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Handbuch ADHS


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Störungen des dopaminergen Systems werden auch anhand der drei Regelkreise unterteilt (Sikstrom und Soderlund 2007).

      • Im mesolimbischen System wird eine dopaminerge Dysfunktion vermutet, die Verstärkungsprozesse beeinträchtigt und so zu mangelnder Fähigkeit eines Belohnungsaufschubs, zu erhöhter Hyperaktivität in ungewohnten Situationen, zu vermehrter Impulsivität etc. führt.

      • Eine dopaminerge Hypofunktion in mesokortikalen dopaminergen Regelkreisen bedingt Unaufmerksamkeit und Beeinträchtigungen der exekutiven Funktionen.

      • Eine dopaminerge Dysfunktion im nigrostriatalen Regelkreis führt zu Beeinträchtigungen der Motorik und des nicht-deklarativen Lernens, was sich z. B. in einer erhöhten Ungeschicklichkeit äußern kann.

      Angesichts der engen Verbindungen zwischen noradrenergem und dopaminergem System greift eine ausschließliche Betrachtung dopaminerger Veränderungen bei ADHS zu kurz. Von daher ist die parallele Betrachtung ebenso wichtig wie die Aspekte der Verzahnung beider Neurotransmittersysteme. Für eine detaillierte Beschreibung der Biochemie, der zentralnervösen Bahnen, der Neurolokalisation und deren Entwicklung sei auf die Buchkapitel von Oades (2005, 2006, 2007) verwiesen.

      Kasten 7.1: Merkmale des kortikalen Neurons

      • Niedrige Dopamintransporterdichte

      • Geringe extrazelluläre Dopaminkonzentration

      • Mittlere Noradrenalintransporterdichte

      • Dopamintransporter transportiert relativ ineffektiv Dopamin oder Noradrenalin

      • Noradrenalintransporter kann Dopamin transportieren

      • Weniger dopaminerge Vesikel

      • Regulation der motorischen Funktionen

      → geringere motorische Kontrolle verglichen mit nicht von ADHS Betroffenen

      Insbesondere im präfrontale Kortex (PFC) – einer Region, die besonders auf Veränderungen des neurochemischen Gleichgewichts reagiert – besteht ein enges Zusammenspiel aus dopaminerger und noradrenerger Neurotransmission. So lässt sich aus elektrophysiologischen Studien an Tieren ableiten, dass im präfrontalen Kortex (PFC) Noradrenalin durch Bindung an postsynaptische alpha2A Rezeptoren die »Signaltransduktion« verstärkt und Dopamin durch eine moderate Aktivierung von D1-Rezeptoren das »Rauschen« vermindert. Beide Effekte tragen somit zu einem besseren Signal-Rausch-Verhältnis bei, was einen bedeutsamen Sachverhalt u. a. für eine gute selektive/fokussierte Aufmerksamkeit darstellt. Eine Stimulation der alpha2A Rezeptoren verbessert das funktionale Zusammenspiel der Netzwerke im präfrontalen Kortex, während eine Blockade der alpha2A Rezeptoren im präfrontalen Kortex von Affen Symptome einer ADHS hervorruft, nämlich Probleme mit Arbeitsgedächtnis, vermehrter Impulsivität und Hyperaktivität (Brennan und Arnsten 2008). Ferner wirkt der D4-Rezeptor im PFC nicht selektiv für Dopamin. Er besitzt sogar eine höhere Affinität für NE und seine Stimulation kann die Sekretion von GABA (Gammaaminobuttersäure) hemmen. Darüber hinaus findet sich im PFC (inklusive prälimbischer und anterior cingulärer Regionen) eine relativ hohe Konzentration an NET (Norepinephrintransportern), die durchaus als alternativer Transporter für DA (Dopamin) arbeiten können (Prince 2008), während im Striatum die Neurone eine hohe Dichte an DAT, aber eine sehr geringe an NET aufweisen. Die funktionellen Merkmale des kortikalen Neurons sind in Kasten 7.1 kurz skizziert. Parallel dazu werden in Kasten. 7.2 die etwas anderen funktionellen Merkmale des striatalen Neurons aufgeführt.

      Kasten 7.2: Merkmale des striatalen Neurons

      • Niedrige Noradrenalinstransporterdichte

      • Hohe Dopamintransporterdichte

      • Geringe extrazelluläre Dopaminkonzentration

      • Dopamintransporter transportiert Dopamin effektiv

      • Dopamintransporter transportiert Noradrenalin nicht effektiv

      • Weniger dopaminerge Vesikel

      • An kognitiven Funktionen beteiligt

      NE ist durch seine hohe Verfügbarkeit im retikulären Arousalsystem sowie im PFC an der Modulation von Wachheit, Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, Verhaltenshemmung und Planung beteiligt. Ähnlich wie bei DA können NE-Spiegel bei niedriger bis mittlerer Höhe die Leistungen des PFC steigern, während diese bei hohen Werten (z. B. unter Stress) eher nachlassen, weil dann der Abgleich zwischen emotional aktiviertem limbischem System und kognitiv kontrollierendem PFC immer schwieriger wird, d. h. um die optimale neuronal-oszillatorische Synchronisation zu erzielen, bedarf es einer Regulation der beiden Neurotransmittersysteme in einem mittleren Bereich.

      Die genetischen Zusammenhänge zwischen ADHS und Genen des NE-Systems sind noch weitgehend unklar, auch wenn einige Studien

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      Abb. 7.1: Modell der MPH-Wirkung auf das dopaminerge System.

      Der linke Teil zeigt die dopaminergen Neurotransmission an der Synapse vor Behandlung mit MPH. Es finden sich relativ erniedrigte Dopaminkonzentrationen und eine erhöhte Dopamintransporterdichte. Die D2 Autorezeptoren bleiben blockiert. Die Dichte des Noradrenalintransporters im Striatum könnten erniedrigt sein (in kortikalen Regionen allerdings erhöht sein, da sie am Transport von Dopamin beteiligt ist).

      Der rechte Teil zeigt die dopaminerge Neurotransmission an der Synapse nach Behandlung mit MPH. Hier zeigen sich eine Blockade der Dopamintransporter und eine erhöhte extrazelluläre Dopaminkonzentration. Zusätzlich bewirkt MPH eine Disinhibition der D2 Autorezeptoren im präsynaptischen dopaminergen Neuron sowie eine Aktivierung der D1 Rezeptoren am postsynaptischen Neuron, was zu einer verstärkten Aktivität des Dopaminsystems führt und mit einer Verbesserung von Unaufmerksamkeit, kognitiven Funktionen und motorischer Hyperaktivität einhergeht (nach Wilens 2008).

      Assoziationen mit Polymorphismen verschiedener NE-Rezeptoren bzw. den NE-Transportern aufzeigen (z. B. Brookes et al. 2007; Bobb et al. 2005; Kim et al. 2006; Oades 2006) und Yang et al. (2004) bei chinesischen Kindern eine Assoziation zwischen dem NET und der MPH-Wirkung fanden.

      Funktionelle Bildgebungsuntersuchungen zu NE liegen bisher nicht vor, weil die notwendigen Trägersubstanzen noch nicht zur Verfügung stehen. Hingegen gibt es Ergebnisse einer Reihe von elektrophysiologischen Studien mit noradrenergen Medikamenten, die den positiven Einfluss von NE hinsichtlich einer besseren neuronalen Synchronisation und Arousalsituation aufzeigen (Oades 2005, 2006).

      Die Medikamente (image Kap. 3132), die am effektivsten die Symptomatik von ADHS reduzieren, greifen in das dopaminerge ebenso wie in das noradrenege System ein. So blockiert MPH (Methylphenidat) zwar hauptsächlich die Wiederaufnahme von DA aus dem synaptischen Spalt, es blockiert aber auch ein wenig die NE-Wiederaufnahme und den alpha2-Adrenoceptor. Ein Modell der MPH-Wirkung auf das dopaminerge System stellt Abb. 7.1 dar. Amphetamine bewirken darüber hinaus noch eine vermehrte Freisetzung von DA und NE aus dem präsynaptischen Neuron. Insgesamt führen also Stimulanzien vor allem zu einem Anstieg der Konzentration von DA und NE im PFC und weniger – aber auch – im Striatum. Die enge Verbindung beider Neurotransmittersysteme erklärt auch, dass Atomoxetin (ATX, ein selektiver NE-Wiederaufnahmehemmer) nicht zur Steigerung von DA im Striatum, aber von DA und NE im PFC führt, da der NET dort für die Wiederaufnahme sowohl von DA als auch von NE zuständig ist (Prince et al. 2008). Darüber hinaus muss man daran denken, dass noradrenerge Effekte durch MPH auch im Arousalsystem des Locus coeruleus zustande kommen und von dort eine therapeutische Wirkung auf Vigilanz und Aufmerksamkeit entfalten können, zumal durch direkte neuronale Projektionen eine Modulation präfrontaler Regionen möglich ist (Wilens 2008). Um die o. g. positiven Aspekte des NE-Systems während