Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Staffel 18 – Arztroman


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Herr Baron verkauft keine mehr. Bevor der junge Herr nicht daheim ist, wird kein Hund mehr verkauft.«

      Fee und Daniel tauschten einen Blick. »Ich wollte nur mal sehen, ob Chérie da ist«, sagte Fee aufs Geratewohl.

      »Nein, die ist nicht da. Die hat der junge Baron mitgenommen«, erwiderte der alte Mann. »Aber das hätte ich wohl lieber nicht sagen sollen.« Er blickte sich ängstlich um, doch weit und breit war niemand zu sehen.

      Wastl winselte laut. Er sprang am Drahtzaun empor und versuchte, seine Schnauze durchzustecken.

      »So ein schöner Bursche«, sagte Korbinian, »der Baron hat schon recht, wenn er keinen mehr weggibt.«

      Dann wandte er sich ab und lockte die jungen Hunde mit sich.

      »Können wir nicht doch einen haben, Mami?« fragte Danny betrübt, gleich für seine Geschwister mit.

      »Wenn ich wüßte, daß er so würde wie Wastl, könnte ich es mir überlegen«, sagte Fee. »Aber wenn junge Hunde sehr verwöhnt werden, wachsen sie sich nicht so aus.«

      »Und sie wollen auch Geschwister haben«, sagte Felix.

      »Es gibt also eine Chérie«, raunte Fee ihrem Mann zu. »Was soll man jetzt denken?«

      »Das überlasse ich dir, Feelein. Soweit reicht meine Phantasie nicht.«

      »Meine Füße kribbeln«, sagte Anneka weinerlich.

      »Wir fahren zurück«, erklärte Daniel.

      Wastl ließ die Ohren hängen, als er in den Wagen kletterte. Er gab während der ganzen Fahrt unwillige Laute von sich, aber als sie beim Jagdschlössel angelangt waren, sprang er auch nicht freudig heraus, sondern schlich mit eingekniffenem Schwanz zu seiner Hütte.

      »Ich möchte wissen, was mit ihm los ist«, sagte Kathi betrübt. »Er hat es doch gut bei uns.«

      »Er mag sicher gern Kinderchen haben«, sagte Danny, »aber der Baron verkauft keine mehr, hat der Korbinian gesagt. Gell, Mami, Korbinian heißt er.«

      »Ja, so hat er gesagt«, bestätigte Fee.

      »Der Korbinian«, sagte Kathi gedankenvoll.

      »Der Baron verkauft keine Hunde mehr, bis der junge Baron zurück ist«, sagte Fee.

      »Der junge Baron wollte den Wastl nicht hergeben«, sagte Kathi leise. »Er hat mit seinem Vater gestritten. Er hat gesagt, daß er verbohrt sei, wenn einer keinen Stammbaum hätte. Aber die Adligen sind nun mal so, auch bei den Tieren.«

      »Wissen Sie mehr über Baron Eickstedt?« fragte Fee nachdenklich.

      »Nein, sonst nichts. Wir waren ja froh, daß er uns den Wastl gab, so lieb, wie wir den gleich hatten. Aber jetzt scheint es so, als würde er Sie lieber haben.«

      Aber so schien es doch nicht zu sein. Wastl hatte sich in seine Hütte zurückgezogen, und er kam daraus auch nicht hervor, als die Nordens sich verabschiedeten.

      »Hat noch jemand nach Juanita gefragt?« erkundigte sich Fee, aber Kathi schüttelte verneinend den Kopf.

      »Wir werden sie fragen, ob ihr die Kette gehört«, sagte Fee. »Wenn nicht, bringen wir sie zurück.«

      »Mir ist das Herz schwer«, sagte Kathi. »Ich mag es nicht, wenn ich keinen Überblick mehr habe.«

      »Wer mag das schon, Kathi«, sagte Fee.

      »Wenn nachher doch was fehlt, werden wir haftbar gemacht«, meinte Kathi zaghaft.

      »Darum brauchen Sie nicht bange zu sein, das gewiß nicht. Wir bürgen für Sie. Und sollte jemand Ihnen Schwierigkeiten machen wollen, rufen Sie uns an. Es gilt, Kathi.«

      *

      Dr. Norden brachte erst Fee und die Kinder heim. Dann fuhr er in die Behnisch-Klinik. Jenny Behnisch kam gerade aus Juanitas Zimmer.

      »Sie ist bei Bewußtsein, Daniel«, sagte Jenny, »aber sie reagiert nicht. Ich habe das Gefühl, daß sie voller Mißtrauen ist, daß sie sich durchaus erinnern kann, aber nichts sagen will.«

      »Vielleicht bringt sie das zum Reden«, sagte er und zeigte Jenny die Kette.

      »Woher hast du die?« fragte sie bestürzt.

      »Wastl hat sie aus dem Schnee herausgegraben, aber es könnte auch sein, daß er sie dort erst verbuddelt hat. Man kann ja nicht mit ihm reden.«

      »Hoffentlich haben wir uns da nicht mal wieder Schwierigkeiten eingehandelt«, sagte Jenny etwas skeptisch.

      So langsam kamen ihm auch Bedenken. Leise betrat er das Krankenzimmer. Juanita lag mit geschlossenen Augen da, aber er spürte, daß sie schneller atmete, als er an ihr Bett trat.

      Er setzte sich auf die Bettkante und fühlte ihren Puls. Langsam schlug sie die Augen auf.

      »Wer sind Sie?« fragte sie schleppend.

      »Dr. Norden, ich habe Sie hierhergebracht. Wir sind uns schon im Jagdschlössel begegnet.«

      »Ich kann mich nicht erinnern«, sagte sie leise.

      Er war überzeugt, daß sie sich erinnern konnte, aber das behielt er vorerst für sich.

      »Gehört diese Kette Ihnen?« fragte er.

      Ihre Hand zuckte empor, aber dann sank sie gleich wieder zurück. »Nein«, sagte sie.

      »Dann werden wir wohl doch die Polizei zuziehen müssen«, sagte er ruhig. »Es ist eine sehr wertvolle Kette, und Wastl, der Hund, fand sie an der Stelle, an der auch Sie gefunden wurden.«

      »Ich kann mich nicht erinnern«, sagte sie wieder, »aber bitte keine Polizei. Ich habe nichts getan, wirklich nicht.«

      »Diese Kette ist sehr wertvoll und eine sehr seltene Arbeit. Wir müssen die Besitzerin ermitteln.«

      »Vielleicht gehört sie doch mir«, flüsterte Juanita.

      »Wovor haben Sie Angst?« fragte Dr. Norden behutsam. »Wer hat Sie verletzt?«

      »Ich weiß es nicht.«

      »Sehen Sie, Fräulein Ramirez – oder sind Sie verheiratet?«

      »Nein, nein!« wehrte sie ab.

      »Aber Sie heißen Juanita Ramirez.«

      »Ich habe nichts Unrechtes getan«, flüsterte sie. »Bitte, glauben Sie mir.«

      »Sehen Sie«, begann er wieder, »wir befinden uns in einer schwierigen Situation. Wir möchten Ihnen gern helfen, aber auch dem Gastwirtsehepaar Hoflechner. Es sind ehrliche Menschen, aber Kathi Hoflechner sagte, daß Sie auch sehr kostbare Ringe trugen und die sind auch verschwunden. Und Ihr Körper weist Verletzungen auf, die darauf schlie­ßen lassen, daß Sie tätlich angegriffen wurden. Also liegt der Verdacht nahe, daß Sie auch beraubt wurden.«

      »Ich habe die Ringe jemandem gegeben, um Geld zu bekommen«, flüsterte sie. »Ich kann Ihnen keine weiteren Fragen beantworten.«

      »Werden Sie erpreßt?« fragte er.

      Ein trockenes Schluchzen schüttelte ihren zarten Körper. »Es geht nicht um mich«, kam es stockend über ihre Lippen. »Bitte, verstehen Sie doch. Es wird sich alles aufklären. Ich kann nichts sagen.«

      »Wir wollen Ihnen helfen, Fräulein Ramirez. Sie waren am Silvesterabend mit einem Mann zusammen. Wer war das?«

      »Ich kenne ihn nicht. Ich habe nichts Unrechtes getan, glauben Sie es mir doch. Ich habe niemanden bestohlen, und wenn mir etwas fehlt, will ich keine Anzeige erstatten. Niemand kann mich dazu zwingen.«

      »Sie hätten da draußen im Schnee erfrieren können, wenn Wastl Sie nicht aufgespürt hatte«, sagte Dr. Norden betont. »Warum sind Sie mit den dünnen Schuhen hinausgegangen?«

      »Das weiß ich wirklich nicht«, murmelte sie, und in ihren Augen war ein Ausdruck, so verwirrt und fragend, daß er diesen Worten Glauben schenkte.