ist so etwas gegen die Regel?«
»Hier ist nichts gegen die Regel, was den Kinden Spaß macht. Sie werden mit Ihrem Vorschlag helle Begeisterung auslösen.«
Das Kinderfest wurde am nächsten Tag ein voller Erfolg. Nicht nur das Wetter war programmgemäß strahlend. Auch die Wettspiele verliefen ohne jeden Missklang. Dr. Fred Wellner verteilte mit Begeisterung Preise an die Gewinner und Trostpreise an die Verlierer. Limonade und Gebäck fanden reißenden Absatz, und zum Schluss teilten Pünktchen und Angelika Langenbach, Vickys ältere Schwester, aus einem großen Behälter Vanille-Eis aus.
Es ließ sich schwer entscheiden, wer an diesem Fest mehr Freude hatte – die Kinder, für die es gegeben wurde, oder die Erwachsenen, die den ganzen Morgen mit den Vorbereitungen verbracht hatten. Dr. Fred Wellner war ungeheuer erfinderisch gewesen und gestand Josefa am Abend ein, dass ihm ein ähnliches Fest aus seiner eigenen Kindheit in Erinnerung geblieben sei. Deshalb habe es ihm auch keine besondere Mühe bereitet, sich etwas einfallen zu lassen.
Denise entführte ihn und Josefa Klinger am Abend nach Schoeneich, wo die beiden zusammen mit der Familie von Schoenecker zu Abend aßen.
»Lexi hat sich bei mir beklagt, dass ihr Vater nicht auch ein Fest für die Kinder gegeben habe«, berichtet die Ärztin bei Tisch. »Wenn Herr Rethy wiederkommt, wird sie bestimmt von ihm verlangen, dass er auch ein Fest veranstaltet.«
Denise hob lächelnd die Schultern. »Macht das etwas, Frau Dr. Klinger? Auf diese Weise kommen unsere Kinder noch einmal zu einer Freude. Ich glaube, dass Freude wichtig ist – in jedem Leben, besonders aber im Leben unserer Kinder, die doch ein richtiges Familienleben entbehren müssen, so gut sie es auch bei uns in Sophienlust haben mögen.«
»Ich muss gestehen, dass ich mir unter dem Kinderheim Sophienlust etwas ganz anderes vorgestellt hatte«, warf Dr. Wellner ein. »Dass ich während
meines kurzen Urlaubs ein Fest mit Sackhüpfen und Lampions veranstalten würde, hätte ich mir nicht träumen lassen!«
Als der Oberarzt später die junge Kollegin im Wagen zurück nach Sophienlust brachte, hielt er unweit des großen Sees kurz an und nahm ihre Hand. »Sie werden wiederkommen in unsere Klinik?«, fragte er noch einmal und schaute sie dabei eindringlich an.
»Ja, Fred, bestimmt. Dies sind Ferien, sonst nichts.«
»Und Alexa Rethy?«
»Was hat das mit Alexa zu tun? Sie wird hierbleiben, im Herbst die Schule besuchen und vielleicht später einmal von ihrem Vater weggeholt werden, dann nämlich, wenn er sich zu einem sesshafteren Leben entschließen oder gar heiraten sollte.«
»Ich dachte …«
»Was, Fred?«
»Ach, nichts, Josefa. Sie werden wiederkommen. Alles andere geht mich nichts an. Vielleicht irre ich mich auch, deshalb wollen wir lieber nicht mehr davon sprechen. Nur so viel, Josefa – ich wäre sehr betrübt, wenn Sie sich anders entscheiden würden und nicht zu uns zurückkämen.« Er stockte und fügte dann hinzu: »Ich liebe dich nämlich, Josefa.«
Sie konnte ihm plötzlich im blassen Mondlicht nicht mehr in die Augen sehen. Auch brachte sie kein einziges Wort über die Lippen.
Auch er sprach nun nicht mehr, sondern ließ den Wagen auf der glatten Verbindungsstraße zwischen Schoeneich und Sophienlust langsam wieder anrollen.
Am folgenden Tag fuhr der Oberarzt ab. Auf das Gespräch in der Nacht war er nicht mehr zurückgekommen.
*
Einige Tage später wurde Josefa Klinger ans Telefon gerufen. Es sei ein auswärtiges Gespräch, richtete Pünktchen aus, die eilig in den Anbau gelaufen war.
Josefa trabte im Dauerlauf zum Büro, wo sie den Hörer neben dem Apparat fand. Frau Rennert ließ sie taktvoll allein, sodass sie ungestört war.
»Hallo, Josefa. Ich bin’s.«
Sie erkannte seine Stimme sofort. Ihr Herz schlug unvernünftig rasch.
»Nett, dass Sie anrufen, Alexander. Wie geht es Ihnen? Wo sind Sie im Augenblick?«
»Ich sitze in Wiesbaden in meiner Wohnung und ärgere mich, dass die Zeit nicht ausreicht, um nach Sophienlust zu fahren. Ich habe leider sehr viel Dienst zurzeit, weil ein paar Kollegen ausgefallen sind.«
»Soll ich Lexi rufen? Sicher wollen Sie nicht mit mir, sondern mit ihr sprechen.«
»Nein, ich möchte in erster Linie mit Ihnen reden, Josefa. Aber es handelt sich auch um Alexa. Insofern haben Sie recht.«
»Kann ich etwas für Sie oder Lexi tun?«, bot sie sofort bereitwillig an.
»Hm, das können Sie. Aber ich weiß nicht, ob Ihre Großzügigkeit so weit gehen wird. Es ist eine ziemlich wichtige Angelegenheit, und man sollte so etwas eigentlich nicht am Telefon besprechen. Da es aber auch eilig ist, habe ich mich entschlossen, Sie sofort anzurufen.«
Josefa wartete. Warum war ihr plötzlich so seltsam zumute? Doch Alexander Rethy war ein ziemlich unberechenbarer Mann …
»Hören Sie mich noch?«, erklang jetzt seine Stimme aus dem Apparat.
»Ja, Alexander, Sie wollten mir etwas Wichtiges mitteilen.«
»Es ist eine Frage, die ich Ihnen stellen möchte. Bitte, fassen Sie es nicht falsch auf. Man sollte es wirklich nicht am Telefon sagen. Kurz und gut, ich habe mir überlegt, dass es das Beste wäre, wenn wir heiraten würden, Josefa. Wegen Lexi.«
Undeutlich hatte sie geahnt! Vielleicht auch gehofft. Doch jetzt verschlug es ihr trotzdem den Atem. Sie wollte etwas sagen, irgendetwas, aber sie brachte kein Wort über die zitternden Lippen.
»Josefa, es geht natürlich nur, wenn Sie nicht an Ihren Kollegen Dr. Wellner gebunden sind. Ich könnte das nicht verantworten. Aber Sie deuteten verschiedentlich an, dass Sie allein und einsam seien. Da habe ich mir eingebildet, dass es in Ihrem Leben keinen Mann gäbe, der Ihnen etwas bedeutet.«
»Nein, es gibt keinen Mann, Alexander. Da haben Sie recht. Fred Wellner ist ein sehr guter Freund – mehr nicht. Das wird sich niemals ändern, obwohl er selbst es gern anders haben möchte. Aber ich wäre nicht die richtige Frau für ihn.« Sie konnte nur stockend sprechen.
»Danke, Josefa. Es ist lieb von Ihnen, dass Sie so ehrlich sind. Unsere Ehe wäre sozusagen ein nüchterner Vertragsabschluss. Ich kann nicht von Ihnen erwarten, dass Sie mich lieben, weil ich zufällig Alexas Vater bin. Deshalb ist mir das Ganze eigentlich ziemlich peinlich. Eine Bekannte hat mich heute darauf gebracht, ohne es zu wollen. Sie meinte, dass ich heiraten müsste, damit Alexa ihre Ordnung hat und mehr Vertrauen zu ihrem Vater gewinnt. Leider weiß ich beim besten Willen keine andere Frau als Sie, Josefa, vor allem, weil Lexi Sie lieb hat und Sie wohl auch braucht.« Er hielt inne und holte tief Atem, wie sie deutlich hören konnte, um dann fortzufahren: »Selbstverständlich können Sie jetzt nein sagen und mir erklären, dass es eine Unverschämtheit von mir ist, einen solchen Gedanken überhaupt nur zu erwägen …«
Nun schwiegen sie beide. Endlich ergriff er erneut das Wort. »Sind Sie mir jetzt böse, Josefa?«, fragte er leise.
»Nein, Alexander, ich verstehe Sie sogar«, antwortete sie und war dem Himmel dankbar, dass ihr ihre Stimme wieder gehorchte. »Es wäre ein Ausweg, obwohl Alexa in Sophienlust wirklich glücklich ist.«
»Aber sie wird sich nicht davon überzeugen lassen, dass ich sie genauso lieb habe wie ihre Mutti. Ich werde das bei gelegentlichen Besuchen im Heim nicht reparieren können. Sie muss in meinem Haushalt leben und mich jedes Mal sehen, wenn ich für ein paar Stunden oder Tage heimkommen kann. Das bin ich ihr schuldig. Sie ist kein Waisenkind, dem Sophienlust beide Eltern ersetzen muss.«
»Möglicherweise haben Sie recht, Alexander. Aber ich muss darüber nachdenken. Eigentlich wollte ich nie heiraten, sondern nur meinem Beruf leben. Ich habe mir diesen Beruf schwer erkämpft, wie Sie wissen.«
»Sie würden es gut haben bei mir, das verspreche ich Ihnen, Josefa. Wir haben uns in den Tagen in Sophienlust