Patricia Vandenberg

Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 1 – Arztroman


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Kim.

      »In der Behnisch-Klinik.«

      »Wieso?«

      »Das kann Jan dir besser erklären, aber kannst du dich nicht erinnern, was geschehen ist?«

      »Nein. Was ist geschehen?«

      Das Sprechen fiel ihr sehr schwer, die Kehle war trocken, Jenny netzte ihre Lippen mit kühlem Tee. Kim sah Jenny verwundert an.

      »Dr. Behnisch, ich kenne Sie«, flüsterte sie.

      »Das freut mich, wir haben Sie von dem lästigen Blinddarm befreit, ist schon ein paar Jahre her.«

      »Ich war siebzehn und wollte auf einen Ball gehen.« Sie konnte sich genau daran erinnern. Es war sicher keine angenehme Erinnerung, aber das Erschrecken, das sich jetzt auf ihrem Gesicht abzeichnete, machte Jenny Behnisch nachdenklich. Wie ein Hauch kam der Name Hanno über ihre Lippen, aber nur Jenny vernahm ihn.

      Kims Lippen preßten sich aufeinander und nun waren die Augen wieder geschlossen, und ihr Herz hämmerte.

      Jan war ans Bett getreten und griff nach Kims Hand. »Ich bin dir nie böse, Kim. Ich bin noch mal zurückgekommen und habe dich gefunden. Du lagst am Boden und hattest eine Kopfwunde. Was war geschehen? Es muß jemand gekommen sein, als du mir die Nachricht auf Band gesprochen hast.« Er drückte die Lippen auf ihre Hand.

      »Der Fisch«, murmelte sie, »Trockner.« Dann schlief sie wieder.

      Jan richtete sich langsam auf. »Seltsam«, murmelte er, »was kann das bedeuten?«

      »Was hat sie gesagt?« fragte Constantin.

      »Fisch – Trockner, sie wollte mir etwas mitteilen, aber ich kann damit nichts anfangen.«

      Jenny konnte sich auch nichts zusammenreimen. Sie sagte, daß Kim jetzt wieder schlafen würde.

      »Dann fahren wir zum Haus und schauen nach, ob was fehlt«, meinte Constantin. »Hast du Zeit, Jan?«

      »Ich nehme sie mir.«

      »Ist schon ein komisches Gefühl«, sagte Constantin, als sie durch den Garten gingen, »es sieht aber doch sehr gepflegt aus. Kommt Motzki doch immer noch?«

      »Wer ist das?« fragte Jan.

      »So ein Hobbygärtner, Moser heißt er, ich habe ihn Motzki genannt, weil er dauernd gemotzt hat bei der Arbeit. Dann hat Vater sich mal mit ihm angelegt, und er ist weggeblieben.«

      »Was habt ihr überhaupt für Hauspersonal?«

      »Keine Ahnung, von den Frauen ist ja nie eine lange geblieben. Mit Mama ist kein leichtes Auskommen, ihren Feldwebelton verträgt nicht jeder. Ich nehme an, daß sie Putzfrauen hat, die stundenweise kommen.«

      »Wie bei uns, Hausarbeit machen doch nur noch die, die steuerfrei dazuverdienen wollen.«

      Irgendwie redeten sie vertraut miteinander wie nie zuvor. Die Sorge um Kim hatte sie einander nähergebracht.

      Als Jan die Tür aufgeschlossen hatte, wollte er Constantin den Schlüsselbund geben, aber der winkte ab.

      »Behalte du ihn nur, ich habe irgendwo einen Hausschlüssel, aber ich werde doch nicht herkommen.«

      »Ich wollte dich fragen, ob du nicht hier wohnen würdest, solange deine Eltern nicht hier sind. Man sollte Kim nicht allein lassen.«

      Constantins Augenbrauen schoben sich zusammen. »Sie sollte lieber woanders wohnen, wenn sie aus der Klinik kommt. Wäre es nicht bei dir möglich?«

      »Möglich wäre es schon, aber sie wird es nicht wollen.«

      »Ich kann ja mal mit ihr reden. Bei mir wird es ihr nicht gefallen, weil zuviel Betrieb ist. Was ist eigentlich mit ihrer Freundin Ulrike?«

      »Sie studiert in Paris. Es war die Rede davon, daß sie sich auf Madeira treffen, aber Kim hat es nicht erwähnt.«

      »Da hat es sicherlich Zoff gegeben, und Kim kommt darüber nicht hinweg. Sie hat sich schon immer alles sehr zu Herzen genommen, wenn Ulli aus der Rolle gefallen ist. Sie ist ganz anders als Kim, sie kann kräftig verteilen, aber keine Kritik annehmen.«

      »Ich kenne sie nicht so gut wie du. Ich hatte nur den Eindruck, daß sie mit allen Mitteln und ohne Rücksicht auf andere Karriere machen will.«

      »Genauso ist sie. Aber solche suchen sich ja immer Freundinnen, die sie mit ihren Spitzen treffen können. Ich hasse diese Weiber, die so boshaft sticheln, wenn sie sich nicht hinreichend gewürdigt fühlen. Ulrike ist ein Schulbeispiel dafür.«

      »Und Kim ist zu tolerant, um zurückzuschlagen«, sagte Jan. »Aber seit dem Urlaub habe ich sie auch aggressiv kennengelernt.«

      »Wenn du ihr ordentlich die Meinung sagst, wird sie es sich zu Herzen nehmen, aber sie ist nicht nachtragend.«

      Sie standen im Wohnzimmer, und Constantin blickte sich um. »Ein paar Bilder hängen schief, es könnte jemand nach einem Safe gesucht haben, aber wir haben keinen im Haus. Mama hat ein Geheimfach in ihrer Schrankwand, da können wir mal nachschauen, aber das ist durch einen Code gesichert. Vater bringt alles zur Bank, und in seinem Büro hat er einen Tresor. Bargeld in größeren Mengen wird nie zu Hause aufbewahrt, und ihren Schmuck schleppt Mama immer mit, wenn sie verreisen.«

      »Siehst du einen Fisch?« fragte Jan.

      »Wir hatten nie Fische, das macht zuviel Arbeit. Fisch, das könnte doch auch Tierkreiszeichen bedeuten, aber da kenne ich auch niemanden.«

      »Fisch – Trockner, das muß für Kim einen Zusammenhang haben. Was gibt es für Trockner?«

      »Mir fällt nur der Wäschetrockner ein, der ist im Keller. Nachsehen kostete ja nichts. Ich bin ein creativer Mensch, ich habe oft Schnapsideen.«

      Sie gingen in den Keller, den man als Wirtschaftsbereich bezeichnen konnte. Er war hell getüncht, hatte große Fenster und einen hellen Fliesenboden. Es war geheizt und beinhaltete die Waschküche, ein Bügelzimmer, einen Vorratsraum und den Heizungskesselraum.

      Blitzsauber war alles, aber als sie in den Trockner schauten, waren sie momentan sprachlos. Darin lag ein blaugrüner Keramikfisch, der in der Mitte auseinandergebrochen war, aber er war mit einer Plastiktüte ausgestopft.

      »Ich kenne so was aus Spanien, diese Keramiksachen werden als Souveniers verkauft. Billig sind sie nicht, und vielleicht hat sich Kim geärgert, daß er zerbrochen ist«, meinte Constantin.

      »Aber doch nicht so, daß es ihr so wichtig ist«, sagte Jan. »In ihrem Zustand hätte sie sich doch an etwas Bedeutenderes erinnern können.« Er nahm den Fisch heraus und seine Augen weiteten sich, als er die Plastiktüte berührte. »Da ist was drin, fühlt sich wie Mehl an.«

      Constantin stieß einen schrillen Pfiff aus.

      »Mamma mia! Das wird doch nicht Koks sein?«

      Sie starrten sich an und überlegten krampfhaft. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß Kim als Dealerin tätig ist«, sagte Constantin heiser.

      »Niemals. Das muß ihr jemand untergejubelt haben. Als der Fisch auseinanderbrach, hat sie es entdeckt und es mit der Angst gekriegt«, stieß Jan hervor. »Und es war jemand im Haus, um nach dem Fisch zu suchen und hat Kim niedergeschlagen.«

      »Gut kombiniert, aber ob es stimmt?« überlegte Constantin. »Was machen wir nun?«

      »Wir müssen abwarten, bis wir mit ihr reden können«, sagte Jan. »Und wir sollten dieses Ding anderswo sicherstellen.«

      »Ich nehme das nicht mit«, winkte Constantin gleich ab. »Ich hatte schon mal Scherereien mit einem sogenannten Freund, der gekokst hat. Ich will damit nichts zu tun haben. Wie Kim in so was hineinschlittern konnte, begreife ich nicht.«

      »Sie hat bestimmt keine Ahnung gehabt. Jetzt kann ich mir auch ihren Zustand erklären. Sie hatte Angst.«

      »Hast du vergessen, daß Frau Dr. Behnisch von Amphetaminen geredet hat? Davon kann man auch süchtig werden.«