Viola Maybach

Der kleine Fürst Staffel 5 – Adelsroman


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dir in diesem Punkt nicht widersprechen.«

      »Sie schmeißen mich raus, oder?«, fragte Julietta. »Sie haben ja gesagt, ich kann mir nichts mehr erlauben, und ich weiß, ich habe es verdient, Herr Wenger. Ehrlich, das weiß ich. Aber ich schwöre Ihnen, wenn Sie mich behalten, dann bessere ich mich. Ich will beweisen, dass ich etwas kann. Ich bin nicht so, wie alle denken.«

      »Woher weißt du, was ich denke?«, fragte er ruhig.

      »Ich weiß es eben. Seit ich hier bin und sehe, wie die anderen auf mich reagieren, merke ich erst, wie ich wirke: grob und ungehobelt, unbeherrscht, ungepflegt, mit schlechten Manieren …«

      »Es liegt allein an dir, das zu ändern, Julietta«, erwiderte der Stallmeister. »Du hast es in der Hand.«

      Juliettas Augen füllten sich mit Tränen. »Gerade jetzt, wo ich anfange, einiges zu begreifen, muss Tina hier auftauchen und sich aufspielen«, sagte sie leise. »Ich hätte eine gute Pferdepflegerin werden können, Herr Wenger, das weiß ich jetzt. Und vielleicht …«

      »Vielleicht was?«, erkundigte er sich, als sie nicht weitersprach.

      »Vielleicht hätte ich dann endlich meinen Platz gefunden.« Bereits im Gehen setzte sie hinzu: »Es tut mir wirklich leid.«

      »Moment noch«, sagte Robert Wenger. »Du wirst dich ab sofort besonders um Silberstern kümmern, da du diejenige bist, vor der er am wenigsten Angst zu haben scheint. Ich kläre das mit den anderen. Und jetzt geh und entschuldige dich bei Harry.«

      Nie würde er ihr Gesicht vergessen, als sie begriff, dass sie bleiben durfte. Die Tränen liefen ihr über das Gesicht, sie merkte es nicht einmal. Ihr Mund öffnete sich, sie wollte etwas sagen, doch sie brachte kein Wort heraus. »Nun geh schon!«, wiederholte er und nahm hinter seinem Schreibtisch Platz, um ihr zu zeigen, dass das Gespräch beendet war. Wenn sie ihn noch länger so ansah, würde sie ihm schließlich noch anmerken, dass ihre Reaktion ihn rührte – und das konnte seinem Ruf als strenger Stallmeister nur schaden.

      Endlich drehte sie sich um und rannte hinaus. Er hörte ihre schnellen Schritte auf dem Hof und lächelte still. Der Knoten war geplatzt, auf die weitere Entwicklung von Julietta von Barrentrop durfte man gespannt sein.

      *

      »Tina hat erzählt, dass sich Julietta schlimmer aufgeführt hat als je zuvor«, sagte Caroline besorgt zu Baronin Sofia. »Sie ist noch unterwegs, aber vollkommen außer sich. Angeblich hat Julietta sich wie eine Wilde auf sie gestürzt. Bitte, Sofia, sag mir die Wahrheit!«

      »Das kann ich nicht, weil ich die Situation nicht erlebt habe, Caro«, erwiderte die Baronin. »Tina war allerdings ziemlich aufgeregt, als sie sich verabschiedete, aber sie wollte mir nicht sagen, was passiert war.«

      »Mich macht das krank, Sofia. Das geht jetzt schon seit Jahren so mit Julietta, und nun scheint auch noch der Aufenthalt bei euch, in den wir so große Hoffnungen gesetzt hatten, kein Erfolg zu werden.«

      Sofia fand es nun doch an der Zeit, zu widersprechen, und so entgegnete sie: »Wir sehen das nicht so, Caro. Im Gegenteil, es geht eine deutliche Veränderung mit Julietta vor sich. Wir wissen nicht genau, welches der Auslöser war, aber sie gibt sich aufrichtig Mühe, und auch ihr Äußeres ist nicht mehr gar so wild wie zu Beginn ihres Aufenthalts bei uns.«

      »Aber warum ist sie denn dann gleich mit Tina aneinandergeraten?«, fragte Caroline. »Wenn sie sich verändert hätte … Ich meine, es war doch nett von Tina, sie zu besuchen, sie hätte sich doch auch darüber freuen können.«

      »Ich werde versuchen herauszufinden, was vorgefallen ist«, versprach die Baronin. »An eurer Stelle würde ich mir jetzt erst einmal keine Sorgen machen, Caro. Wie gesagt, wir haben durchaus den Eindruck, dass mit Julietta eine Veränderung zum Positiven vor sich gegangen ist.«

      »Du sagst mir doch die Wahrheit, Sofia? Du versuchst jetzt nicht, mich zu schonen, oder?«

      »Ganz bestimmt nicht«, beteuerte die Baronin. »Frag Fritz, er wird dir bestätigen, was ich eben gesagt habe.«

      Als Juliettas Mutter sich verabschiedete, waren ihr jedoch die Zweifel an der positiven Entwicklung ihrer jüngsten Tochter noch immer deutlich anzuhören. Seufzend legte die Baronin das Telefon zur Seite. Was hatte Julietta denn nun schon wieder angestellt?

      *

      Julietta verlangsamte ihre Schritte, als sie Harry mit seinen beiden Kollegen Patrick und Kalli zusammenstehen sah. Es war offensichtlich, dass sie von ihr gesprochen hatten, denn sie verstummten, als sie sich ihnen näherte. Bevor sie es sich anders überlegen konnte, stieß sie ihre Entschuldigung hervor: »Es tut mir leid, Harry, ehrlich, ich hatte überhaupt keinen Grund, dich so anzufahren, und es hatte auch überhaupt nichts mit dir zu tun.«

      Harrys Gesichtsausdruck veränderte sich ein wenig, die beiden anderen sahen Julietta unverändert finster an. So einfach würde sie also nicht davonkommen, und so erklärte sie noch einmal, was sie so hatte ausrasten lassen. »Bitte, entschuldige«, sagte sie am Schluss ihrer atemlos vorgetragenen Verteidigungsrede. »Das nächste Mal, wenn ich wütend werde, mache ich, was Herr Wenger mir geraten hat. Ich halte erst einmal den Mund.«

      Harry grinste, er war sowieso kein Mensch, der einem anderen länger böse sein konnte. Patrick und Kalli machten noch immer ernste Gesichter. »Deine Schwester hat dir doch gar nichts getan«, hielt Patrick Julietta vor. »Es war nett von ihr, dich hier zu besuchen, ich an deiner Stelle hätte mich gefreut.«

      »Hättest du nicht!«, rief Julietta. »Ich habe drei überaus wohl geratene Geschwister, meine Schwester ist schön und elegant und wird mir bei jeder Gelegenheit als Vorbild hingestellt. Ich wollte sie überhaupt nicht sehen, ihr Anblick sorgt nur dafür, dass ich mich gleich wieder mies fühle, verstehst du das nicht?«

      »Doch«, sagte Kalli plötzlich. »Ich habe einen großen Bruder, den alle immer viel toller finden als mich. Wenn der hierher käme, fände ich das auch nicht gut.« Auch er grinste Julietta jetzt an.

      »Aber wehe, du rastest noch mal aus!«, sagte Patrick, und damit war der Fall endgültig erledigt.

      Ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren, gingen sie wieder an ihre Arbeit – und zum ersten Mal, seit sie auf Sternberg angekommen war, summte Julietta dabei leise vor sich hin. Wenn sie Harry begegnete, schenkte er ihr jedes Mal ein breites Lächeln, und das führte dazu, dass sie sich besser fühlte als seit sehr langer Zeit.

      Es war einfach schön auf Sternberg!

      *

      »Salva ist unruhig«, stellte Baron Friedrich fest, als er am nächsten Abend mit dem Stallmeister einen Rundgang durch die Ställe machte, wie er es regelmäßig tat. »Aber eigentlich ist es noch ein

      bisschen früh, oder?«

      »Eigentlich schon, ja«, gab Robert Wenger zu, »aber ihr Verhalten lässt darauf schließen, dass das Fohlen vielleicht früher kommt, als wir dachten. Ich werde heute öfter nach ihr sehen, Herr Baron. Mit Komplikationen ist eigentlich nicht zu rechnen, denke ich.«

      »Sie brauchen Ihren Schlaf, Herr Wenger – ohne Sie bricht hier alles zusammen. Teilen Sie einen der Pfleger zum Nachtdienst ein.« Friedrich stockte, bevor er weitersprach. »Julietta zum Beispiel.«

      »Ja, daran habe ich auch schon gedacht. Sie macht das übrigens gut mit Silberstern, aber die anderen Pfleger hat er noch immer nicht gern in seiner Nähe, da müssen wir wohl Geduld haben.«

      »Was war das übrigens für eine Auseinandersetzung, als ihre Schwester gestern hier war?«, fragte der Baron beiläufig. Seine Frau hatte ihm von Carolines aufgeregtem Anruf berichtet, aber niemand hatte das Zusammentreffen der beiden Schwestern erwähnt, auch Julietta nicht.

      »Nicht der Rede wert«, entgegnete Robert Wenger.

      »Sie meinen, Sie wollen es mir nicht erzählen?«, bohrte Friedrich nach.

      Das Lächeln des Stallmeisters geriet ein wenig schief. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie nicht darauf bestehen würden, Herr Baron. Die Sache ist geklärt und abgehakt.«

      »Gut,