Madeleine Puljic

Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12)


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Ganz egal, was seine Rede bewirkt haben mochte – er konnte es nicht mehr ändern. Das Urteil der Ritter würde über seinen Kopf hinweg entschieden werden, ganz wortwörtlich.

      Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis sich die Energiekuppel endlich auflöste und er erneut im Kreis der Ordensritter stand.

      »Wir haben uns beraten«, verkündete BARILS Stimme.

      Rhodan sah sich um, versuchte, in den Gesichtern der Ritter abzulesen, wie das Urteil lautete. A-Kuatond wirkte verkniffen. Bedeutete das, dass er gewonnen hatte?

      »Es ist noch kein Urteil gefallen«, sagte die Stimme. »Der Rat ist gespalten.«

      »Ich verstehe nicht ...« Eine Patt-Situation? Wie konnte das sein, wenn die Anzahl der Abstimmenden ungerade war?

      »Drei haben in deinem Namen gesprochen«, fuhr die Stimme fort, »und sind gegen deine Verurteilung. Die anderen drei wünschen deinen Tod.«

      Na blendend!

      »Das letzte Votum liegt bei BARIL«, erläuterte deren Stimme. »Sie wird entscheiden, wie mit dir zu verfahren ist.«

      Das wurde ja immer besser. »Und was bedeutet das?«

      Rhodan bemühte sich redlich, seine Zuversicht zu behalten, aber das fiel ihm zunehmend schwerer.

      BARILS Stimme wurde lauter, dröhnte in seinen Ohren. »Weitere Informationen sind erforderlich«, tönte sie. »Die Aufrichtigkeit deiner Worte wird überprüft. Bis wir alle nötigen Informationen erhalten haben, verbleibst du in der Zitadelle. Als Gast des Ordens.«

      Ohne weitere Vorwarnung erlosch das Hologramm auf dem grauen Thron. Auch die anderen fernzugeschalteten Ratsmitglieder verschwanden, bis nur noch die drei anwesenden Ritter übrig blieben.

      A-Kuatond stürmte wortlos aus dem Saal. Yalaba folgte ihr mit langsamen, ausgreifenden Schritten.

      »Hast du schon gespeist?«

      Überrascht sah Rhodan auf den Diplomaten hinunter, der neben ihm kauerte.

      »Nein, eigentlich nicht.« Angesichts der Entwicklung, die die Verhandlung genommen hatte, war ihm der Appetit allerdings ohnehin vergangen.

      Doch sein Gegenüber sirrte, als hätte er jeden dieser Gedanken auf Rhodans Gesicht abgelesen. »Die Prüfung wird einige Tage in Anspruch nehmen. Begleite mich!«

      Auf seinen dürren Beinen stakste Semmaru voran, und Perry Rhodan blieb nicht viel anderes übrig, als ihm zu folgen.

      5.

      Kessaila, BARILS Adyton

      Der Teller, den Perry Rhodan aus dem Versorgungsapparat in der kleinen Kantine zog, verströmte einen intensiven, würzigen Duft nach Zimt, Zitrone und gebratenem Fisch, der seinen verloren geglaubten Hunger entfachte. Er würde einige Tage im Adyton verbringen. Das konnte er ebenso gut satt tun. Etwas sagte ihm, dass er seine Kräfte noch brauchen würde.

      Doch dann öffnete sich die Klappe erneut, um Semmarus Mahlzeit auszuspucken. In der Schüssel des Diplomaten lag ein stinkendes, fauliges Fleischstück. Der Geruch allein reichte aus, um Rhodan den Magen umzudrehen. Als Semmaru auch noch das Maul öffnete, eine stechrüsselartige Zunge in das Fleisch bohrte und lautstark zu schlürfen begann, resignierte Rhodan endgültig.

      »Du sagtest, die Prüfung wird einige Tage in Anspruch nehmen«, sagte er, um sich von dem unappetitlichen Anblick abzulenken.

      »In der Tat.« Semmaru schnappte nach einer Fliege, die vom Fäulnisgeruch seiner Mahlzeit angelockt worden war, und stopfte sie sich in den Mund. »BARILS Stimme urteilt nicht leichtfertig. Es geht schließlich nicht nur um dich.«

      »Aber ich stehe unter Anklage.«

      »Stellvertretend.«

      Eine weitere Fliege kam angeschwirrt. Sie landete auf dem Teller, kroch über Semmarus Krallen und begann, an den chitinartigen Schuppen seines dürren Arms nach oben zu krabbeln. Der Diplomat schien das nicht zu bemerken. Er war damit beschäftigt, das stinkende Fleischstück auszusaugen.

      »Es ist so«, erklärte er zwischen seinen Schlucken. »Du hattest das Kommando inne, also trägst du auch die Verantwortung. Das Schicksal deines Schiffs und damit all derer, die dich begleiten, hängt davon ab, ob du die Wahrheit gesagt hast. Du wirst beweisen müssen, dass es tatsächlich dein Anliegen war, für einen Ausgleich der Kräfte zu sorgen.«

      »Und wie soll ich das anstellen?« Prüfung klang so einfach, aber auch das konnte ein Euphemismus sein. Wie wollten die Ritter seine wahren Intentionen überprüfen? Indem sie in seine Gedanken eindrangen?

      Was Rhodan wirklich von diesen Religionsfanatikern hielt, wollte er lieber nicht offenbaren.

      Inzwischen hatte die Fliege Semmarus Brustpanzer erreicht und schob sich durch die Öffnung an seinem Kragen.

      Nur mit Mühe unterdrückte Rhodan das Bedürfnis, über seine eigenen Arme zu wischen.

      Der Diplomat dagegen zeigte immer noch keine Reaktion auf das Insekt, sondern fuhr in aller Ruhe fort: »Man wird dich allerhand Tests unterziehen. Wachsend schwierige Simulationen, in denen du dich moralischen Dilemmata stellen musst, um zu beweisen, dass dir das Gleichgewicht in Yahouna wahrhaftig ein Anliegen ist. Allerdings ...« Er drehte den dreieckigen Kopf hin und her. »Falls du versagst, wird die Strafe für dein Schiff nicht so glimpflich ausfallen wie das erste, schnelle Urteil der Stimme.«

      Das waren ja schöne Aussichten! Rhodan hatte sich auf die Verhandlung eingelassen, weil er dachte, dadurch die Position der SOL verbessern zu können. Möglicherweise hatte er stattdessen alles nur schlimmer gemacht.

      Zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass es nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich war, dass er diese Tests nicht bestand. Für Ausgleich sorgen – er hatte keine Ahnung, wie ihm das gelingen sollte. Wer wusste schon, nach welchen Gesichtspunkten BARIL entschied?

      Eine knochige Krallenhand legte sich auf seinen Unterarm. Rhodan schauderte, als dabei die Fliege wieder zum Vorschein kam. Summend flog sie auf.

      »Ich werde dich auf deine Aufgaben vorbereiten, so gut ich es vermag«, versprach der Diplomat.

      »Danke.«

      Sollte ihn das nun beruhigen? Rhodan klassifizierte sein Gegenüber zwar in Gedanken als Diplomat, weil ihm das sympathischer erschien. Mit Diplomaten konnte er umgehen. Aber Semmaru war auch ein Ritter BARILS. Und welche Ziele BARIL verfolgte, war nach wie vor unklar.

      Sein Zweifel musste ihm deutlicher anzusehen gewesen sein, als Rhodan dachte, denn Semmaru zuckte mit den Klauen, als wolle er diese Gedanken verscheuchen.

      »Ich habe für deinen Freispruch gestimmt«, versicherte der Ritter.

      »Weil du es für richtig hältst?«, fragte Perry Rhodan. »Oder um A-Kuatond zu widersprechen?«

      Der Diplomat stieß ein leises Sirren aus. »Du bist klug«, meinte er. »Du wirst die Prüfungen bestehen.« Sein Kopf ruckte zur Seite. »Die ersten jedenfalls.«

      Immer dieser Optimismus.

      »Und die anderen?«

      Mit einem gezielten Stoß seines Rüssels verschlang Semmaru die verbliebene Fliege. Dann erhob er sich. »Folge mir! Ich bringe dich in dein Quartier.«

      *

      Die Tür glitt in den Boden und offenbarte ein erstaunlich komfortables Zimmer, das aus einer Schlafkoje, die selbst Yalaba ausreichend Platz geboten hätte, und einem Arbeitsbereich mit Tisch, privater Holostation und gepolstertem Hocker bestand. Durch eine milchige Scheibe erkannte Perry Rhodan ein Badezimmer, das neben einer Nasszelle hoffentlich auch über die notwendigen anderen Ausstattungen verfügte.

      Vor allem aber besaß das Zimmer Farbe. Zwar waren Boden und Decke in den obligatorischen Schwarz-Weiß-Tönen gehalten, die Wände jedoch waren mit ganzflächigen Hologrammen bedeckt, die eindrucksvolle Bilder lieferten: endlose Meere, gleißende Sonnen, Städte, Wälder