen Burggraf von Regensburg firmierten. Ähnlich absurd ist die Aufspaltung der unter Dietmar von Aist überlieferten Strophen in einen authentischen Dietmar mit Langzeilenstrophen und viele Pseudo-Dietmare („Dietmar zugeschriebene Lieder“43) mit neuen Formexperimenten, wie es die Dietmar-Forscher lange taten. Darunter fällt auch das erste deutschsprachige Tagelied als vermeintlicher Pseudo-Dietmar.

      So erscheint es mir auch im Kontext der gesamten deutschen Literaturgeschichte am naheliegendsten, Dietmar von Aist als eine vielseitige Dichterpersönlichkeit zu würdigen. Er begann mit traditionellen Langzeilenstrophen, die teilweise noch Halbreim aufwiesen. Später machte er daraus reine Reime. Im Übrigen zeigten meine sprachhistorischen Untersuchungen, dass viele der vermeintlich unreinen Reime in der bairischen Mundart Dietmars in Wirklichkeit rein klangen.44 Dies geht leider aus den meisten Dietmar-Editionen, welche in Unkenntnis der Reimgrammatik mechanisch und unreflektiert Zirkumflexe setzen, nicht hervor. Dietmar griff nicht zuletzt die moderne Form der Kanzone auf. Er erfand den Natureingang, jedenfalls macht keiner der älteren Dichter so systematisch Gebrauch davon. Und es ist aus derselben (ostoberdeutschen) Sprachlandschaft der ungemein produktive und noch weit im Spätmittelalter rezipierte Minnesänger Neidhart, welcher später in seinen Sommer- und Winterliedern den Natureingang gar zum gattungskonstituierenden Markenzeichen adelt. Und schließlich sind es auch die mittelalterlichen Zeitgenossen, welche wie Reinmar in seiner Adaptation Dietmar die Ehre erweisen. Es lohnt sich also, den Minnesänger Dietmar von Aist in seiner authentischen gattungsmäßigen Vielfalt und Komplexität zu betrachten, einen innovativen Dichter, der lebenslang nach dem perfekten Gedicht strebte.

      Literaturverzeichnis

       Primärliteratur:

      Des Minnesangs Frühling. Nach Karl Lachmann, Moriz Haupt und Friedrich Vogt. Neu bearbeitet von Carl von Kraus. 33. Auflage. Stuttgart 1965.

      Des Minnesangs Frühling. Unter Benutzung der Ausgaben von Karl Lachmann und Moriz Haupt, Friedrich Vogt und Carl von Kraus. Bearbeitet von Hugo Moser und Helmut Tervooren. I. Texte. 38. erneut revidierte Auflage. Mit einem Anhang: Das Budapester und Kremsmünsterer Fragment. Stuttgart 1988.

      Früheste deutsche Lieddichtung. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Horst Brunner. Stuttgart 2005.

      Kudrun. Nach der Ausgabe von Karl Bartsch. Herausgegeben von Karl Stackmann. Tübingen 2000.

      Reinmar. Lieder. Nach der Weingartner Liederhandschrift (B). Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Günther Schweikle. Stuttgart 1986.

      Schweikle, Günther: Die Mittelhochdeutsche Minnelyrik I. Die Frühe Minnelyrik. Texte und Übertragungen. Einführung und Kommentar. Darmstadt 1977.

      Walther von der Vogelweide. Leich, Lieder, Sangsprüche. 15. veränderte und um Fassungseditionen erweiterte Auflage der Ausgabe Karl Lachmanns. Aufgrund der 14. von Christoph Cormeau bearbeiteten Ausgabe neu herausgegeben, mit Erschließungshilfen und textkritischen Kommentaren versehen von Thomas Bein. Edition der Melodien von Horst Brunner. Berlin/Boston 2013.

      Wolf, Klaus:Dietmar von Aist. Kommentierte Ausgabe nach Codex Manesse mit den Fassungsvarianten der Parallelüberlieferung“. Leuvense Bijdragen 96 (2007–2010): 79–119.

       Sekundärliteratur:

      Bein, Thomas: Deutschsprachige Lyrik des Mittelalters. Von den Anfängen bis zum 14. Jahrhundert. Eine Einführung. Berlin 2017.

      Bumke, Joachim: Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter. München 1990.

      Deuchler, Florens: Strukturen und Schauplätze der Gestik: Gebärden und ihre Handlungsorte in der Malerei des ausgehenden Mittelalters mit einem Exkurs zum Bildwissen. Berlin 2014.

      Dittrich, Sigrid und Lothar: Lexikon der Tiersymbole. Tiere als Sinnbilder in der Malerei des 14.–17. Jahrhunderts. Petersberg 2005.

      Gelfert, Hans-Dieter: Was ist gute Literatur? Wie man gute Bücher von schlechten unterscheidet. München 2004.

      Grienberger, Theodor von: Dietmar von Aist. Bd. 37. Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. (1893), 419–424.

      Hartmann, Sieglinde: Deutsche Liebeslyrik vom Minnesang bis zu Oswald von Wolkenstein oder die Erfindung der Liebe im Mittelalter. Wiesbaden 2012.

      Knapp, Fritz Peter: Geschichte der Literatur in Österreich. Die Literatur des Früh- und Hochmittelalters. In den Bistümern Passau, Salzburg, Brixen und Trient. Von den Anfängen bis zum Jahre 1273. Graz 1994.

      Kornrumpf, Gisela: „Budapester Liederhandschrift“. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. 11. 2. völlig neu bearbeitete Auflage. Hg. Kurt Ruh [u.a.]. Berlin/New York 2004: Sp. 305–307.

      Mewes, Uwe; Cord Meyer und Janina Drostel: Regesten deutscher Minnesänger des 12. und 13. Jahrhunderts. Berlin/New York 2005.

      Ostritz, Sven und Maria Stürzebecher [u.a.]: Der Schatzfund: Archäologie – Kunstgeschichte – Siedlungsgeschichte. Bd 1. Erfurt 2010.

      Schweikle, Günther: „Heinrich von Rugge“. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. 3. 2. völlig neu bearbeitete Auflage. Hg. Kurt Ruh [u.a.]. Berlin/New York 1981: Sp. 869–874.

      — : Minnesang. Stuttgart 1989.

      — : „Burggraf von Regensburg“. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. 7. 2. völlig neu bearbeitete Auflage. Hg. Kurt Ruh [u.a.]. Berlin/New York 1989: Sp. 1087–1089.

      — : „Reinmar der Alte“. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. 7. 2. völlig neu bearbeitete Auflage. Hg. Kurt Ruh [u.a.]. Berlin/New York 1989: Sp. 1180–1191.

      — : Neidhart. Stuttgart 1990.

      Tervooren, Helmut: „Dietmar von Aist“. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2. Bd. 2. völlig neu bearbeitete Auflage. Hg. Kurt Ruh [u.a.]. Berlin/New York 1980: Sp. 95–98.

      Voetz, Lothar: Codex Manesse. Die berühmteste Liederhandschrift des Mittelalters. Darmstadt 2015.

      Walther, Ingo F. und Gisela Siebert: Codex Manesse. Die Miniaturen der großen Heidelberger Liederhandschrift. 4. Auflage. Frankfurt/M. 1988.

      Rezeption des Orlando furioso von Ariosto

      Laura Terracina: Discorsi sopra le prime stanze de’ canti d’Orlando furioso

      Rotraud von Kulessa und Daria Perocco

      1516 erscheint in Ferrara die erste Fassung des Orlando furioso (Der rasende Roland), des Ludovico Ariosto (1447–1533), gefolgt von einer zweiten Edition publiziert 1521 in Mailand und schließlich der endgültigen Version in 46 Gesängen, die 1532 wiederum in Ferrara erscheint. Das Ritterepos, das als Fortsetzung des unvollendeten Orlando innamorato (1483) des Matteo Maria Boiardo (1441?–1494) konzipiert war, wurde lange Zeit ausschließlich als Unterhaltungsliteratur im Kontext des Hofes der Familie d’Este in Ferrara rezipiert. Erst Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) öffnet in seinen Vorlesungen über die Ethik (1818–1829) den Blick auf eine kritische Auseinandersetzung Ariostos mit der Tradition des mittelalterlichen Ritterromans.1

      Ursprünglich verfasst für den mündlichen Vortrag am Hofe der d’Este