Christoph Wagner-Trenkwitz

Sie kannten Richard Strauss


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ich küsse Ihrer verehrten Mama die Hand und bitte alle, Geduld mit mir zu haben.

      Leben Sie wohl und werden Sie so glücklich, als Sie es verdienen. Ihre aufrichtige

      Pauline de Ahna

      Vier Monate nach der offiziellen Verlobung am Uraufführungstag des »Guntram« (10. Mai 1894) folgte die Eheschließung am 10. September in Marquartstein, wo die de Ahnas ein Sommerhaus besaßen.

      Mutter Strauss begrüßte die Verbindung. Am 11. Juni 1894 hatte sie an ihren Sohn zu seinem Geburtstag geschrieben:

      Ich kann Dir nicht sagen, lieber Richard, wie sehr ich mich über Deine Verlobung mit der uns so lieb gewordenen Pauline gefreut habe, wie sehr sie mir beim Wiedersehn gefallen hat. Ich mußte sie immer wieder ansehen und bin überzeugt, daß Du recht glücklich mit ihr wirst. Es wird Dir dann auch alle Unannehmlichkeiten in Deiner neuen Stellung in München erträglicher machen, da sie Dich durch ihr heiteres, kluges Wesen stets aufheitern wird und so liebevoll für Dich zu sorgen weiß.

      Grüße die liebe Pauline und die ganze Familie de Ahna recht herzlich von mir.

      Deine treue Mutter

      Doch schon bald nach der Heirat traten auch mit Strauss’ Eltern Spannungen auf, für die sich der junge Ehemann wiederholt rechtfertigen musste:

      Ich wäre glücklich, wenn meine fortdauernden Bemühungen, zwischen meiner Frau und meiner Familie ein gutes Einvernehmen zu erzielen, nicht von so geringem Erfolg gekrönt sind. Wenn ich Euch versichere, daß sie das redliche Bemühen hat, ihre kleinen, zum Teil recht harmlosen Fehler (die sie selber und ich am besten kennen) zu verbessern, daß ein elender erlogener Altweiberklatsch (wie der, auf Grund dessen ihr heute morgen so schlimme Vorwürfe gegen Pauline erhobt) genügt, um von vorneherein liebevolle Nach- und Einsicht für Pauline’s unüberlegte, heftige, zu burschikose, aber im Grunde seelengute kindlich-naive Art zu zerstören, frage ich mich, ob es nicht besser wäre, den Verkehr zwischen Euch und Pauline ganz aufzuheben. [...]

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       8 Die Hochzeit am 10. September 1894 in Marquartstein

      Sie hegt für Euch im Grunde ihres eifersüchtigen Herzens aufrichtige Liebe und Verehrung. Ich kann nicht immer den leider erfolglosen Erklärer der verschiedenen Eigenschaften meiner Frau machen, die ich nach sehr reiflicher Überlegung zu der meinigen erkoren habe und sie trotz ihrer Fehler liebe und verehre [...]

      Der Ton zwischen den Eheleuten zeugt auch zumeist von gegenseitiger Liebe, Verehrung und von einer gesunden Portion Humor, wie die folgenden Briefstellen zeigen.

      Berlin, den 16. März 1895

      Meine süße allerliebste Frau!

      Zeller hat heute auf der Probe prächtig gesungen und mir große Freude bereitet, er hat die Sache jetzt gut verdaut und besonders die Fürstenerzählung, die in Weimar stets etwas verunglückt, famos zur Geltung gebracht. Das Orchester klingt grandios und wenn das Volk nicht gar zu dumm ist, müßten sie, wie ich, schon merken, daß der »Guntram« verdient, an den heutigen Theatern, nicht aufgeführt zu werden. Da dieselben nur mehr Schund bringen. Ha – Schund bringt – Tantiemen!

      [...]

      Wie geht es Dir, süße, liebe Pauline? Hoffentlich so gut wie mir, übrigens Zeller läßt Dich besonders herzlich grüßen. Hast Du mich lieb? Freust Du Dich auch so auf meine Rückkehr nach München wie ich? Sei fleißig, Häschen, sing schön, schmiere dein Kehlchen, damit ich mit Dir üben kann.

      Im übrigen Grüße und 10000 Küsse Deines sonst nur gegen Dich sehr sterblich verliebten

      R

      Mit einem Zitat aus Engelbert Humperdincks Oper »Hänsel und Gretel«, die Richard und Pauline 1893 gemeinsam in Weimar zur Uraufführung gebracht hatten, beginnt der folgende Brief der lebens- und auch kauffrohen jungen Ehefrau.

      München, Donnerstag 12. März 96

      Mein liebstes gutes Schätzchen,

      Ich bring Dir was für’s Kröpfelchen, doch besser noch fürs Köpfelchen von einem klugen Hänselchen! D.h. ich schreibe Dir schon wieder und gebe Dir geistiges Manna!!!! Eine kurze Sing-Pause benütze ich, um Dir zu sagen, daß ich sehr beruhigt bin Dich wohlauf und in Rußland nicht zu kalt zu wissen. Ich bin fleißig, hüben und drüben, leider auch in den Läden, indem ich bei Bernheimers Ausverkauf von echten Teppichen 2 mittelgroße und 1 kleinen erstand, summa circa 70 M! Aber wir bedürfen derselben und kommt einer in Dein und einer in mein Zimmer und der kleine unter meinen Schreibtisch.

      Es folgen weitere Schilderungen von Einkäufen sowie einer am Tag zuvor gesehenen Aufführung von »Robert der Teufel«. Pauline schließt mit dem Bericht über Korrespondenz-Tätigkeiten, die sie im Laufe der Zeit immer widerstrebender übernahm. Zuvor eine Mahnung an den Gatten, der es nicht liebte, in großer Runde frei zu sprechen:

      Hoffentlich hast Du Riesenerfolg, halte ja flotte Ansprachen, auch bei der Verabschiedung und verkälte Dich nicht, gutes Männchen! Klughardt aus Dessau meldete Dir heute brieflich von den großen Erfolgen des Eulenspiegels in Dessau; ich werde in Deinem Namen danken. Motti schrieb soeben kurz, daß er sich riesig auf Eulenspiegel am 21. in Karlsruhe freue und bittet Dich, ihm die Partitur zu leihen, ich schreibe diesbezüglich an Ritter. Na, bin ich nicht eine geschickte Korrespondentin?

      Für heute Kuß und eine ganz zärtliche Umarmung! Heut hat Dein getreues Weiberl im Traum sehr an Dich gedacht, komm bald zu mir zurück!

      P

      Richard antwortet mit einer sehr plastischen Schilderung seiner Ankunft in Moskau, das zu jener Zeit zwar nicht Hauptstadt, aber ein kulturelles Zentrum des Zarenreiches war.

      Moskau, 18. März 1896

      Mein liebstes Pauxerl!

      Da bin ich nun glücklich! Die Reise war sehr angenehm, an der Grenze nachts ½ 2 Uhr ging’s glatt, der russische Schlafwagen von Warschau ab höchst komfortabel und warm mit Doppelfenster, kein Kohlenstaub, da alles mit Holz geheizt, ein sehr gemütlicher Restaurationswagen im Zuge, vortreffliche Küche, die Gegend in ihrer totalen Einförmigkeit, Wälder und Ebenen, Felder und Wälder, gestern schneefrei, heute von Smolensk an dick weiß, gestern –1 Grad, heute –6 Grad Reaumur, die Dörfer, die man ab und zu sieht, nehmen sich wie Haufen verschneiter Heuschuppen aus – also die Gegend ungemein beruhigend, ich vertrieb mir mit Essen, Schlafen, Lesen und Komponieren prächtig die Zeit und bin also ganz frisch und munter um 7 Uhr hier im heiligen Moskau eingebummelt, von meinem Freunde, dem Klavierlehrer Pohl, überraschenderweise am Bahnhof empfangen, sofort in einen offenen Schlitten verpackt und nach dem stattlichen Hotel verladen worden. Droschken gibt’s nicht. Alles, auch dekolletierte Damen ins Konzert, fährt im offenen Schlitten, ohne Glocken, ohne Laternen, ein tolles Treiben, die einspännigen Schlitten sind nicht höher wie unsere Rennschlitten, alle Augenblicke stößt einem ein Pferd’skopf in den Hals.

      Moskau macht mit seinen Riesenstrassen und einstöckigen Häusern einen höchst originellen Eindruck. Nachdem wir gegessen (großartigen Kaviar mit Schnaps), bummelten wir noch nach dem Kreml, der allerdings, soweit ich bei Nacht sehen konnte, etwas ganz enorm Großartiges zu sein scheint. Diese tollen Kirchen, eine an der anderen, vor der Kaserne sämtliche 1812 erbeuteten (resp. im Schnee gefundenen) Kanonen, die große zerbrochene herabgefallene Glocke im Hof, die prachtvolle Aussicht auf den Fluß tief unten, der Richtplatz Iwans des Grausamen, das alles hat Kolorit und scheint mir gut instrumentiert zu sein.

      Morgen 10 Uhr erste Probe, die Konzerte beginnen hier abends um 9 Uhr. Ach, ich werde Dir recht schön erzählen können! Das nächste Mal hoffe ich, Dich mitnehmen zu können! Wie gesagt, ich befinde mich pudelwohl, soweit es ohne Dich, mein liebstes Schätzchen, überhaupt möglich ist, habe ja keine Sorgen um mich, im offenen Schlitten bin ich sehr vorsichtig und sonst ist alles in schönster Ordnung! Mitternacht läuten die schön gestimmten Glocken!

      Adieu! Möge es auch Dir recht gut gehen!

      Tausend Grüße und Küsse Dein R

      Im