hatte. An der Nahtstelle zwischen dem Höhlenboden und den Wänden befand sich angeblich eine schmale Spalte, die ins innere Heiligtum führte, wo Orakelsuchende ihre Visionen empfingen. Der Weg dorthin wurde als furchteinflößend beschrieben, denn er war mit einem starken Gefühl für das Selbst und den Glauben verbunden. Diejenigen, die in der ein oder anderen Hinsicht wankten, kehrten vom Trophonios-Orakel aufgewühlt zurück, erschüttert, traumatisiert – und manchmal starben sie.
Nach einem Hinweis tastend strich Daniel über die Wände. Die Steine, die zum Bau der Höhle verwendet wurden, waren zerfallen oder von Vegetation überwachsen, was die Aufgabe erschwerte. Schließlich fanden seine Finger eine kleine Einkerbung am Boden des Bauwerks, die von einem Wurzelgeflecht verdeckt war.
Das ist es.
Er zerriss die Wurzeln, bis mehr von dieser Öffnung frei lag, und ertastete einen horizontalen Riss, ähnlich einer geplatzten Naht, der sich zwischen der Erde und der zerfallenen Kalksteinwand erstreckte. Er trat gegen den Spalt, zuerst zaghaft, dann bestimmter. Der Stein gab nach.
Die Öffnung, so berechnete Daniel, war etwa sechzig Zentimeter breit und fünfzehn Zentimeter hoch – kaum groß genug, dass die unteren Extremitäten eines Mannes hinein passten.
Pausanias Beschreibung war eindeutig. Am Übergang zwischen oben und unten befindet sich eine Öffnung, zwei Spannen breit und eine hoch. Der, der hinabsteigt, liegt flach am Boden der Höhle und führt, mit Honigkuchen in den Händen, zuerst seine Füße in die Öffnung ein, dann seine Knie; und dann wird sein ganzer Körper hineingesogen, so wie ein reißender und großer Fluss jeden verschluckt, der in seinen Strudel gerät.
Obwohl er eine Stimme in seinem Kopf hörte, die ihm sagte, es sein zu lassen, entschied Daniel, es zu wagen. Er folgte der von Pausanias beschriebenen Technik, indem er sich rücklings auf den Boden legte, seine Füße in das Loch zwängte und dann seine Beine bis zu den Knien hineinschob.
An diesem Punkt sollte die Rinne ihn in die Tiefe ziehen, aber nichts geschah. Tatsächlich steckte Daniel fest; er konnte sich weder tiefer in die Öffnung zwängen, noch sich herausziehen. Seine Füße baumelten in einer unsichtbaren Leere. Was immer hinter dieser Wand lag, war hohl, wie ein Schacht. Er versuchte, sich tiefer hineinzuschieben, ohne Erfolg.
Daniel spürte eine schwache Vibration an seinem Rücken und legte eine Hand auf die Wand. Die Vibration verwandelte sich in ein Beben. Instinktiv versuchte er, sich aus der Öffnung zu winden, aber sie hielt seine Beine fest umschlossen. Er war gefangen.
Mit einem leisen Grollen brach ein Teil des Bodens weg, wodurch Daniel in einen Schacht gezogen wurde. Es war ein fast senkrechter Fall in absoluter Dunkelheit, der ihm so vorkam, als stürzte er in einen Abgrund. Während er mit zunehmender Geschwindigkeit fiel, hämmerte sein Herz so stark, dass er glaubte, seine Schlagadern würden platzen. Er schnappte nach Luft, kaum in der Lage zu atmen, aber es gab keinen Sauerstoff, den er hätte aufnehmen können. Er fühlte sich wie ein sterbender Mann. Dieses Gefühl hatte er nur einmal zuvor erlebt, in einem Moment, den er so verzweifelt aus seinem Gedächtnis zu löschen versuchte.
Daniel hatte kein Bewusstsein für seinen Körper. Die vollkommene Schwärze wurde von einem blinkenden roten Licht abgelöst, das mit jedem Herzschlag größer wurde, bis es sein geistiges Auge vollkommen einnahm.
Sengende Hitze stieg ihm in die Kehle und wanderte zu seinem Kopf hinauf und in beide Arme hinunter. Er spürte, wie etwas seinen Brustkorb zusammendrückte wie ein Schraubstock. Er packte es mit all seiner Kraft, versuchte, es auseinanderzureißen, aber das Gefühl blieb. Es wurde stärker, erstickte ihn.
Er landete mit einem dumpfen Aufschlag, der in seinen Ohren widerhallte und ihm einen gellenden Schrei entriss. Ein zweiter Schrei folgte, dann noch einer, bis seine Lunge ihm keine Luft mehr spendete. Seine Augen verdrehten sich, bis das Weiße sichtbar wurde, und dann – nichts mehr.
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