sollten keine Zeit verlieren.«
»Ruhe!«, schnappte Rhodan. »Ich denke nach. SENECA, die Tests, die noch ausstanden – gibt es darunter weitere Schlachten?« Und damit Todesfälle, die ich hätte verhindern können?
»Schlachten, Naturkatastrophen, jede Menge davon«, bestätigte SENECA. »Wenn diese Aufgaben tatsächlich der Wirklichkeit entsprechen, ist Yahouna eine sehr unruhige Galaxis. Allerdings halte ich es für zweifelhaft, dass die Szenarien realweltliche Konsequenzen haben.«
»Was?« Rhodans Kopf ruckte hoch. »Aber Semmaru hat ...«
»Semmaru ist als unzuverlässige Quelle einzustufen«, belehrte ihn SENECA. »Du hast selbst gesagt, dass er zunächst nur von Simulationen gesprochen hat und dich erst zwei Tage später informierte, dass dies nur teilweise stimmt.«
Darüber hatte Rhodan auch schon nachgegrübelt. Semmarus Erklärung, die Rhodans Flucht veranlasst hatte, war plausibel: Um wahrhaftig zu agieren, musste Rhodan die Prüfungen für real halten. Allerdings vor Beginn der Tests, nicht danach!
»Semmaru ist als unzuverlässige Quelle einzustufen ...«, sinnierte Rhodan. »Aber warum sollte er mich belügen?«
»Unbekannt«, antwortete SENECA. »Das ganze Prozedere in BARILS Adyton folgt unbekannten Regeln. Es ist völlig unklar, was in deine Bewertung einfließt und welche Maßstäbe dabei gelten.«
»Wir drehen uns im Kreis.« Rhodan massierte seine Nasenwurzel. »Meine Flucht jedenfalls werden sie ziemlich sicher negativ ...« Er riss die Augen auf. Semmaru ist als unzuverlässige Quelle einzustufen. »Verdammt!«
»Was?«, fragte Qumisha.
»Fast alles, was ich im Adyton erfahren habe, kommt von Semmaru – und dem kann man nicht trauen, sagt SENECA. Ich habe mich über verschiedene Dinge gewundert, während ich dort war. Und Semmaru ist das Bindeglied!«
Er begann aufzuzählen. »Der Permittausch. Auch wenn ich mir größte Mühe gegeben habe und denkbar ist, dass Semmaru den Tausch an sich tatsächlich nicht mitbekommen hat ... Aber dass er zwei Tage lang nicht bemerkt, dass seine Befugnisse plötzlich eingeschränkt sind? Was, wenn er einfach dazu geschwiegen hat? Damit ich die Chance zur Flucht habe?«
»Diese Theorie überzeugt nicht«, stellte Blitzer fest. »Warum sollte er das tun?«
»Ich weiß es nicht. Aus irgendeinem Grund wollte er mich loswerden.«
»Vielleicht wollte er dir auch bloß helfen?«, spekulierte Qumisha. »Immerhin hat er für dich gestimmt.«
»Das behauptet er«, sagte Rhodan. »Einen Beweis habe ich dafür nicht.«
»Aber auch nicht für das Gegenteil.« Die Kommandantin der SOL schüttelte den Kopf. »Das klingt ziemlich ... weit hergeholt.«
Paranoid war das Wort, das sie vermieden hatte. Rhodan wusste, was sie meinte, aber eine bessere Erklärung hatte er auch nicht. Semmarus Verhalten war undurchsichtig und inkonsequent. Mit Rhodans These gab es wenigstens irgendwie Sinn.
»Gehen wir trotzdem einmal davon aus, dass meine Theorie stimmt«, schlug er vor. »Semmaru wollte mir die Gelegenheit geben, aus dem Adyton zu verschwinden. Aber ich habe ihm den Gefallen nicht getan, jedenfalls nicht sofort, weil ich noch weitere Informationen sammeln wollte. Stattdessen bin ich in seine Arbeitsräume eingebrochen, und auch das hat er ignoriert, wenn nicht sogar vertuscht.«
Je länger er darüber nachdachte, desto plausibler erschien ihm diese Erklärung. »Die Wachen haben mich dann zwar doch aufgegriffen. Aber die müssen ja nicht notwendigerweise eingeweiht gewesen sein.«
Rhodan stutzte. »Haben die eigentlich mich gejagt oder die Attentäter? Die ganze Zeit habe ich mich gewundert, wie diese drei Vogelwesen es mit ihrer lächerlichen Ausrüstung überhaupt in die Zitadelle geschafft haben. Sie waren auf dem Weg zu meinem Quartier. Wäre ich dort geblieben, hätten sie vermutlich Erfolg gehabt und mich einfach im Schlaf getötet.« Selbst im Nachhinein ihm verursachte dieser Gedanke ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend. »Sie wussten sehr genau, wo sie mich finden konnten. Jemand muss ihnen geholfen haben.«
»Richtig, jemand«, sagte Qumisha. »Das kann ebenso gut einer von den anderen Rittern gewesen sein. Ich persönlich würde auf A-Kuatond tippen. Immerhin wissen wir von ihr mit Gewissheit, dass sie gegen dich gestimmt hat.«
»Normalerweise würde ich dir recht geben«, lenkte Rhodan ein. »Aber Semmaru ist derjenige, der die Kussu verhört hat. Wenn dabei zutage gekommen wäre, dass ein Ritter ihnen Zugang zum Adyton verschafft hat, hätte er das zweifellos gemeldet. Und ich bezweifle, dass mir dieser Eklat entgangen wäre.«
Nachdenklich rieb Qumisha ihre Fingerspitzen aneinander. »Also denkst du, dass er selbst dir die Attentäter auf den Hals gehetzt hat. Aber er wusste, dass du sein Permit gestohlen hast. Da müsste er doch damit gerechnet haben, dass du nicht mehr in deinem Quartier bist.«
»Vielleicht konnte er den Auftrag nicht mehr rückgängig machen«, überlegte Rhodan. »Oder es war ihm egal, ob sie bei der Suche nach mir erwischt werden. So oder so wäre er mich losgeworden.« Er stieß ein trockenes Lachen aus. »Dass ich den Kussu auf dem Flur über den Weg laufe und die Wachen uns allesamt paralysieren, war ein ziemlich unwahrscheinlicher Zufall. Damit hat der Mistkerl offensichtlich nicht gerechnet.«
»Also kam der nächste Test ...«, spann Qumisha den Faden weiter.
»... und Semmaru erzählt mir, dass ich zwölftausend Leben auf dem Gewissen habe«, übernahm Rhodan wütend. »Und die Ritter haben zu dem Zeitpunkt genug psychologische Daten über mich gesammelt, um zu wissen, wie ich darauf reagiere. Dass ich bei weiteren Tests nichts mitmachen werde. Er hat sich absichtlich überwältigen lassen!« Rhodan legte die Fingerspitze an die Schläfen und stöhnte leise. »Der Diplomat, so nennen sie ihn. Der Intrigant würde besser passen. Und ich bin ihm auf den Leim gegangen wie ein Anfänger!«
»Semmaru hätte dich auf einfachere Weise beseitigen können«, stellte Blitzer klar. »Er hätte bloß in der Verhandlung für deine Hinrichtung stimmen müssen.«
»Hat er ja vielleicht«, sagte Rhodan. »Ich habe nur sein Wort, dass er mich unterstützt hat. Oder er hat seine Meinung später geändert, warum auch immer.«
»Interessante Thesen«, räumte der Androide anerkennend ein. »Dennoch irrelevant für unsere eigentliche Aufgabe. Die SOL muss jetzt ...«
»Immer noch: Ruhe!«, sagte Rhodan bestimmend. »Wir machen Folgendes: Tess fliegt mit der SOL ins System der Kraad und S'Hud und schaut, ob und wie sie dort helfen kann.«
»Euer Auftrag ...«, setzte Blitzer an.
Rhodan ignorierte ihn. »Der Anflug mit der SOL auf die geheimen Zielkoordinaten ist sowieso zu gefährlich. Wenn der Diebstahl bemerkt wurde, erwarten sie uns dort. Das ist eine Aufgabe für ein kleines und unauffälliges Raumfahrzeug. Ein gut getarntes.« Er lächelte, nicht weniger grimmig als zuvor, doch nun wieder unternehmungslustig und zuversichtlich.
»Du willst Roi Danton schicken«, begriff Qumisha.
»Exakt«, bejahte Rhodan. »Eine Spionagemission für die CALAMAR unter seinem Kommando, mit der Kosmokratentarnung, die Curcaryen Varantir auf der Korvette eingebaut hat. Wir schicken ihm die Koordinaten verschlüsselt zu.«
»Und du?«, fragte Qumisha.
»Ich fliege mit einem Einsatzteam zurück nach Kessaila«, verkündete Rhodan. »Wenn Semmaru wirklich der kaltblütige Intrigant ist, für den ich ihn halte, wird er seine Spuren verwischen wollen. Die Kussu könnten ihn belasten, und sie sitzen immer noch in Haft. Also wird er sie zum Schweigen bringen, bevor die anderen Ritter sie befragen. Und wenn nicht ...« Er zögerte. »Falls ich mich geirrt habe, hätte ich wer weiß wie viele Schlachten verhindern können. Ich muss die restlichen Tests absolvieren.«
»Das ist Irrsinn!«, begehrte Qumisha auf. »Wir haben die Standorte dieser Tests! Wir können persönlich dort hinfliegen und eingreifen, ohne dass du zu den Rittern zurück ...«
Rhodan schüttelte den Kopf.