der Spott der verfolgten politischen Ansichten verstecken konnte. Gestützt auf die Presse, hatte Gaudissart schon in den ersten Städten, wo er sein Mundwerk losließ, einen glänzenden Erfolg. Alle Ladenhändler wollten eingerahmte Ankündigungen mit dem Bilde von Hero und Leander haben. Finot hatte über das Macassaröl eine reizende Parodie verfaßt, die in den Funambules große Heiterkeit erregte, wenn Pierrot einen alten Haarbesen nimmt, der nur noch Löcher hat, Macassaröl darauf gießt und ihn dann dicht belaubt wie einen Wald vorzeigt. Diese Ironie erregte allgemeines Gelächter. Finot erzählte später mit Vergnügen, daß er damals ohne die tausend Taler vor Elend und Kummer gestorben wäre. Die tausend Taler bedeuteten für ihn ein Vermögen. Bei diesem Feldzug ahnte er als erster die Macht der Anzeige, von der er einen so großen und so geschickten Gebrauch machte. Drei Monate später war er Chefredakteur einer kleinen Zeitung, die er schließlich ankaufte und die der Grundstein seines Vermögens wurde. Ebenso wie die volle Ladung, die der berühmte Gaudissart, der Murat der Reisenden, auf die Departements und die Grenzgebiete abgeschossen hatte, dem Hause A. Popinot kaufmännisch zum Siege verhalf, so siegte es auch in der öffentlichen Meinung durch die starke Beteiligung der Zeitungen, die das allgemeine Bekanntwerden der Brasilianischen Mixtur und der Paste Regnauld veranlaßt hatte. Beim ersten Auftreten ließ diese im Sturm erfolgte Eroberung der öffentlichen Meinung dreifachen Erfolg und dreifaches Vermögen erzielen und machte den Weg frei für den Zustrom von tausendfachen nach Erfolg ringenden Ansprüchen, die seitdem in geschlossenen Bataillonen in die Arena des Zeitungswesens hinabgestiegen sind, wo sie mit der bezahlten Anzeige eine ungeheure Revolution hervorgerufen haben! In diesem Augenblick machte sich die Firma A. Popinot & Co. an allen Mauern und in allen Schaufenstern breit. Außerstande, die Wichtigkeit einer solchen Publizität richtig einzuschätzen, begnügte sich Birotteau damit, zu Cäsarine zu sagen: »Der kleine Popinot tritt in meine Fußtapfen!«, ohne den Unterschied der Zeiten zu begreifen und ohne die Bedeutung des neuen Verfahrens zu würdigen, dessen rapide Ausbreitung viel schneller als in früheren Zeiten die Handelswelt eroberte. Seit dem Balle hatte Birotteau noch keinen Fuß in seine Fabrik gesetzt: er hatte daher keine Ahnung, welchen Eifer und welche Tätigkeit Popinot hier entwickelte. Anselm hatte sämtliche Arbeiter Birotteaus mit Beschlag belegt und brachte selbst die Nacht hier zu; auf allen Kisten, allen Paketen, allen Rechnungen sah er Cäsarines Bild; »sie wird mein Weib werden!« sagte er zu sich, wenn er ohne Rock, mit aufgekrempelten Hemdsärmeln, entschlossen die Kisten selbst zunagelte, weil seine Kommis Besorgungen machen mußten.
Nachdem er die ganze Nacht alles überlegt hatte, was er einem großen Manne der Hochfinanz sagen und nicht sagen solle, ging Cäsar am nächsten Tage nach der Rue du Houssaye und betrat, nicht ohne schauderhaftes Herzklopfen, das Haus des liberalen Bankiers, der zu der Partei gehörte, die mit vollem Recht beschuldigt wurde, die Bourbonen vertreiben zu wollen. Der Parfümhändler war, wie alle Pariser Kleinhändler, mit den Gewohnheiten und den Persönlichkeiten der großen Bankwelt nicht vertraut. Zwischen der Hochfinanz und dem Handel stehen in Paris Firmen zweiten Ranges, die der Bankwelt als Vermittler von Nutzen sind und die ihr noch eine Garantie mehr bieten. Konstanze und Birotteau, die sich niemals über ihre Mittel hinaus engagiert hatten, deren Kasse niemals leer gewesen war und die die Wechsel im Portefeuille behalten hatten, waren mit diesen Häusern zweiten Ranges nie in Verbindung getreten; um so weniger waren ihnen die Regionen der Hochfinanz bekannt. Es ist vielleicht falsch, sich keinen Kredit zu schaffen, auch wenn man ihn nicht nötig hat: die Ansichten über diesen Punkt sind geteilt. Wie dem auch sein mag, Birotteau bedauerte jetzt sehr, daß er seine Unterschrift niemals in Umlauf gesetzt hatte. Da er aber als Beigeordneter und als Politiker kein unbekannter Mann war, so glaubte er, sich nur nennen zu brauchen, um empfangen zu werden; er hatte keine Ahnung von dem wie im königlichen Vorzimmer erfolgenden Zustrom zu den Audienzen des Bankiers. Als er in den Salon vor dem Arbeitszimmer des in so vielen Beziehungen berühmten Mannes geführt worden war, sah sich Birotteau inmitten einer zahlreichen Gesellschaft von Deputierten, Schriftstellern, Journalisten, Börsenmaklern, großen Kaufleuten, Geschäftsleuten, Ingenieuren und vor allem von Vertrauten, die durch die Gruppen hindurchgingen und mit einem besonderen Zeichen an die Tür des Arbeitszimmers anklopften, wo sie dann außer der Reihe eingelassen wurden. »Was bedeute ich inmitten dieser großen Maschinerie?« sagte sich Birotteau, ganz verwirrt von dem Getriebe dieser geistigen Schmiedewerkstatt, aus der sich die Opposition mit ihrem täglichen Brot versorgte und wo die Theaterproben der großen Tragikomödie abgehalten wurden, die die Linke spielte. Zu seiner Rechten hörte er die Frage der Anleihe für die Fertigstellung der wichtigsten Kanäle, die die Wegebauverwaltung projektiert hatte, diskutieren, und es handelte sich hierbei um Millionen! Zu seiner Linken unterhielten sich Journalisten, die als Stellungsjäger der Eigenliebe des Bankiers schmeichelten, über die gestrige Sitzung und die improvisierte Rede ihres Beschützers. Während der zwei Stunden, die er schon wartete, bekam Birotteau den Bankier und Politiker dreimal zu Gesicht, als er namhafte Persönlichkeiten bis drei Schritte vor seine Tür begleitete. Mit dem letzten, dem General Foy, ging Franz Keller bis ins Vorzimmer.
»Ich bin verloren!« sagte Birotteau, dem sich das Herz zusammenkrampfte, zu sich.
Als der Bankier nach seinem Arbeitszimmer zurückging, stürzte sich die Meute von Höflingen, Freunden und Interessenten auf ihn, wie Hunde, die hinter einer hübschen Hündin her sind. Einige freche Köter drängten sich gegen seinen Willen in das Allerheiligste. Die Konferenzen dauerten fünf Minuten, zehn Minuten, eine Viertelstunde. Die einen gingen zerknirscht weg, die andern trugen ein zufriedenes Aussehen zur Schau oder nahmen eine wichtige Miene an. Die Zeit verfloß, und Birotteau sah angstvoll auf die Uhr. Kein Mensch beachtete diesen Schmerz, der auf dem vergoldeten Sessel am Kaminwinkel seufzte, an der Tür dieses Zimmers, in dem das Allheilmittel sich befand, der Kredit! Mit Kummer dachte Cäsar daran, wie auch er zu Hause einen Augenblick ein König gewesen war, so wie dieser Mann alle Morgen ein König war, und er ermaß die Tiefe des Abgrunds, in den er gestürzt war. Ein bitterer Gedanke! Wieviel Tränen waren in dieser Stunde hier verschluckt worden! … Wievielmal hatte Birotteau Gott angefleht, ihm diesen Mann günstig zu stimmen, bei dem er unter der starken Hülle populär sein wollender Liebenswürdigkeit eine Rücksichtslosigkeit, eine tyrannische Schärfe und eine brutale