Agnes Sapper

Die Familiensaga der Pfäfflings


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nur wie ein warmer Segenswunsch des Geistlichen. Es war genug, um in den Herzen der jungen und alten Zuhörer die rechte Weihnachtsstimmung zu wecken.

      Frau Pfäffling hörte ihre Schar heimkommen, sie sah ein wenig heraus aus dem Weihnachtszimmer und schob etwas durch den Türspalt, es war eine Handvoll Backwerk, das etwas Schaden gelitten hatte durch die Verpackung: »Das ist etwas zum versuchen,« rief sie, »das ist zerbrochen aus der Großmutter Paket gekommen, teilt euch darein! und dann zieht frische Schürzen an und sagt auch Walburg, dass sie sich bereit macht, nun wird bald alles fertig sein!« Der Mutter Angesicht leuchtete verheißungsvoll, es rief auf allen Kindergesichtern das gleiche Strahlen hervor.

      Herr Pfäffling war bei seiner Frau, er half bei den letzten Vorbereitungen. »Jetzt wären wir so weit,« sagte er, »können wir den Baum anzünden?«

      »Wenn du einen kleinen Augenblick warten wolltest,« erwiderte sie, »ich bin so müd und möchte nur ein ganz klein wenig ruhen, um für den großen Jubel Kraft zu sammeln.«

      »Freilich, freilich,« sagte Herr Pfäffling, »die Kinder können sich wohl noch eine Viertelstunde gedulden, setze dich hieher, ruhe ein wenig und schließe die Augen.«

      »O, das tut gut,« antwortete sie und lehnte sich still zurück. Aber nur drei Minuten, dann stand sie wieder auf. »Nun bin ich schon wieder frisch, und ich kann jetzt doch nicht ruhen, ich spüre die siebenfache Unruhe, die klopfenden Herzen der Kinder da draußen, wir wollen anzünden.« Bald strahlten die Lichter an dem Baum, die großen Kerzen in den silbernen Leuchtern, die die Tische erhellten, und die kleinen Lichtchen in Puppenstube und Küche. Und nun ein Glockenzeichen und die Türe weit auf! Sie drängen alle herein, die Kinder und Walburg hinter ihnen. Dem Christbaum gelten die ersten Ausrufe der Bewunderung; solange er die Blicke fesselt, ist's noch eine weihevolle Stimmung, ein Staunen und seliges Widerstrahlen; dann wenden sich die Augen der Bescherung zu, nun geht die beschauliche Freude über, immer lauter und jubelnder wird das Kinderglück.

      War denn so Herrliches auf dem Gabentisch? Viel Kostbares war nicht dabei, aber es war alles überraschend und jedes kleine Geschenk war sinnig auf den Empfänger berechnet und manches erhielt durch einen kleinen Vers, den der Vater dazu gemacht hatte, noch einen besonderen Reiz. Wenn eines der Kinder nach den Eltern aufblickte, so sah es Liebe und Güte, wenn es einem der Geschwister ins Gesicht sah, so glänzte dies in Glück und Freude, und über all dem lag der Duft des Tannenbaums – ja die Fülle des Glückes bringt der Weihnachtsabend!

      Frau Pfäffling berührte ihren Mann und sagte leise: »Sieh dort, den Frieder!« An dem Plätzchen des großen Tisches, das ihm angewiesen war, stand schon eine ganze Weile Frieder unbeweglich und sah mit staunenden, zweifelnden Augen auf das, was vor ihm lag: Eine Violine! Und nun nahm er den kleinen Streifen Papier, der daran gebunden war, und las das Verschen:

      Fideln darfst du, kleiner Mann,

       Vater will dir's zeigen.

       Aber merk's und denk daran:

       Immerfort zu geigen

       Tut nicht gut und darf nicht sein.

       Halte fest die Ordnung ein:

       Eine Stund' am Tag, auch zwei,

       Doch nicht mehr, es bleibt dabei.

      »Mutter!« rief jetzt Frieder, »Mutter, hast du's schon gesehen?« Er drängte sich zu ihr und zog sie an seinen Platz und fragte: »Darf ich sie gleich probieren?« Und er nahm die kleine Violine, und da die Geschwister ihm nicht viel Platz ließen, drückte er sich hinter den Christbaum und fing ganz sachte an, leise über die Saiten zu streichen und zarte Töne hervorzulocken. Und er sah und hörte nichts mehr von dem, was um ihn vorging, und mühte und mühte sich, denn er wollte reine Töne, dieser kleine Pfäffling. Die Eltern sahen sich mit glücklichem Lächeln an: »Dies Weihnachten vergisst er nicht in seinem Leben,« sagte Frau Pfäffling. »Ja,« erwiderte ihr Mann, »und auf diesen kleinen Schüler braucht mir wohl nicht bange zu sein!«

      »Vater, hast du gesehen?« riefen nun wieder zwei Stimmen. »Was ist's, Marianne?«

      »Ein Päckchen feinste Glacéhandschuhe hat uns Fräulein Vernagelding geschickt!«

      »Was? Euch Kindern, was tut ihr denn damit?«

      »Wir ziehen sie an, Vater, viele Kinder in unserer Schule haben welche.«

      »Nun, wenn nur ich sie nicht tragen muss!«

      Es gab jetzt ein großes Durcheinander, denn die Brüder probierten ihre neuen Schlittschuhe an, liefen damit hin und her, fielen auch gelegentlich auf den Boden. Im untern Stock erzitterte die Hängelampe. »Man könnte meinen, es sei ein Erdbeben, die da droben sind heute ganz außer Rand und Band!« sagte Herr Hartwig zu seiner Frau. »Weihnachtsabend!« entgegnete sie, und das eine Wort beschwichtigte den Hausherrn. Auch hörte das Getrampel der Kinderfüße plötzlich auf, es wurde ganz stille im Haus, nur eine einzelne Stimme drang bis in den untern Stock: Otto deklamierte. Nacheinander kamen nun all die kleinen Überraschungen für die Eltern an die Reihe, zu denen sich an jenem Adventsonntag Frieder auf den Balken die Eingebung geholt hatte. Alles gelang zur Freude der Eltern, zum Stolz unserer sieben!

      In ihrer Küche stand Walburg und sorgte für das Abendessen. Auch für sie war ein Platz unter dem Christbaum, und sie war freundlich bedacht worden. Aber die Freude und innere Bewegung, die sich jetzt auf ihren großen, ernsten Zügen malte, hatte einen andern Grund. Schon seit heute morgen bewegte sie etwas in ihrem Herzen, das sie gern besprochen hätte, aber es hatte sich kein ruhiges Viertelstündchen finden lassen. Wenn jetzt Frau Pfäffling herauskäme, jetzt hätte sie vielleicht einen Augenblick Zeit für sie, aber sie würde wohl schwerlich kommen. Während Walburg sich darnach sehnte, war Frau Pfäffling ganz von ihren Kindern in Anspruch genommen, aber einmal, als ihr Blick zufällig auf Walburgs Geschenke fiel, die noch auf dem Tisch lagen, dachte sie an das Mädchen. Warum war es wohl gar so kurz im Weihnachtszimmer geblieben? Es war noch nicht Zeit, das Abendessen zu bereiten, warum verweilte sie nicht lieber unter den glücklichen Kindern, anstatt einsam in der kalten Küche zu stehen?

      Frau Pfäffling ging hinaus, nach Walburg zu sehen. Die Mutter wurde zuerst nicht vermisst, es gab ja so viel anzusehen und zu zeigen, und der Vater war ja da, aber allmählich ging von Mund zu Mund die Frage: »Wo ist denn die Mutter?« Herr Pfäffling schickte Frieder hinaus. Er kam zurück mit dem Bescheid, die Küchentüre sei ganz fest zu und Walburg rede so viel mit der Mutter, wie sonst nie. »Dann lasst sie nur ungestört,« sagte der Vater, »wenn Walburg einmal redet, muss man froh sein.«

      Frau Pfäffling brachte aus der kalten Küche einen warmen, sonnigen Ausdruck mit herein. Die Kinder zogen sie an ihren Tisch heran, aber im Vorbeigehen drückte sie unvermerkt ihrem Mann die Hand und sagte leise: »Ich erzähle dir später!« Als Walburg das Abendessen auftrug wechselten sie einen vielsagenden Blick, und Marie sagte: »Unserer Walburg sieht man so gut an, dass heute Weihnachten ist.«

      An diesem Abend waren die Kinder gar nicht zu Bett zu bringen, sie wollten sich nicht trennen von der Bescherung. Es wurde spät, bis endlich Herr Pfäffling mit seiner Frau allein war. »Du wirst nun auch der Ruhe bedürftig sein,« sagte er.

      »Ja, aber eines muss ich dir noch erzählen, was mir Walburg anvertraut hat. Sie erhielt heute einen Brief von einer alten Frau aus ihrem Heimatdorf, die schreibt in schlichten, einfachen Worten, dass vor einem Jahr ihr Sohn Witwer geworden sei und mit seinen drei Kindern und dem kleinen Bauerngut hilflos dastehe. Er müsse wieder eine Frau haben, und weil er Walburg von klein an kenne, möchte er am liebsten sie haben. Er wisse wohl, dass sie nicht gut höre, aber das mache weiter nicht viel. Wenn sie einverstanden sei, möge sie in den Feiertagen einmal herausfahren, dass man die Verlobung feiern könne und die Hochzeit festsetze. Der Sohn hat dann noch an den Brief seiner Mutter unten hingeschrieben, die Reisekosten wolle er zur Hälfte bezahlen. Walburg kennt den Mann gut, denn sie waren Nachbarsleute, und sie ist ganz entschlossen, ja zu sagen. Ich kann dir gar nicht sagen, wie mich das freut für Walburg!«

      »Das ist freilich ein unerhofftes Glück, aber wird sie denn einem Haushalt vorstehen können bei ihrer Taubheit?«

      »Wenn ihr die alte Mutter zur Seite steht, wird sie schon zurecht kommen.