Stone allein Juanita in maßlose Furcht versetzte. Und das berichtete sie ihrer Freundin Fee sofort am Telefon.
»Also darf er auf keinen Fall zu ihr vorgelassen werden«, sagte Fee. »Und sie sollte ständig bewacht werden.«
»Wir haben nicht so viel Personal«, sagte Jenny. »Das weißt du doch, Fee. Es besteht nur die Möglichkeit, sie auf die Intensivstation zu legen.«
»Dann tut das. Ich komme nachher vorbei. Ich fahre jetzt erst mal zum Jagdschlössel und spreche mit Hof-lechners.«
Sepp Hoflechner war auch schon früh am Morgen unterwegs gewesen, und als Fee kam, hatte er die Unterlagen über das Jagdschlössel und seine früheren Besitzer schon auf dem Schreibtisch liegen.
»Ich weiß nicht, ob uns das was nützt«, sagte er. »Wir haben das Hotel jedenfalls rechtmäßig erworben.«
»Daran zweifelt doch niemand, Herr Hoflechner.«
Dann konnte sie den Unterlagen entnehmen, daß das Jagdschlössel zum Besitz der Barone von Eickstedt gehört hatte, was ihr ja schon bekannt war. Es war der Tochter des damaligen Besitzers, einer Amelie von Eickstedt zugefallen, die es jedoch kurz vor dem Kriege verkauft hatte. Der Käufer war verstorben und der nächste Besitzer hatte es wegen finanzieller Schwierigkeiten herunterkommen lassen. Das sagte Sepp Hoflechner.
Also könnte diese Amelie von Eickstedt Juanitas Großmutter gewesen sein, dachte Fee. Voraussetzung war natürlich, daß wenigstens das stimmte, was dieser Stone gesagt hatte.
Wer aber konnte ihr wohl Auskunft geben über jene Amelie von Eickstedt, die ja wohl einen Mann anderen Namens geheiratet hatte, am besten doch wohl der jetzige Baron.
Einmal unterwegs, wollte Fee gleich die Gelegenheit beim Schopfe packen und fuhr nach Gut Eickstedt. Wie-
der lief ihr der alte Korbinian in den Weg. Er grüßte höflich. Er hatte sie erkannt.
»Ich hätte gern den Baron gesprochen«, sagte Fee. »Ist das wohl möglich?«
»Er verkauft wirklich keinen Hund mehr«, erwiderte Korbinian.
»Es geht um etwas anderes. Würden Sie so freundlich sein, ihm zu sagen, daß Frau Dr. Norden ihn zu sprechen wünscht?«
»Versuchen kann ich es ja«, sagte Korbinian. Er trabte davon, aber er kam bald zurück.
»Der Herr Baron fühlt sich nicht wohl und kann niemanden empfangen«, erklärte er. »Wenn Sie hinterlassen wollen, worum es sich handelt?«
Fee überlegte rasch. Sie nahm eine Visitenkarte und schrieb schnell ein paar Worte darauf, steckte diese in einen Umschlag und klebte ihn zu. Auch der freundliche Korbinian brauchte nicht gleich zu wissen, worum es ging.
Als sie zu ihrem Wagen ging, kam zu Pferde eine Reiterin daher, ziemlich üppig, wie Fee schnell feststellte und sicher nicht mehr ganz jung. Schwar-zes Haar wehte im Wind. Sie bog zu den Ställen ein, so weit von Fee entfernt, daß sie das Gesicht nicht genauer sehen konnte.
Fee fuhr wieder heimwärts, und unterwegs kam ihr dann der Gedanke, daß Korbinian wohl schon so lange auf dem Gut sein könnte, um einiges über Amelie von Eickstedt zu wissen. Nun, sie erfuhr vielleicht auch von dem Baron, was sie interessierte, und es war sicher besser, wenn sie sich vorher mit Juanita unterhielt.
*
Baron Joachim von Eickstedt war in einer schlechten Verfassung. Er war übernervös und zuckte zusammen, als jene schwarzhaarige Frau, die Fee noch gesehen hatte, sein Zimmer betrat.
Sie hatte ein ziemlich breites Gesicht mit hohen Wangenknochen und stahlblaue kalte Augen.
»Ach, du bist es, Carola«, sagte er leise.
Carola von Gölltau lächelte spöttisch. »Was fürchtest du denn, Joachim? Noch keine Nachricht von Marian?«
»Nein, und jetzt bekomme ich es mit der Angst. Verstehst du das nicht?«
»Ihr hattet Streit, und er bockt«, sagte sie leichthin. »Wer war die Frau, die eben wegfuhr?«
»Eine Frau Dr. Norden. Sie will anscheinend einen Hund kaufen.«
Er hatte den Umschlag noch nicht geöffnet und ihn ganz schnell in seine Jackentasche geschoben, als Carola eingetreten war.
Er war Mitte fünfzig, groß, schlank und hatte bereits schlohweißes Haar. Er sah eher aus wie ein Gelehrter, als daß man in ihm einen Landwirt hätte erkennen können. Dessen ungeachtet liebte der Baron aber seinen Besitz und bemühte sich auch, ihn so gut wie nur möglich instand zu halten. »Marian weiß doch, was mich für Sorgen drücken«, sagte er leise.
»Denen wärest du ledig, wenn du verkaufen würdest«, sagte sie leichthin. »Es wird doch immer schlimmer, Leute zu bekommen. Du kannst dir ein schönes Leben machen von dem, was übrigbleibt, wenn alle Schulden bezahlt sind. Du hast hoffentlich nicht vergessen, daß ich auch noch achtzigtausend Euro zu bekommen habe. Da Marian nicht geneigt ist, mich zu heiraten, möchte ich wenigstens mein Geld nicht verlieren.«
»Ich kann ihn doch nicht zu dieser Heirat zwingen, Carola. Du weißt, wie gern ich es gesehen hätte. Du wirst dein Geld bekommen. Bitte, laß mir eine Woche noch Zeit.«
»Gut, eine Woche noch, Joachim, oder Marian kommt zurück und überlegt es sich anders. Kommt die Heirat zustande, bin ich bereit, alles zu tun, um dir Eickstedt zu erhalten.« Sie standen Auge in Auge, und plötzlich fröstelte es ihn. Er konnte seinen Sohn jetzt verstehen, daß er sich gegen diese Heirat sträubte, und nicht nur deshalb, weil Carola vier Jahre älter war als er.
Sie schlug leicht mit der Reitgerte auf den Schreibtisch. »Ich werde Silverstone als Pfand mitnehmen, bis du das Geld aufbringst«, sagte sie herab-lassend.
»Das kannst du nicht, der Hengst gehört Marian«, sagte er heiser.
»Gerade deshalb. Er ist immerhin sein Geld wert. Du wirst zugeben müssen, daß ich lange genug Geduld bewiesen habe. Ich will zumindest ein sicheres Pfand haben. Silverstone wird bei mir bestens gepflegt werden, darauf kannst du dich verlassen. Du wirst jetzt Korbinian Bescheid sagen, daß ich ihn mitnehme.«
»Nein«, sagte er so hart, wie sie seine Stimme nie gehört hatte. »Du wirst dein Geld morgen bekommen. Ich bedaure, daß ich meinem Sohn zumuten wollte, dich zu heiraten, Carola. Ich schreibe dir einen Schuldschein aus, den du morgen einlösen kannst.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Gut, dann auf morgen«, sagte sie, als er den Schuldschein ausgeschrieben hatte.
Als sie gegangen war, saß er lange an seinem Schreibtisch und starrte blicklos vor sich hin.
Dann raffte er sich auf und griff zum Telefon. Aber er ließ die Hand wieder sinken. Er erinnerte sich an den Umschlag, den Korbinian ihm gebracht hatte.
Er öffnete ihn und nahm die Karte heraus. Aus wichtigem Anlaß benötige ich eine Auskunft über Amelie von Eickstedt. Ich bitte um Nachricht, wann Sie mich empfangen können. Dr. Fee Norden.
Er war zur Bildsäule erstarrt und seine Finger zitterten, als er die Karte umdrehte. Dr. Daniel Norden, Dr. Felicitas Norden, stand da gedruckt mit der privaten und der Praxisanschrift.
Wieso Tante Amelie, wer interessiert sich für sie, dachte er. Sie ist doch lange tot.
Es dauerte noch geraume Zeit, bis er wieder nach dem Telefon griff, und dann führte er zwei Gespräche.
*
Fee war längst in der Behnisch-Klinik. Da herrschte Hochbetrieb.
»Hat sich der mysteriöse Ehemann gemeldet?« fragte Fee, als Jenny sich ein paar Minuten Zeit für sie nehmen konnte.
»Er hat angerufen, daß er morgen kommen wird, da er erst noch die erwünschten Papiere beschaffen muß. War ganz schön frech, muß ich sagen«, erklärte Jenny. Dann gestand sie ein, daß Juanita in tiefe Bewußtlosigkeit gefallen war, als sie den Namen Stone erwähnt hatte.
»Ich könnte mich dafür jetzt selber noch ohrfeigen«, sagte sie, »aber ich wollte