Stunde beginnt das neue Jahr!
Sie runzelte leicht die Stirn. »Kam dieser Mann auch mit einem Taxi, Kathi?« fragte sie.
»Nein, mit einem großen Wagen, so ein ausländisches Fabrikat, das ich nicht kannte. So braunmetallic. Ich habe ihn zufällig aussteigen sehen, weil ich Vogelfutter in die Häuschen brachte, keine Nummer von hier, aber es war ein teurer Wagen.«
Und wer einen teuren Wagen fuhr, war für Kathi auch solvent. Man konnte es ihr nicht verdenken.
»Er hat dann auch den teuersten Champagner bestellt«, fuhr Kathi fort, »und er war erstaunt, daß wir den hatten.«
Und als sie das gesagt hatte, kam Wastl daher, die Schnauze noch voller Schnee, aber zwischen den Zähnen hing etwas, was er nun ganz vorsichtig auf den Teppich legte und seine Pfote gleich darauf, als wollte er seinen Besitz verteidigen.
Es war ein Stück Leder. Lammleder, wie Fee feststellte, und jetzt war es steifgefroren.
»Was er immer daherbringt«, seufzte Kathi.
»Darf ich es mal anschauen, Wastl?« fragte Fee, bei ihm niederkniend.
Er zog seine Pfote zurück und legte seinen Kopf darauf. Aus großen, treuen Augen blickte er Fee an, als wolle er sagen: »Du darfst es, ich kann ja leider nicht reden.«
Ja, wenn Hunde sprechen könnten! Fee aber sah, daß dies ein Stück Lammleder aus einer Jacke oder einem Mantel sein mußte. Und als es in ihren Händen wärmer wurde und die kleine Eisschicht taute, sah sie, daß sich da Hundezähne eingegraben hatten.
»Gibst du es mir, Wastl?« fragte sie, seinen Kopf kraulend, was er sich sichtlich auch sehr gern gefallen ließ.
Er grummelte in sich hinein, aber als Fee das Stück Leder an sich nahm, gab er einen Laut von sich, den man als Zustimmung deuten konnte.
»Hat jemand hier im Haus so einen Ledermantel, Kathi?« fragte Fee.
»Nein, ich kann mich nicht erinnern. Meine Güte, der Wastl wird doch nichts zerfetzt haben? Aber wenn es ein Mantel von einem Gast wäre, hätte der sich doch schon beschwert.«
»Also wird es von einem Mantel sein, den jemand getragen hat, der sich lieber nicht beschweren wollte, Kathi. Darüber herrscht Schweigen!«
»Wenn wir Sie und Ihren Mann nicht hätten, wären wir heute durchgedreht«, sagte Kathi zittrig.
»Aber Wastl hat sich wohl einen ganz guten Fleischknochen verdient«, meinte Fee. »Bist ein braver Hund.« Sie streichelte ihn, und dann sagte sie aus einem Gedanken heraus: »Chérie.«
Er legte die Ohren zurück, sprang auf und begann zu winseln. Bevor sie ihn zurückhalten konnte, jagte er die Treppe hinauf zu Juanitas Zimmertür und dann wieder zurück und hinaus.
Mit der Schnauze am Boden schnüffelte er überall herum, bis er zu dem Platz gekommen war, wo man Juanita gefunden hatte. Und dort wühlte er wieder mit der Schnauze im Schnee, und als er aus dieser weißen Masse auftauchte, hielt er eine Halskette zwischen den Zähnen, an der ein märchenhaft schöner, walnußgroßer Opal blinkte.
»So ein guter Hund«, wurde er von Fee gelobt, während Kathi fassungslos die Hände zusammenschlug.
»Sie gestatten doch, daß ich unsere reizende, unglückliche Fremde frage, ob das ihre Kette ist, Kathi«, fragte Fee.
»Ja, selbstverständlich«, stammelte Kathi. »Was kommt jetzt noch auf uns zu, Frau Doktor?«
»Das kann ich auch nicht sagen, aber ich denke, daß Wastl alles verteidigen wird, was dieser jungen Dame gehört. Warum, das werden wir vielleicht auch noch erfahren. Woher haben Sie ihn eigentlich, Kathi?«
»Aus dem Zwinger von Baron Eickstedt. Als er noch ganz klein war, ist er ausgebüchst und uns fast vors Auto gelaufen. Da haben wir ihn zurückgebracht, aber der Baron hat ihn uns geschenkt, weil er sowieso der Letzte vom Wurf war. Die sollen ja nicht mehr in den Stammbaum gehören. Komische Gebräuche sind das, aber wir sind froh um den Wastl.«
Fee merkte sich, was Kathi da erzählte, ohne jetzt darüber nachzudenken, was sie damit anfangen könnte. Solche Gedanken kamen ihr erst später, als sie wieder daheim waren. Da der Neujahrstag so günstig fiel, stand ihnen ja ein langes Wochenende bevor. Und wenn das Wetter so schön blieb, konnten sie auch einen längeren Ausflug machen. Wo das Gut Eickstedt lag, hatte Fee noch von Kathi erfahren.
»Und was versprichst du dir davon?« fragte Daniel, das Stück Leder betrachtend.
»Mir ist da was durch den Kopf gegangen, Daniel. Juanita hat Chérie zu Wastl gesagt. Vielleicht gibt es einen Hund, der so heißt.«
Daniel warf ihr einen schrägen Blick zu. »Und Wastl kennt ihr Chérie«, sagte er schmunzelnd. »Eine hübsche Geschichte, Fee.«
»Ich habe nun mal viel Phantasie«, sagte sie. »Jedenfalls ist Wastl ein kluger Hund, wenn er auch nicht in den Stammbaum aufgenommen wurde. Er hat sich selbst einen guten Platz gesucht.«
»Eine Belohnung verdient er auf jeden Fall, weil er die Kette gefunden hat, wo immer auch dieser Fetzen herstammen mag«, sagte Daniel, das Stück Leder zwischen den Fingern drehend.
»Jedenfalls hat er es irgendwo herausgebissen«, meinte Fee. »Seine Zähne haben sich da eingegraben. Du kannst es sehen.«
»Daß es seine Zähne wären, müßte erst bewiesen werden, mein Schatz. Hunde haben zwar Instinkt, aber logisch denken können sie nicht.«
»Sie können leider nicht reden, sonst würden sie manchmal viel mehr erzählen können als wir«, sagte Fee.
»Da hast du wieder mal recht«, gab Daniel zu. »Vielleicht können wir uns Wastl für den nächsten Ausflug ausborgen.«
»Das ist eine tolle Idee«, rief Fee freudig aus.
*
Die Kinder waren von dieser Idee begeistert, und die Hoflechners hatten nichts dagegen, obgleich sie keine so blühende Phantasie hatten, um sich mehr darüber zu denken.
Anderntags holten die Nordens also den Wastl ab, und der sprang auch gleich bereitwillig in den Wagen, obgleich er sonst vierrädrige Fortbewegungsmittel nicht gerade liebte.
Gut Eickstedt lag etwa eine halbe Autostunde entfernt. Daniel fuhr nicht bis dahin, sondern hielt bei einem romantischen Wäldchen an.
»Jetzt werden wir mal ein Stück laufen«, sagte er. »Wastl scheint sich auch die Beine vertreten zu wollen. Aber er muß an die Leine. Hier gibt es Wild.«
»Rehlein?« fragte Anneka.
»Da sind schon welche«, flüsterte Danny. »Psssst, sonst laufen sie weg.«
Und so konnten sie jetzt erst mal beobachten, wie die Rehe sich an der Futterkrippe labten.
Wastl schnaufte, aber Daniel hielt ihn kurz an der Leine. Plötzlich stoben die Rehe davon. Motorengeräusch hatte sie aufgeschreckt.
Doch man konnte kein Auto sehen, nur hören.
Daniel und Fee gingen mit ihren Kindern auf schneebedeckten Wegen. Bei jedem Schritt knirschte es leise, so kalt war es geworden. Wastl trabte mit ihnen, als kenne er diesen Weg genau, und dann sahen sie das Gutshaus vor sich liegen, und sie vernahmen munteres Gekläff.
Wastl benahm sich jetzt aufgeregt, aber er folgte aufs Wort, wenn Daniel »Bei Fuß, Wastl« sagte.
Ein starkes Gitter umgab einen Zwinger, in dem sich eine ganze Anzahl junger Hunde tummelten, die von der gleichen Rasse waren wie Wastl.
Ein alter Mann im Lodenmantel musterte die Familie Norden, die nun dicht an dem Zwinger halt machte.
Wastl winselte leise. Und da kam der Mann näher. »Ist das einer von uns?« fragte er mit rauher Stimme.
»Ich denke schon, wir haben ihn nur ausgeborgt«, erwiderte Daniel. »Es ist der Wastl von Hoflechners.«
»Schön ist er geworden«, sagte der alte Mann. »Schöner