der Kosmokraten gerieten sie in der Praxis zwangsläufig irgendwann in Gefechte mit ebenbürtigen Gegnern. Ihr reales Leben mochte somit ein paar Jahrzehntausende währen, aber eben auch nicht länger.
Die Schlacht um Yahouna hatte sich also wahrscheinlich in einem Zeitraum zwischen 150.000 und 50.000 vor der Gegenwart ereignet. Das war gewissermaßen vorgestern, wenn man die Maßstäbe anlegte, die für den Kampf zwischen Ordnung und Chaos galten.
Das war alles durchaus interessant, und um BARIL zu verstehen, half es sicher, diesen Teil ihrer Vorgeschichte zu kennen. Es brachte Perry Rhodan aber keinen Vorteil dabei, sich auf die Tests vorzubereiten. Wahllos rief er einige spätere Kapitel der Botschaft auf, in der Hoffnung, dabei auf konkreter nutzbare Informationen zu stoßen.
Eine Hoffnung, die er nach zwei Stunden voll salbungsvoller Worte und Psalmen zum Lobe des Gleichgewichts frustriert aufgab.
7.
12. November 1552 NGZ
Kessaila, BARILS Adyton
Perry Rhodan wusste nicht, wann die Prüfungen beginnen würden. Er wusste nur eins: Eine weitere Mahlzeit in Semmarus Gesellschaft würde ihm nicht bekommen, und nachdem er am Vortag kaum etwas zu sich genommen hatte, hatte er ein Frühstück bitter nötig.
Also machte er sich noch vor der Morgendämmerung auf, um das Loch in seinem Bauch zu füllen. Diesmal hielt der Versorgungsapparat einen reichhaltigen Getreidebrei und Obst für ihn bereit. Sogar etwas, das entfernt an Kaffee erinnerte, landete auf Rhodans Tablett. Von der Wirkung her, die das Gebräu hatte, kam es jedenfalls einem mehrfachen Espresso gleich.
Rhodan war bei seiner zweiten Tasse angelangt, als die ersten anderen Gäste in der Kantine eintrudelten. Überrascht stellte er fest, dass niemand dabei war, den er in der Verhandlung gesehen hatte. Demnach war die Zitadelle keineswegs nur von Robotern und Rittern bevölkert. Auch diese Bewohner Kessailas gehörten den unterschiedlichsten Völkern an. Manche von ihnen kamen Rhodan entfernt vertraut vor, aber er erkannte keins davon wieder.
Während er seinen Kaffeeersatz trank, beobachtete er, wie sie miteinander umgingen. Respektvoll, freundlich ... zurückhaltend. Ein paar neugierige Blicke wurden in seine Richtung geworfen, aber niemand sprach ihn an, und soweit er das sagen konnte, war er nicht mal geflüsterte Spekulationen wert. Die Leute gingen ihren Essensgewohnheiten nach, ohne sich von ihm stören zu lassen. Rhodan fragte sich, was sie über ihn wussten. Hatten die Ritter seine Anwesenheit erklärt? Oder war ein Gast im Allerheiligsten nicht so ungewöhnlich, wie er dachte?
Womöglich war er tatsächlich nichts Besonderes. Wenn BARILS Stimme des Öfteren Pattsituationen auflösen musste, waren die Prüfungen wahrscheinlich eine reine Routineangelegenheit. Umso besser für ihn. Das würde ihm hoffentlich einen raschen Weg raus aus dieser Lage ermöglichen.
»Du bist früh auf.« Semmarus Stimme riss ihn aus seinen Überlegungen. Der Ritter stand neben Rhodan und sah ihn aus dunklen Facettenaugen an. »Bist du bereit für deine erste Prüfung?«
»So bereit, wie ich es sein werde.« Perry Rhodan kippte den Rest seines Muntermachers hinunter. »Lass uns gehen.«
*
Der kleine, kreisrunde Raum, in den Semmaru ihn lotste, entsprach nicht Perry Rhodans Vorstellungen. Irgendwie hatte er ein winziges Verhörzimmer erwartet, vielleicht mit einem Wasserglas auf einem sonst leer gehaltenen, ornamentlosen Tisch, das Ganze überwacht mit einer auffällig platzierten Kamera.
An der Existenz dieser Kameras hegte Rhodan weiterhin keine Zweifel, aber zumindest auf den ersten Blick konnte er keine entdecken. Einen Tisch gab es nicht, und auch kein Trinkglas. Dafür plätscherte das Rinnsal eines dezent gestalteten Springbrunnens an der grauen Mauer herab. Davon abgesehen war der Raum leer.
»Die Prüfung beginnt, sobald du die Mitte erreichst«, informierte Semmaru ihn. »Viel Glück.«
»Er wird versagen.« Es war nur eine Stimmübertragung, aber Rhodan hatte keine Schwierigkeiten, die Sprecherin zu identifizieren. A-Kuatonds Ärger hallte durch das Prüfungszimmer, während Rhodan zur Mitte schritt. »Es ist eine Verschwendung unserer aller Zeit ...«
»Es ist BARILS Wille«, entgegnete eine andere, ebenfalls weibliche Stimme. Vielleicht die menschenähnliche Ritterin? »Falls er eine Zeitvergeudung darstellt, ist der Test ohnehin gleich vorüb...«
Rhodan hatte die Mitte erreicht, und die Stimmübertragung brach ab. Ringsum flammte ein Hologramm auf, das ihn im Zentrum der Yahounagalaxis schweben ließ. Eine beeindruckende Illusion – aber was genau sollte er nun tun?
Nach kurzer Überlegung streckte er die Hand nach einem Stern schräg vor sich aus. Augenblicklich reagierte das Holo, die Ansicht vergrößerte sich, bis er die Details dieses Sonnensystems erkennen konnte. Vier Planeten kreisten um den Stern. Rhodan tippte die sonnennächste Welt an.
Wieder wurde er näher herangezogen, bis er sich schließlich auf einer belebten Straße wiederfand. Das Volk, das diesen Planeten bewohnte, war groß gewachsen, wenn es aufrecht stand. Ihre weichen, biegsamen Körper erinnerten Rhodan an Schnecken. Sie hatten keine Beine, aber überaus muskulöse Arme, mit denen sie heftig gestikulierten, während sie durch die Straßen schlenderten, plauderten oder Besorgungen erledigten.
Rhodan verstand ihre Sprache nicht, aber ihm kam an dieser Simulation nichts ungewöhnlich vor. Ein ganz normaler Alltag, wie er auf unzähligen Planeten in unzähligen Systemen geschah. Was sollte er an diesem Ort?
Plötzlich erklang ein Aufschrei. Rhodan fuhr herum. Eins der Schneckenwesen prügelte auf ein Gegenüber ein. Es gab keinen Zweifel daran, dass der Angreifer seinem Opfer an Kraft und Wut überlegen war. Der Schwächere der beiden kauerte bereits auf dem Boden, die Arme schützend um den Kopf geschlungen, und noch immer schlug der Angreifer auf ihn ein. Er würde seinen Gegner umbringen, wenn ihn niemand abhielt.
Ohne darüber nachzudenken, ging Rhodan dazwischen. Er packte die Arme des Angreifers, und als das noch nicht ausreichte, um den ungleichen Kampf zu beenden, riss er das Schneckenwesen von seinem Opfer herunter.
Einen kurzen Moment lang sahen ihn beide Parteien mit großen Stielaugen an, dann verblasste das Bild. Der schleimige Muskelarm, den Rhodan eben noch umklammert gehalten hatte, verschwand, und er trieb einmal mehr in der Galaxis umher.
War das nun ein Test gewesen? Hatte er richtig entschieden? Immerhin hatte er für Ausgleich gesorgt.
Er sah sich um. Nichts geschah, nur die Sterne kreisten langsam durch das Holo. Also ging die Prüfung wohl weiter.
Rhodan berührte den nächsten Stern, ein roter Riese diesmal. Der Planet, den er auswählte, war von einer Kraterlandschaft geprägt – und leer. Rhodan konnte kein Leben erkennen oder sonst etwas, das ihn dorthin geführt haben könnte.
Als Rhodan schon grübelte, wie er die leere Welt wohl wieder verlassen konnte, versank er mit einem Ruck in der Erdkruste. Der felsige Boden, auf dem er eben noch gestanden hatte, lastete nun wie eine tonnenschwere Last auf ihm, Finsternis herrschte überall. Aber nach ein paar vergeblichen Atemzügen schwand erst der Druck, dann die Dunkelheit, und Rhodan fand sich in einem gewaltigen Tunnelkomplex wieder.
Und er war nicht allein. Ein technologisch rückständiges Volk war dabei, die Tunnel mit Maschinen aus Stein und Metall immer weiter vorzutreiben.
Eine Weile beobachtete Rhodan ihr Tun. Sie schienen primitiv, aber für ihre Möglichkeiten gingen sie äußerst geschickt vor. Maß man ihre Entwicklung an den Menschen, entsprachen sie vermutlich einer frühantiken Hochkultur. Und wenn man bedachte, dass sie das alles in den Tiefen der Erde vollbrachten ...
Ein lautes Donnern verkündete das Ende der Idylle. Rhodan spürte das Vibrieren des Gesteins unter seinen Füßen, das immer weiter zunahm. Ein Erdrutsch! Eine der Maschinen war samt Fahrer durch einen Hohlraum im Boden gebrochen. Sie drohte noch weiter abzurutschen: Unter dem Gewicht des Geräts geriet immer mehr Material in Bewegung, das in einen Tunnel unterhalb prasselte und einen Arbeiter dort unten langsam, aber sicher unter sich begrub.
Rhodan