nach dem griechischen Geschichtsschreiber Diodorus, gen. Siculus (1. Jh. v. Chr.), fand Alexander der Große (um 356-323 v. Chr.) den Tod, als er nach einem Gastmahl einen gewaltigen Kelch Wein mit einem Zuge leerte <<<
49 Sardanapal (um 650 v. Chr.): letzter assyrischer König, galt unter den Griechen als Urbild des Schwelgers <<<
50 Eusèbe Salverte, Pierre-Joseph-Eusèbe Baconnière de Salverte (1771-1839): französischer Philosoph und Politiker, verfaßte einen ›Historischen und Philosophischen Essay über die Namen von Männern, Völkern und Orten‹ (1823) <<<
51 Greuze, Jean-Baptiste (1725-1805): französischer Maler vor allem idyllischer Familienszenen <<<
52 Châtelet: Festung in Paris, Sitz des Kriminalgerichts <<<
Der Todeskampf
In den ersten Dezembertagen schritt ein siebzigjähriger Greis ungeachtet des Regens durch die Rue de Varennes, schaute an jedem Gebäude empor und suchte mit der Naivität eines Kindes und der gedankenversunkenen Miene eines Philosophen die Wohnung des Marquis de Valentin. Aus diesem Gesicht, das von langen wirren Haaren umrahmt und eingedorrt war wie ein altes Pergament, das sich im Feuer krümmt, sprach bitterer Kummer im Kampf mit einem despotischen Charakter. Wäre ein Maler diesem seltsamen, klapperdürren alten Mann in seinem schwarzen Anzug begegnet, hätte er ihn, ins Atelier zurückgekehrt, wahrscheinlich sofort in seinem Skizzenbuch verewigt und darunter geschrieben: »Klassischer Poet auf der Suche nach einem Reim.« Nachdem dieser leibhaftig wiedererstandene Rollin1 die Nummer gefunden hatte, die ihm angegeben worden war, klopfte er behutsam an das Tor eines prächtigen Gebäudes.
»Ist Monsieur Raphael zu Hause?« fragte der wackere Alte einen Schweizer in Livree.
»Monsieur le Marquis empfängt niemanden«, erwiderte der Diener und verschlang dabei eine riesige Brotscheibe, die er in eine große Kaffeetasse getunkt hatte.
»Sein Wagen steht dort«, sagte der unbekannte Alte und wies auf eine glänzende Equipage, die unter einem hölzernen Vordach in Form eines Zeltes stand, das zugleich die Stufen der Freitreppe vor dem Regen schützte. »Er wird bald ausfahren, ich werde warten.«
»Ja, Alterchen, da können Sie bis morgen früh hier warten«, versetzte der Schweizer. »Es steht immer ein Wagen für Monsieur bereit. Bitte, gehen Sie; ich würde 600 Francs Leibrente verlieren, wenn ich nur einmal unerlaubt einen fremden Menschen eintreten ließe.«
In diesem Augenblick trat ein hochgewachsener Greis, dessen Tracht der eines Türhüters in einem Ministerium glich, aus dem Vestibül und stieg rasch ein paar Stufen herab, wobei er den verblüfft dastehenden bejahrten Bittsteller prüfend musterte.
»Da kommt übrigens Monsieur Jonathas«, sagte der Schweizer, »sprechen Sie mit ihm.«
Die beiden alten Männer, die sich durch Sympathie oder durch gegenseitige Neugier zueinander hingezogen fühlten, trafen in der Mitte des weiten Innenhofes zusammen an einem Rondell, wo zwischen den Pflastersteinen ein paar Grasbüschel wuchsen. Schreckliche Stille herrschte in diesem Palast. Wer Jonathas sah, war versucht, das Geheimnis zu lüften, das seine Züge beschattete und von dem jede Kleinigkeit in diesem düsteren Hause zeugte. Als er die riesige Erbschaft seines Oheims angetreten hatte, war es Raphaels erste Sorge gewesen, herauszufinden, wo der alte ergebene Diener lebte, auf dessen Anhänglichkeit er sich verlassen konnte. Jonathas weinte vor Freude, als er seinen jungen Herrn wiedersah, dem er für ewig Lebewohl gesagt zu haben glaubte; aber nichts kam seinem Glück gleich, als der Marquis ihm die wichtigen Aufgaben eines Verwalters übertrug. Der alte Jonathas wurde eine Zwischeninstanz zwischen Raphael und der Welt. Oberster Vermögensverwalter seines Herrn, blinder Vollstrecker eines unbekannten Willens, war er gleichsam ein sechster Sinn, durch den allein die Wellen des Lebens zu Raphael gelangten.
»Monsieur«, sagte der Alte zu Jonathas und stieg ein paar Stufen der Freitreppe hinauf, um sich vor dem Regen zu schützen, »ich möchte Monsieur Raphael sprechen.«
»Monsieur le Marquis sprechen?« rief der Verwalter; »kaum daß er ein Wort zu mir sagt, und ich bin doch sein Pflegevater!«
»Aber auch ich bin sein Pflegevater!« rief der alte Mann; »wenn Ihre Frau ihn einst säugte, so war ich es, der ihn den Musen an die Brust legte. Er ist mein Pflegling, mein Kind, mein carus alumnus!2 Ich habe seinen Verstand geformt, sein Urteilsvermögen entwickelt, seinen Geist geschärft, und, wie ich zu behaupten wage, mir zur Ehre und zum Ruhm. Ist er nicht einer der bedeutendsten Männer unserer Zeit? Bei mir war er in der Sexta, in der Tertia und in der Klasse für Rhetorik. Ich bin sein Lehrer.«
»Ah! Sie sind Monsieur Porriquet?«
»Richtig. Aber Monsieur …«
»Pst! pst!« fuhr Jonathas zwei Küchenjungen an, deren Stimmen das klösterliche Schweigen brachen, das über dem Hause ruhte.
»Aber, Monsieur«, begann der Lehrer von neuem, »der Marquis ist doch hoffentlich nicht krank?«
»Oh, Monsieur«, erwiderte Jonathas, »Gott allein weiß, wie es um meinen Herrn steht. Sehen Sie, es gibt in Paris kein zweites Haus wie das unsere. Verstehen Sie? Kein zweites. Monsieur le Marquis hat diesen Palast, der vormals einem Herzog und Pair gehört hat, kaufen lassen. Er hat es für 300 000 Francs ausstatten lassen. Nicht wahr, das ist doch ein Sümmchen: 300 000 Francs! Aber dafür ist auch jedes Zimmer unseres Hauses ein wahres Wunder. ›Schön!‹ sag ich mir also, wie ich diese Herrlichkeit sehe, ›das ist ganz so wie beim seligen Monsieur, seinem Großvater: der junge Marquis will die Stadt und den Hof empfangen.‹ Nichts damit. Monsieur wollte keine Menschenseele sehen. Er führt ein komisches Leben, Monsieur Porriquet, wissen Sie? Ein unverträgliches Leben. Monsieur steht jeden Tag zur selben Stunde auf. Ich allein, und weiter niemand, sehen Sie, darf in sein Zimmer. Ich öffne um sieben Uhr die Tür, im Sommer wie im Winter. Das ist ein für allemal festgelegt. Nach dem Eintreten sage ich: Monsieur le Marquis, Sie müssen aufwachen und sich ankleiden. Schön, er wacht auf und kleidet sich an. Ich muß ihm seinen Hausrock geben, der immer nach