viel verlangt sei.
Als Josefa noch einmal das durchlas, was sie geschrieben hatte, erschien es ihr fast zu nüchtern. Da stand viel von einem Vertrag auf Gegenseitigkeit, von Alexas Interesse und von fairer Partnerschaft. Sicher würde ein Mann wie Fred Wellner den Kopf schütteln und sich darüber seine eigenen Gedanken machen. Vielleicht würde er ihr sogar antworten und sie vor dieser Heirat warnen, weil es ohne Liebe kein Glück geben könne …
Zunächst aber war es Denise von Schoenecker, die eine Gelegenheit suchte und fand, mit Josefa ungestört sprechen zu können.
»Sie haben sich sehr schnell entschlossen, Josefa. Ich freue mich für Alexa und auch für Sie. Aber ich frage mich, ob Sie sich die volle Tragweite Ihres Entschlusses überlegt haben. In knapp drei Wochen soll schon die Hochzeit sein. Es macht uns nichts aus, dies Fest so schnell auszurichten. Aber haben Sie sich auch innerlich auf diese große Umstellung in Ihrem Leben vorbereitet? Bitte, verstehen Sie meine Frage richtig. Ich sorge mich, dass Sie – weil Sie bisher immer allein waren – allzu schnell in diese Ehe gehen könnten. Für Alexa wird es gut werden, daran zweifle ich nicht. Aber wie steht es mit Ihnen und Kapitän Rethy? Ich habe, das bringt das Schicksal unserer Sophienluster Kinder nun einmal mit sich, schon manches verlobte Paar erlebt. Keines wirkte so ernst wie Sie beide gestern Abend. Herr Rethy schaute nachdenklich drein und – entschuldigen Sie – weder er noch Sie machten auf mich den Eindruck, dass Sie verliebt seien. Noch ist Zeit, die Hochzeit ein wenig aufzuschieben. Dr. Wellner zum Beispiel hat sich ganz gewiss aufrichtig für Sie interessiert. Sie dürfen sich nicht um des kleinen Mädchens willen zu etwas entschließen, das Sie später bereuen könnten.«
»Fred Wellner und ich sind befreundet. Das ist zwischen uns vollkommen klar. Er …, er möchte später eine eigene Klinik gründen. Deshalb käme ich als Frau sowieso für ihn nicht infrage, denn für eine eigene Klinik braucht man Geld. Ich aber bin ganz arm.«
»Dr. Wellner denkt nicht so, Josefa, und das wissen Sie auch recht gut. Eine Ehe kann nur dann glücklich werden, wenn sie sich auf gegenseitige, vertrauende Liebe gründet. Bitte, denken Sie nach, ehe Sie vor dem Gesetz und dem Altar Ihr Jawort geben. Nur Lexi zuliebe dürfen Sie es nicht tun.«
Josefa senkte den Kopf. Denise hatte sie durchschaut! Dieser lebensklugen Frau konnte man so leicht nichts vormachen.
Sie kämpfte einen kurzen Kampf, dann sagte sie ihr die Wahrheit.
Denise hörte zu, ohne sie zu unterbrechen, wie es ihre Art war. Dann dachte sie eine Weile nach, ehe sie leise sagte: »Ich weiß nicht, was ich Ihnen raten soll. Vielleicht sollten Sie wenigstens etwas Zeit verstreichen lassen, damit Sie mit sich selbst ins Reine kommen können. Sie gehen jetzt mit großer Begeisterung in diese Sache hinein, die sich am Ende für Sie und auch für Alexas Vater als ein Opfergang erweisen könnte. Natürlich gibt es Ehen, die aus solchen und ähnlichen Erwägungen geschlossen werden und in denen im Laufe der Zeit aus gegenseitiger Achtung schließlich Liebe wird. Aber es wäre sicherlich ein Fehler, wenn man darauf zählen wollte. Kapitän Rethy ist ein ungewöhnlich gut aussehender Mann. Er trifft täglich viele Menschen, auch Frauen! Es ist nicht auszuschließen, dass er irgendwann einmal ein Mädchen trifft, das ihm so viel bedeutet wie Alexas Mutter. Das wäre dann sehr hart für Sie, weil Sie Ihren Beruf und Ihre Karriere für ihn und das Kind aufgeben wollen.«
»Ich habe es gründlich bedacht, vier volle Wochen lang, Frau von Schoenecker. Soweit ich es beurteilen kann, glaube ich, dass ich auf Alexander Rethys Fairness zählen darf. Wir wollen beide das Beste für Lexi. Das verpflichtet uns und wird uns in schweren Augenblicken helfen, denn die Liebe zu Lexi ist ein Band, das uns fest verbindet.«
Denise nahm Josefas Hand. »Sophienlust steht Ihnen und Alexa immer offen, falls es einmal zu schwer für Sie werden sollte, Josefa«, sagte sie nur. »Wir werden für eine besonders schöne Hochzeit für Sie sorgen. Die Kinder sind schon jetzt Feuer und Flamme. Kapitän Rethy ist in ihrer Achtung noch gestiegen. Dass er Pilot ist, stempelt ihn
bei den Jungen sowieso zum Helden. Dass er nun aber sogar Anlass zu einer Hochzeitsfeier wird, macht ihn zum Liebling des ganzen Hauses«, versicherte sie lächelnd. »Die älteren Mädchen träumen schon von einem Hochzeitskleid. Sie werden doch ein weißes Kleid tragen?«
»Ich glaube, ich sollte es tun, wenn die Feier in so festlichem Rahmen stattfindet. An und für sich halte ich das Kleid für unwichtig. Ich will Alexander Rethys Frau werden, um Alexa die Mutter zu ersetzen. Aber wir würden die Kinder von Sophienlust enttäuschen, wenn ich im grauen Schneiderkostüm vor den Altar treten würde. Alexander Rethy meinte auch, dass Alexa stolz sein sollte auf die Hochzeit und auf ihre neue Mutti.«
»Sie werden eine schöne Braut sein. Trotzdem mache ich mir Sorgen um Sie. Denn die Hochzeit geht vorüber, und dann folgt der Alltag, der Ihnen Schwierigkeiten bringen wird, auch wenn Sie einen noch so guten Willen haben.«
»Ich denke, dass ich genug Kraft habe, Frau von Schoenecker. Mein Leben war immer hart. Ich erwarte keine Wunder. Deshalb kann ich auch nicht enttäuscht werden. Aber ich werde halten, was ich vor dem Altar verspreche. Ich werde eine treue Ehefrau und eine liebevolle, pflichtbewusste Mutter sein.«
»Gott möge Ihnen helfen, Josefa.« Denise sagte es sehr leise. Etwas im Gesichtsausdruck und Tonfall der jungen Ärztin ließ sie ahnen, dass diese Ehe für Josefa vielleicht doch nicht nur ein nüchterner Vertrag war. Aber sie hütete sich, darüber ein Wort zu verlieren.
*
Fred Wellner beantwortete Josefas Brief sofort. Er schrieb ihr, dass sie von Ehe und Liebe rede wie ein Kind. Dabei sei sie doch erwachsen und eine kluge Frau. Entweder sei bei diesem sogenannten Vertrag doch die Liebe mit im Spiel, oder alles werde mit einem schrecklichen Fiasko enden. Aber er sehe ein, dass er sie nicht zurückhalten könne – nicht einmal mit der Versicherung, dass er sie liebe. Sie wolle offenbar sehenden Auges in ihr Unglück laufen. Er könne nichts tun, als ihr seine Freundschaft zusichern, um die er nicht erst gebeten zu werden brauche. Darüber hinaus wünsche er ihr alles Gute, so weit das überhaupt einen Sinn habe.
Es war ein bitterer Brief, der Josefa die Tränen in die Augen trieb. Aber sie war erleichtert, dass Fred Wellner nun Bescheid wusste.
Indessen erwies sich Alexander Rethy als ein wahrer Zauberer. Er schaffte alles, was er sich vorgenommen hatte, in genau zwei Wochen und fünf Tagen. Zwischendurch flog er zweimal nach Australien. Müdigkeit schien er nicht zu kennen, und Schwierigkeiten existierten für ihn einfach nicht.
Dann fuhr er mit Josefa nach Oberursel, um ihr das wunderbar im Grünen gelegene Häuschen zu zeigen. Als sie sagte, dass es ihr gefalle, erfuhr sie, dass er es bereits gekauft hätte. Sie musste nur noch ihren Namen unter den Vertrag setzen, damit ihnen das Haus, in dem bereits die Handwerker an der Arbeit waren, gemeinsam gehörte.
Josefa ließ Alexander schalten und walten. Ihre eigene kleine Wohnung hatte sie möbliert gemietet. Sie besaß nicht viel und ganz gewiss keine Möbelstücke von irgendwelchem Wert, die sie in ihre Ehe hätte mitbringen können. Da es Alexander gelungen war, auch ihre vorzeitige Entlassung aus der Klinik zu erreichen, stand ihrer Eheschließung nun nichts mehr im Wege.
*
Die Hochzeit verging für Josefa wie ein einziger Traum. Als sie vor dem Altar stand, den Blick auf Alexa in ihrem Festkleidchen geheftet, fragte sie sich bang: Warum muss ich ihn lieben? Dann aber war ihr, als sei es gut so, denn ohne die Liebe im Herzen hätte sie diesen Schritt niemals tun können.
Als sie Sophienlust verließen, sangen die Kinder ein Lied, das Wolfgang Rennert mit ihnen einstudiert hatte.
»Komm uns bald besuchen, Alexa«, rief Henrik hinter dem Wagen her.
»Bestimmt, Henrik, ich bin doch ein Sophienluster Kind«, antwortete Lexi strahlend und lachte ihre neue Mutti an.
Als sie das Haus betraten, stockte Josefa der Atem. Alexander musste sämtliche Handwerker und Lieferfirmen zur Verzweiflung gebracht haben, denn alles war fertig, und die Haushälterin, etwa vierzig Jahre alt, betulich und freundlich, begrüßte das neuvermählte Paar in einer blendendweißen Schürze.
»Alexander, es ist wunderschön geworden«, flüsterte Josefa ihm