stöhnte sie. Ihr Gesicht war jetzt leicht grünlich.
»Wir drehen«, erklärte Axel und nahm ihre Hand. »Bald bekommen Sie wieder festen Boden unter den Füßen, Astrid, und dann werden alle Beschwerden wie weggewischt sein.«
»Meinetwegen brechen sie die Tour nun ab?« murmelte sie schuldbewußt.
»Nein, das Wetter sieht nicht so
gut aus wie der Wetterbericht es versprochen hatte.« Er öffnete das Bullauge über ihrer Liege. »Atmen Sie tief durch und versuchen Sie daran zu denken, daß Sie es bald überstanden haben.«
»Conny geht es noch gut?« ächzte sie, da wieder eine Welle von Übelkeit in ihr aufstieg.
»Keine Sorgen, die ist putzmunter. Außerdem haben wir sie nun angeseilt, damit sie uns bei dem Seegang nicht über Bord fällt.« Er strich ihr über die Stirn. »Und nun muß ich wieder hinaus, man könnte mich brauchen.«
An Deck bat er Christina, sich um Astrid zu kümmern. »Es geht ihr gar nicht gut, die Seekrankheit hat sie ordentlich erwischt.«
»Ich will auch zu Mami!« Conny wollte ihr folgen, doch Guido hielt sie zurück.
»Bleib lieber hier oben an der Luft, Kleines, sonst wirst du am Ende auch noch seekrank. Komm, du darfst mir helfen zu steuern.« Er zog sie neben sich.
»Muß man sterben, wenn man seekrank ist?« fragte sie nach einer Weile dünn.
»Aber woher denn! Man fühlt sich nur schlecht durch das Schaukeln, weißt du. An Land ist alles wie weggeblasen, dann ist deine Mami wieder quietschvergnügt, glaub mir«, beruhigte er sie und legte den Arm um sie. Ein Gefühl von Rührung überkam ihn, als sie sich bei dem Wendemanöver an ihn klammerte.
Die Wölkchen wurden zu Wolken, aus der frischen Brise wurde ein stürmischer Wind, weiße Schaumkronen bildeten sich auf den höher schlagenden Wellen.
»Mir ist kalt«, piepste Conny.
Guido zog seinen Pullover aus, hängte ihn ihr um und verknotete die Ärmel auf ihrer Brust.
»Besser so?«
»Ja, er ist noch ganz warm von dir. Aber nun frierst du bestimmt.«
»Ach wo, kein bißchen«, beruhigte er sie.
Wenig später brauchte er sein ganzes seemännisches Können, um das Boot nicht zum Spielball der Wellen werden zu lassen. Axel brachte Conny nun auch in die Kajüte.
»Meinst du, wir schaffen es?« fragte er beunruhigt, als er zurückkam.
Guido preßte die Lippen zusammen.
»Menschenskind, wir müssen es schaffen!« stieß er nach einer Weile hervor, und daran merkte Axel, daß er sich selbst Sorgen machte.
Die Segel waren längst eingeholt, mit dem Motor kämpften sie sich vorwärts. Drinnen in der Kajüte kümmerte Christina sich um Mutter und Tochter. Astrid befand sich in einem Zustand, da ihr so ziemlich alles egal war. Manchmal stöhnte sie leise vor sich hin.
»Muß Mami sterben?« fragte Conny ängstlich.
»Bewahre, mein Kleines, an der Seekrankheit ist noch nie einer gestorben«, beruhigte Christina, die sie auf dem Schoß hielt, damit sie nicht herumgeschleudert wurde und sich womöglich verletzte. »Man fühlt sich nur miserabel, aber wenn man an Land ist, geht es einem sofort wieder gut.«
»Sind wir bald an Land?«
»Es wird nicht mehr lange dauern«, nickte Christina mit gespielter Zuversicht, obwohl sie nun auch Angst bekommen hatte. Nach all den Jahren, in denen sie mit Guido gesegelt war, vermochte sie abzuschätzen, in welcher gefährlichen Lage sie sich befanden. »Soll ich dir eine Geschichte erzählen?« fragte sie, denn es war besser, das Kind abzulenken.
»Au ja, wenn du eine schöne weißt?« Conny kuschelte sich in ihre Arme.
Christina begann zu fabulieren, und Conny hörte ihr andächtig zu.
Selbsterdachte Geschichten liebte sie ganz besonders.
*
Eine halbe Stunde später erreichten sie den rettenden Hafen, und nachträglich empfanden sie es alle wie ein Wunder, denn während der letzten zehn Minuten, war ein wahrer Orkan losgebrochen.
»Wir haben es geschafft!« Klatschnaß kam Guido in die Kajüte. Man sah ihm an, wie erschöpft er war.
»Gottlob!« Christina atmete auf.
»Kommen Sie, Astrid, wir bringen Sie an Land!« Guido streckte ihr die Hand hin.
Sie richtete sich auf. Das Boot schaukelte noch wie wild, obwohl sie es bereits festgemacht hatten. Sie glaubte, keinen Schritt tun zu können, aber sie biß die Zähne zusammen. Doch als Guido sie aufgezogen hatte, wurde ihr schwarz vor Augen, sie schwankte.
Gerade noch konnte er sie auffangen, bevor sie umkippte. Er nahm sie auf die Arme und trug sie hinaus.
»Mami!« schrie Conny angstvoll.
»Keine Angst, Kindchen, deine Mami ist bloß ein bißchen schwach«, beruhigte sie Christina und übergab sie Axel, der sie auf den Steg hob.
»Es… geht wieder«, murmelte Astrid, als Guido sie vorsichtig auf die Füße stellte.
»Hängen Sie sich bei uns ein!« gebot Axel.
»Was bin ich bloß für ein Schlappschwanz«, murmelte sie.
»Aber nein, das ist doch ganz normal, wenn man sich so mies fühlt«, lächelte Guido.
Mit einem Taxi brachten sie sie zum Hotel, und Astrid widersprach nicht, als sie darauf bestanden, daß sie sich noch für eine Weile niederlegte.
»Um Conny kümmern wir uns schon«, versicherte Christina. Sie hatten einen Bungalow gemietet für den Fall, daß sie einmal eine Segelpause machen wollten. »Wir nehmen sie mit zu uns, und wenn Sie sich besserfühlen, kommen Sie und holen sie ab. Einverstanden?«
»Aber Sie sind doch selbst kaputt und ruhebedürftig«, wandte Astrid ein, doch das ließen sie nicht gelten.
Sie schlief mehrere Stunden, und als sie aufwachte, fühlte sie sich wie neugeboren. Da ihr Magen ganz hohl war, ließ sie sich noch eine leichte Speise bringen, bevor sie aufbrach, um Conny zu holen.
Das Unwetter war vorbei, die Sonne kam bereits wieder hinter den sich auflösenden Wolken hervor, und das Meer hatte sich beruhigt. Vor dem Bungalow fand sie Guido, der mit Conny auf der Terrasse an einem Tisch saß und ein Spiel spielte, ihr geliebtes Mensch-ärgere-dich-nicht.
Sie hatten sie nicht kommen gehört, so vertieft waren sie »Ätsch, ich habe dich rausgeschmissen!« rief Conny triumphierend.
»Verflixt, du bist ja ein ganz gewitztes Persönchen!« Guido tat so, als ob er sich ärgerte.
»Du mußt besser aufpassen. Nun mußt du wieder ganz von vorn anfangen.«
»Na warte, nächstes Mal werde ich dich aber besiegen«, drohte er.
Ein seltsames Gefühl überlief Astrid, als sie Vater und Tochter so einträchtig beieinander sitzen sah. Die Vorstellung, wie schön es für Conny wäre, auch einen Vater zu haben, hatte sie immer verdrängt, doch nun wurde ihr blitzartig klar, daß einer allein einem Kind nie ein Elternpaar ersetzen konnte.
»Hallo«, meldete sie sich ein wenig beklommen und trat näher.
»Mami!« Conny sprang so heftig auf, daß die Kegel auf dem Brett durcheinander purzelten. »Bist du wieder gesund?«
»Ja, es geht mir wieder erstaunlich gut«, lächelte sie, beugte sich zu ihr herunter und gab ihr einen Kuß. »Sie opfern sich, wie ich sehe«, sagte sie dann an Guido gewandt.
»Von opfern kann keine Rede sein, wir amüsieren uns großartig, nicht wahr, Conny? Die beiden anderen haben sich hingelegt, aber ich konnte ohnehin nicht schlafen.« Guido war aufgestanden und schob ihr einen Sessel zurecht. »Bitte, setzen Sie