Patricia Vandenberg

Sophienlust Box 16 – Familienroman


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drei Wochen werde ich Josefa Rethy heißen. Keine Sekunde zweifelte sie daran, dass Alexander alles erreichen würde, was er sich vorgenommen hatte. Ihr Chef würde sie aus ihrem Vertrag entlassen, und die Trauung würde genau an dem Tag stattfinden, den Alexander dafür auswählen würde.

      »Nachher fahren wir nach Sophienlust und teilen es Lexi und allen Leuten mit, Josefa. Von unserem Geheimabkommen darf aber kein Mensch etwas erfahren. Einverstanden?«

      Ihre Wangen glühten. »Ja, Alexander.« Er hatte recht. Niemand sollte erfahren, aus welchen Beweggründen diese Ehe geschlossen wurde! Was Carola Rennert wohl dazu sagen würde?

      »Ob Lexi sich gewaltig freuen wird?«, fragte er.

      Sie nickte. »Bestimmt, Alexander. Wir hatten so lange nichts von dir gehört. Ich persönlich habe mir sogar Sorgen gemacht.«

      Sein Blick trieb ihr wieder das Blut in die Wangen.

      »Wirklich? Sorgen um mich? Das ist nicht nötig, Josefa. Ich gehöre zu den Leuten, denen nie etwas Ernstliches zustößt.«

      »Gegen Unfälle und Krankheiten ist niemand gefeit, Alexander. Das weiß ich durch meinen Beruf nur allzu gut.«

      Er wurde ernst. »Du hast recht. Trotzdem, mir liegt nicht allzu viel am Leben. Menschen mit solch einer Einstellung passiert im Allgemeinen nichts. Als Vivian in meinem Arm plötzlich nicht mehr atmete, da habe ich mehr verloren, als ich dir schildern kann. Ich wollte es nicht glauben. Eben noch hatten wir miteinander gesprochen. Ich habe nicht einmal gemerkt, dass sie starb.« Er stöhnte. »Jetzt geschieht alles, was ich tue, für das Kind, für Vivians Vermächtnis an mich«, fügte er nach einer Pause hinzu.

      Wie bitter seine Worte sie schmerzten! Sie kämpfte mit den Tränen. »Ja, Alexander, für die kleine Lexi«, flüsterte sie mit versagender Stimme.

      Während des Essens sprachen sie nur wenig. Josefa, die nicht an so reichhaltige Mahlzeiten gewöhnt war, gab sich Mühe, den köstlichen Speisen die nötige Ehre zuteil werden zu lassen. Alexander aber aß mit Genuss. Dennoch wirkte sein sonnengebräuntes Gesicht verschlossen und ernst.

      Er tut es für Alexa, dachte sie. Vielleicht sogar deshalb, weil er glaubt, dass er damit in Vivians Sinn handelt. Sie war unendlich traurig, denn sie hatte keine Hoffnung, dass er ihre Liebe jemals erkennen oder gar erwidern würde.

      In den vergangenen Wochen hatte sie sich hin und wieder ausgemalt, dass es anders werden könnte, dass Alexander zwar von Vernunft und einem Abkommen rede, aber doch mehr für sie empfinde. Doch jetzt hatte er ihr klipp und klar erklärt, dass ihm alles gleichgültig geworden sei seit Vivians Tod – das Leben, die Liebe und die Gefahr, in der er sich aufgrund seines Berufes ständig befand.

      Josefa wusste, sie würde sich darauf verlassen können, dass er den Vertrag genau einhielt. Doch sie durfte darüber hinaus nichts erwarten. Gar nichts. Dennoch war sie entschlossen, seine Frau zu werden. Sie hatte ja gesagt, weil sie Alexander Rethy liebte und weil sie seinem Kind Mutter sein wollte.

      *

      Lexi lief sofort auf ihren Vater zu. »Endlich, Vati! Wo bist du gewesen? Du hast Tante Josi mitgenommen und mir nichts davon gesagt.« Schon wieder kam Vorwurf von den roten Kinderlippen!

      »Dafür habe ich jetzt eine große Überraschung für dich.«

      »Was, Vati?« Neugierde glitzerte in den großen Kinderaugen.

      »Eigentlich müssten wir dich eine Weile raten lassen. Aber du würdest vielleicht gar nicht darauf kommen.« Er küsste das weiche hellblonde Haar des kleinen Mädchens, indem er dabei Josefa anblickte.

      »Ein Geschenk?«, fragte Lexi gespannt.

      »Nein. Jedenfalls ist es nichts, was man in die Hand nehmen oder aufessen kann oder womit man spielen kann.«

      »Das ist zu schwer, Vati. Sag’s mir.«

      »Magst du Tante Josi?«

      »Klar! Sehr mag ich sie, das weißt du doch.«

      »Dann stimmt die Sache. Tante Josi wird deine zweite Mutti, und ich heirate sie. Bist du einverstanden?«

      Ein wenig sorgte sich Josefa, wie das Kind diese unvorbereitete Mitteilung aufnehmen würde. Alexanders Tempo war wirklich atemberaubend. Doch Alexa schien es ganz natürlich zu finden und zeigte sich kaum überrascht. Sie schaute die Ärztin nur an.

      »Fein, Tante Josi. Man braucht eine richtige Mutti, wenn man einen Vati hat. Die Kinder in Sophienlust haben alle bloß einen Onkel oder gar niemanden. Aber bei mir ist es anders, weil ich einen Vati habe, auch wenn er vorher nicht da war und nur so selten kommt. Gibt es eine Hochzeit? Henrik sagt, Hochzeit ist am schönsten in Sophienlust, noch schöner als ein Kinderfest.«

      »In Sophienlust? Nun, ich fürchte, das können wir Frau von Schoenecker kaum zumuten.«

      Henrik ging in diesem Augenblick in einiger Entfernung mit Vicky und Angelika Langenbach vorüber. Die drei wollten zu den Ställen.

      »Kommt mal her, ich kriege eine neue Mutti«, rief Alexa unbefangen und enthob das verlobte Paar damit jeglicher Überlegung, ob es seinen Entschluss noch ein paar Tage für sich behalten sollte.

      Die drei Kinder trabten im Dauerlauf heran. »Bloß eine Verlobung oder auch eine richtige Hochzeit?«, fragte Vicky Langenbach. »Wir haben in Sophienlust schon viele Hochzeiten gefeiert. Wir lieben Hochzeiten.«

      Henrik nickte. »Aber dann gehst du sicherlich fort von Sophienlust, Lexi. Und das ist schade. Nick und ich haben geglaubt, dass du für immer bei uns bleibst. Wer wird denn deine neue Mutti?«

      »Hier, meine liebe Tante Josi!«

      Die Kinder starrten Josefa an wie das achte Weltwunder, die dadurch ein bisschen in Verlegenheit gebracht wurde. Angelika, als Älteste, besann sich schließlich und streckte Josefa die Hand hin. »Wir gratulieren zur Verlobung!«

      »Ja, wir gratulieren«, schrie Henrik nun. »Wir müssen es gleich Mutti und Tante Ma und allen anderen sagen.«

      Alexander Rethy lachte, als Lexi mit den Kindern davonstürmte. »Anzeigen brauchen wir nicht drucken zu lassen. Das besorgt die Hauspost.«

      Am Abend tranken sie auf Schoen­eich noch einmal Sekt. »Auf das Brautpaar«, sagte Alexander von Schoenecker feierlich. »Im Namen meiner lieben Frau darf ich die Einladung aussprechen, dass Sie Ihre Hochzeit in Sophienlust feiern. Es ist eine Tradition, der Sie sich nicht entziehen dürfen.«

      »Außerdem gibt es keine schöneren Hochzeiten als die auf Sophienlust«, fügte Nick im Brustton der Überzeugung hinzu.

      Spät am Abend brachte Alexander Rethy Josefa nach Sophienlust zurück. »Ich danke dir. Du hast es mir sehr leicht gemacht. Und eine romantische Hochzeitsfeier in Sophienlust wird für Lexi zur schönen Erinnerung werden. Ich bin Frau von Schoenecker für diese Einladung dankbar. Es scheint meist so gehalten zu werden, wenn ein Kind fortgeht von Sophienlust und damit eine Eheschließung verbunden ist.«

      »Ja, ich weiß es von Carola. Magda macht dann das Hochzeitsessen, und ich glaube, selbst dein verwöhnter Gaumen wird zufriedengestellt werden.«

      »Das Essen sollte nicht das Wichtigste sein«, gab er versonnen zurück. »Schau, wie hübsch der Mond hinter dem Herrenhaus von Sophienlust steht. Unter diesem Dach schläft Alexa, die in kurzer Zeit auch dein Töchterchen sein wird, Josefa.«

      »Ja, Alexander.« Mehr brachte Josefa nicht über die Lippen.

      *

      Am anderen Tag fuhr Alexander Rethy ab, weil er die nötigen Vorbereitungen zur Hochzeit treffen wollte. Wie immer, konnte ihm alles nicht schnell genug gehen.

      Josefa Klinger setzte sich nach kurzem Überlegen an den Tisch in ihrem gemütlichen Zimmer bei Carola Rennert und schrieb einen Brief an Dr. Fred Wellner. Es kam ihr vor, als sei sie ihm, gerade ihm, Rechenschaft schuldig über ihren Schritt. Er sollte der Einzige sein, der erfuhr, warum sie sich zur Ehe mit Alexander Rehty entschlossen hatte. Auch wollte sie ihm gestehen, dass sie ihr Wort brechen und nicht mehr