Honore de Balzac

Honoré de Balzac – Gesammelte Werke


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ver­pflich­tet, den Kauf vor dem No­tar per­fekt zu ma­chen. Nun, was den Kauf­preis an­langt, so kön­nen wir uns un­ter uns dar­über ver­stän­di­gen; aber mit dem Fis­kus? Ge­hor­sa­mer Die­ner! Der Fis­kus macht kei­ne über­flüs­si­gen Wor­te, er gibt nur Kre­dit mit der Hand in uns­rer Ta­sche, und wir müs­sen die­se Wo­che vierund­vier­zig­tau­send Fran­ken Steu­ern für ihn aus­spu­cken. Ich war weit ent­fernt da­von, zu ver­mu­ten, daß Sie mir hier noch Vor­wür­fe ma­chen wür­den, denn da ich an­nahm, daß die­se fünf­und­zwan­zig­tau­send Fran­ken Sie ge­nie­ren könn­ten, woll­te ich Ih­nen mit­tei­len, daß ich Ih­nen durch den sel­tens­ten Zu­fall ge­ret­tet habe …«

      »Was?« sag­te Bi­rot­teau und stieß einen Seuf­zer des Jam­mers aus, über den sich kein Mensch täu­schen konn­te.

      »Oh, eine Lap­pa­lie! Die fünf­und­zwan­zig­tau­send Fran­ken ver­schie­de­ner klei­ner Wech­sel auf ver­schie­de­ne Leu­te, die mir Ro­guin zum Un­ter­brin­gen ge­ge­ben hat; ich habe Ih­nen einen Teil da­von für die Ein­tra­gung und die Kos­ten gut­ge­schrie­ben und wer­de Ih­nen die Abrech­nung dar­über schi­cken; wenn die­ses klei­ne Ge­schäft er­le­digt ist, wer­den Sie mir noch sechs- bis sie­ben­tau­send Fran­ken schul­den.«

      »Al­les das er­scheint mir voll­kom­men in Ord­nung«, sag­te Le­bas. »Ich wür­de an des Her­ren Stel­le, der sich mir sehr gut auf die Ge­schäf­te zu ver­ste­hen scheint, ge­gen­über ei­nem Frem­den eben­so han­deln.«

      »Herrn Bi­rot­teau wird das nicht den Hals kos­ten,« sag­te Cla­paron, »um ei­nem al­ten Wolf den Garaus zu ma­chen, ist mehr als ein Hieb nö­tig; ich habe alte Wöl­fe mit Ku­geln im Kop­fe wei­ter lau­fen se­hen, wie … nun, eben wie Wöl­fe.«

      »Wer hät­te eine der­ar­ti­ge Schänd­lich­keit bei Ro­guin ah­nen kön­nen?« sag­te Le­bas, der über Cäsars Schweig­sam­keit eben­so er­schreckt war wie über eine so enor­me Spe­ku­la­ti­on, die dem Par­füm­ge­schäft ganz fern lag.

      »Es hat nicht viel ge­fehlt und ich hät­te Herrn Bi­rot­teau eine Quit­tung über die vier­hun­dert­tau­send Fran­ken aus­ge­stellt,« sag­te Cla­paron, »dann war ich ›der Ge­lack­te‹. Am Abend vor­her hat­te ich Ro­guin hun­dert­tau­send Fran­ken über­ge­ben. Daß wir uns ge­gen­sei­tig Ver­trau­en ge­schenkt ha­ben, das hat mich ge­ret­tet. Denn ob das Geld bis zum Tage des de­fi­ni­ti­ven Ver­trags­ab­schlus­ses beim No­tar oder bei mir lag, das schi­en uns al­len gleich­gül­tig zu sein.«

      »Es wäre rich­ti­ger ge­we­sen, wenn je­der sein Geld auf der Bank bis zum Zahl­ta­ge de­po­niert hät­te«, sag­te Le­bas.

      »Für mich war Ro­guin die Bank«, sag­te Cäsar. »Aber er ist doch auch bei dem Ter­rain­ge­schäft be­tei­ligt«, fuhr er fort und sah Cla­paron an.

      »Ja­wohl, mit ei­nem Vier­tel und nur mit münd­li­cher Ver­pflich­tung. Nach der Dumm­heit, daß ich ihn mein Geld habe un­ter­schla­gen las­sen, wäre es eine noch viel saf­ti­ge­re ge­we­sen, ihm noch wel­ches dazu zu ge­ben. Wenn er mir mei­ne hun­dert­tau­send Fran­ken wie­der­schickt und noch wei­te­re zwei­hun­dert­tau­send für sei­nen An­teil, dann läßt sich dar­über re­den. Aber er wird sich schwer hü­ten, Geld in ein Ge­schäft zu ste­cken, das fünf Jah­re im Top­fe ko­chen muß, bis es den ers­ten Tel­ler Sup­pe er­gibt. Wenn er, wie es heißt, nur drei­hun­dert­tau­send Fran­ken mit­ge­nom­men hat, wird er sei­ne fünf­zehn­tau­send Fran­ken al­lein brau­chen, wenn er im Aus­lan­de an­stän­dig le­ben will.«

      »Die­ser Ban­dit!«

      »Ach, lie­ber Gott, es war eine Lei­den­schaft, die Ro­guin dazu ge­bracht hat«, sag­te Cla­paron. »Wel­cher Alte kann da­für ein­ste­hen, daß er sich nicht von ei­ner letz­ten Lei­den­schaft be­herr­schen und fort­rei­ßen läßt? Kei­ner von uns, die wir doch ver­stän­di­ge Leu­te sind, weiß, wie es schließ­lich mit ihm ste­hen wird. Und solch eine letz­te Lie­be, oh, das ist die schlimms­te! Den­ken Sie an Leu­te wie Car­dot, Ca­mu­sat, Ma­ti­fat! … Alle ha­ben sie Mätres­sen! Und wenn wir übers Ohr ge­hau­en wor­den sind, ist das nicht un­se­re Schuld? Wa­rum sind wir nicht miß­trau­isch ge­wor­den ei­nem No­tar ge­gen­über, der sich an ei­ner Spe­ku­la­ti­on be­tei­ligt? Je­der No­tar, je­der Wech­se­l­agent, je­der Kurs­mak­ler, der ei­ge­ne Ge­schäf­te macht, ist ver­däch­tig. Ge­ra­ten sie in Kon­kurs, so gilt das als be­trü­ge­ri­scher Bank­rott, sie kom­men vor die Ge­schwo­re­nen, und da zie­hen sie es na­tür­lich vor, ins Aus­land zu kom­men. Ich wer­de nicht zum zwei­ten­mal solch einen Bock schie­ßen. Schließ­lich sind wir alle schwach ge­nug, um nicht in con­tu­ma­ciam Leu­te ver­ur­tei­len zu las­sen, bei de­nen wir di­niert ha­ben, die uns zu großen Bäl­len ein­ge­la­den ha­ben, mit ei­nem Wor­te: Leu­te der gu­ten Ge­sell­schaft! Nie­mand will die Kla­ge an­stren­gen, und das ist un­recht.«

      »Sehr un­recht,« sag­te Bi­rot­teau, »das Ge­setz über die Kon­kurs­schuld­ner und über die Zah­lungs­un­fä­hig­keit muß ab­ge­än­dert wer­den.«

      »Wenn Sie mei­ner be­dür­fen,« sag­te Le­bas zu Bi­rot­teau, »ich ste­he ganz zu Ih­rer Ver­fü­gung.«

      »Herr Bi­rot­teau be­darf nie­man­des«, sag­te der un­er­müd­li­che Schwät­zer, bei dem du Til­let die Schleu­sen auf­ge­zo­gen hat­te, nach­dem er ihn vor­her mit Was­ser ge­füllt hat­te. (Cla­paron wie­der­hol­te die Lek­ti­on, die ihm von du Til­let sehr ge­schickt vor­ge­be­tet wor­den war.) »Sei­ne Sa­che liegt ganz klar: Ro­gu­ins Kon­kurs wird fünf­zig Pro­zent Di­vi­den­de er­ge­ben, nach dem was mir der klei­ne Crot­tat ge­sagt hat. Au­ßer der Di­vi­den­de kann Herr Bi­rot­teau noch die vier­zig­tau­send Fran­ken wie­der­be­kom­men, die der Geld­ge­ber da­mals nicht flüs­sig hat­te; dann kann er noch auf sei­nem Grund­be­sitz Hy­po­the­ken auf­neh­men. Un­sern Ver­käu­fern müs­sen wir erst in vier Mo­na­ten zwei­hun­dert­tau­send Fran­ken zah­len. Bis da­hin wird Herr Bi­rot­teau sei­ne Wech­sel ein­ge­löst ha­ben, denn mit dem, was Ro­guin emp­fan­gen hat, um sie ein­zu­lö­sen, kann er na­tür­lich nicht rech­nen. Und selbst wenn Herr Bi­rot­teau et­was in die Enge ge­trie­ben wür­de, nun, mit ei­ni­gen in Um­lauf ge­setz­ten Wech­seln wird er schon durch­kom­men.«

      2

      Als er Cla­paron sei­ne An­ge­le­gen­hei­ten in die­ser Wei­se aus­ein­an­der­set­zen und sich so­zu­sa­gen eine Marsch­rou­te vor­schrei­ben hör­te, faß­te der Par­füm­händ­ler wie­der Mut. Sei­ne Hal­tung wur­de si­cher und be­stimmt und er be­kam einen großen Be­griff von den Fä­hig­kei­ten des ehe­ma­li­gen Rei­sen­den. Du Til­let hat­te es für rich­tig ge­hal­ten, sich von Cla­paron als Ro­gu­ins Op­fer hin­stel­len zu las­sen. Er hat­te die hun­dert­tau­send Fran­ken Cla­paron zu­ge­stellt, da­mit die­ser sie Ro­guin über­ge­be, der sie ihm dann wie­der zu­rück­ge­zahlt hat­te. Der be­un­ru­hig­te Cla­paron spiel­te sei­ne Rol­le durch­aus na­tür­lich und er­zähl­te je­dem, der es hö­ren woll­te, daß Ro­guin ihn hun­dert­tau­send Fran­ken kos­te. Du Til­let hat­te Cla­paron nicht für fest ge­nug ge­hal­ten, er kon­sta­tier­te bei ihm noch zu viel Ehr- und An­stands­ge­fühl, als daß er ihn in sei­ne Plä­ne in vol­lem Um­fang ein­ge­weiht hät­te, und er wuß­te au­ßer­dem, daß er un­fä­hig war, ihn zu durch­schau­en.

      »Wenn wir nicht den Mut ha­ben, un­sern bes­ten Freund hin­ein­zu­le­gen, wer wird sich dann noch von uns an der Nase her­um­füh­ren las­sen?« hat­te