Madeleine Puljic

Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12)


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zur anderen, als inspiziere auch er den Raum.

      »Ich hoffe, du findest alles, was ein Angehöriger deines Volkes benötigt«, sagte er. »Falls du noch etwas brauchst, kannst du es die Wächter über diese Arbeitsstation wissen lassen.«

      Wächter. Rhodan verzog unglücklich den Mund. »Dann bin ich also ein Gefangener?«

      »Keineswegs!« Der Diplomat gab seiner Stimme einen überraschten Klang. »Du bist ein Gast.«

      »Aber ich werde bewacht.«

      »Das Adyton wird bewacht«, korrigierte Semmaru. »Aber da das Allerheiligste gut geschützt ist, übernehmen die Wächter zuweilen auch andere Aufgaben.«

      Wie die Versorgung von Gästen? In Rhodans Augen war das nur eine Umschreibung der Tatsache, dass er in der Zitadelle keinen unbeobachteten Schritt tun konnte.

      »Ich vergaß.« Der Diplomat streckte seine dünnen Beine.

      Als er dennoch nicht an Rhodan heranreichte, winkte er ihn näher, bis sich Rhodan zu ihm hinabbeugte. Mit flinken Klauen befestigte Semmaru eines der schwarzen, kleinen Signets an Rhodans Kragen.

      »Dein Permit«, sagte der Diplomat.

      »Mein was?«

      Semmaru wedelte mit den oberen vier Händen. »Es identifiziert dich als der, der du bist, und gestattet dir Zugang zu allen öffentlichen Bereichen, den Prüfungsräumen und deinem eigenen Quartier.«

      Rhodan entging nicht, dass der Ausgang des Adytons unerwähnt blieb. Demnach war er durchaus weiterhin ein Gefangener – wenngleich mit etwas größerer Bewegungsfreiheit, als er gedacht hatte.

      »Die Prüfung beginnt morgen«, fuhr Semmaru fort. »Bis dahin hast du ausgiebig Gelegenheit, dich umzusehen, falls das dein Wunsch ist.«

      »Danke. Vielleicht hilft mir ein Spaziergang, mich auf die Tests einzustimmen.« Mehr wäre ihm allerdings geholfen, wenn er einfach hätte verschwinden können. Aber den Gefallen würden ihm die Ritter nicht tun. Ob er wollte oder nicht, er musste sich den Prüfungen stellen, die sie für ihn bereithielten.

      »Da fällt mir ein ...« Semmaru stakste an Rhodan vorbei zu der Arbeitsstation und gab mit seinen dürren Klauen einen Befehl in das Holo ein. Gleich darauf leuchtete das Zeichen von BARILS Stimme über dem Tisch auf.

      Semmaru sirrte zufrieden. »BARILS Botschaft«, verkündete er. »Zu deiner Erbauung. Sie wird dir helfen, dich auf deine Prüfungen einzustimmen.«

      Das sollte die großartige Hilfe sein, die der Diplomat ihm versprochen hatte? Das Äquivalent von »Lies die Bibel, darin findest du alle Antworten«?

      Aber was hätte er von einem Ritter anderes erwarten können? Die Gehirnwäsche fing bei diesen Fanatikern ja bereits bei den Robotern an. »Danke, Semmaru.«

      Das Insektenwesen stieß ein leises Zirpen aus. »Es ist mir eine Freude, dir bei der Wahrheitsfindung zu helfen! Möge BARIL dir den rechten Weg weisen.« Damit ließ er seinen Schutzbefohlenen endlich allein.

      Erschöpft fiel Perry Rhodan auf sein Bett und massierte sich die Schläfen. Es war nicht das erste Mal, dass er sich in einer Zelle wiederfand. Aber selten hatte er so wenig vorhersehen können, was ihn erwartete.

      Er sah zu dem Hologramm, das immer noch über der Arbeitsstation schwebte. Ihm blieb weniger als ein Tag, um sich auf die Prüfungen der Ritter vorzubereiten und sich einen Fluchtplan zurechtzulegen.

      Seufzend aktivierte er die Botschaft.

      6.

      BARILS Botschaft

      Vor dem Beginn

      1 BARIL wuchs in die Leere hinein, die nach der Verheerung zurückgeblieben war. Ihre Welt war die letzte, die im Großen Krieg der Hohen Mächte zerstört wurde. BARIL ward geboren aus den letzten Wesen, deren Körper vernichtet wurden, bevor ihr Geist ersterben konnte.

      2 Sie war Gedanke und Erinnerung. Sie war Mahnmal, sie war Schutzwall. Nie wieder sollte Yahouna zwischen die Hohen Mächte geraten. Das war das Versprechen ihrer Existenz.

      3 BARIL erhob sich, als YAHOUN verging. YAHOUN war die Schutzherrin gewesen, länger, als die Zeit selbst sich erinnern konnte. Doch YAHOUN stand nicht nur für sich. YAHOUN stand für das Leben, für die Vielfalt, für das Neue, für das Andere, für den überbordenden Quell.

      4 YAHOUN stand gegen die Ordnung, die all das einhegen, zähmen, kontrollieren und führen wollte. YAHOUN stand mit dem Chaos.

      5 Der ewige Kampf zwischen Ordnung und Chaos tobt in allen Welten, allen Universen. Friede ist nur ein Traum schlafender Galaxien. Die Hohen Mächte werden allerorts erscheinen in der Ewigkeit der Zeit. Nichts bleibt unberührt, wenn ihr Weckruf erschallt.

      6 Yahouna schlief lange, und YAHOUN wachte über ihren Traum. Glückliche Jahrzehntausende, in denen die Beförderer der Vielfalt ein gastliches Heim fanden, Jünger gewannen für ihre Mission und die Botschaft des Chaos hinaustrugen ins Universum und die Universen, mit Worten ebenso wie mit Waffen.

      7 Der Bote der Ordnung erschien YAHOUN in Gestalt einer belebten Statue. Sein Bronzeglanz überstrahlte die Sonne. Und der Bote forderte: »Das Chaos darf keine Wurzeln mehr treiben in Yahounas Sternenfeldern. Jäte es aus, auf dass deine eigene Blüte gedeihen möge.«

      8 YAHOUN sann einige Jahrtausende hierüber nach. Dann kehrte der Bote wieder, und in seinem Bronzeglanz verbrannten ganze Welten.

      9 Da wandte sich YAHOUN an den Boten des Chaos, der in Yahouna weilte. Sie bat ihn, hinauszugehen in die Weite des Universums und der Universen, zu finden andere Sternenfelder, die schliefen und noch lange schlafen mochten.

      10 Der Bote des Chaos verharrte. Er war nicht willens, zu weichen. Der Weckruf war erschallt, so kündete er. Es sei an der Zeit, dass YAHOUN einstand für ihren Glauben an die Vielfalt. Es sei an der Zeit, den Kampf aufzunehmen gegen die Ordnung.

      11 YAHOUN bat ihn erneut, hinauszugehen und zu kämpfen auf einem anderen Sternenfeld. Da kündete der Bote des Chaos, dass YAHOUN womöglich vergehen mochte in Bronzenem Glanz, wenn sie kämpfte. Dass sie aber ganz sicher vergehen würde in schwarzer Finsternis, wenn sie nicht die Waffen aufnahm gegen die Ordnung.

      12 YAHOUN kämpfte, und mit ihr kämpfte ganz Yahouna. Ganz Yahouna starb, und ebenso starb YAHOUN.

      *

      Perry Rhodan unterbrach die Aufzeichnung und fasste gedanklich zusammen, was er erfahren hatte. Der Anfang von BARILS Botschaft schilderte in blumigen Worten, was sich in Yahouna abgespielt hatte, bevor BARIL auf der Bildfläche erschienen war.

      Es hatte in dieser Galaxis offenbar zuvor eine andere Superintelligenz namens YAHOUN gegeben, die in einen Kampf zwischen Kosmokraten und Chaotarchen hineingeraten war. YAHOUN hatte die Chaotarchen zunächst nur passiv unterstützt und war dann zum aktiven Kampf gedrängt worden. Das hatte sie mit dem Leben bezahlt.

      Ganz unbekannt war Rhodan die Art Geschichte nicht. In der heimatlichen Milchstraße hatte sich ganz Ähnliches unter umgekehrten Vorzeichen abgespielt: Die von dort stammende Superintelligenz ARCHETIM hatte für die Kosmokraten in Tare-Scharm gekämpft und war dabei gestorben. Sie hatte daheim ein Machtvakuum zurückgelassen, das später von der jungen Superintelligenz ES ausgefüllt worden war. Die mittlerweile ihrerseits die Milchstraße hatte verlassen müssen, aber das war eine andere Geschichte.

      Der Wechsel von ARCHETIM zu ES war vor rund achtzehn Millionen Jahren erfolgt. Die Wachablösung von YAHOUN an BARIL lag deutlich kürzer zurück, wenn Rhodan die Hinweise in den religiös verbrämten Formulierungen richtig deutete. Ein Bote in Gestalt einer belebten Statue von strahlendem Bronzeglanz? Das klang nach einem Roboter der Cairol-Baureihe. Mit diesen Kosmokratendienern hatte die Menschheit bereits mehrmals unangenehme Erfahrungen gemacht.

      Wann der erste Cairol gebaut worden war, wussten die Menschen nicht. Sein erstes bekanntes Auftreten lag rund hunderttausend Jahre in der Vergangenheit. Natürlich konnte der Roboter in Wirklichkeit viel älter sein, aber