weil wir am Jahresschlusse stehen,« sagte er leise zu Cäsar, »aber ich brauche jetzt kein Geld.«
»Aber was ist dir denn, Cäsar?« sagte Pillerault, als er die Überraschung seines Neffen bemerkte, der, verblüfft über den Betrag der Rechnung, weder Ragon noch Lourdois antwortete.
»Ach, eine Lappalie! Ich habe für fünftausend Franken Wechsel für meinen Nachbarn, den Schirmhändler, akzeptiert, der bankrott ist. Wenn er mir faule Wechsel gegeben hat, werde ich wie ein dummer Junge hineingefallen sein.«
»Ich habe es Ihnen schon immer gesagt,« rief Ragon aus: »wer am Ertrinken ist, der klammert sich noch an die Beine des eigenen Vaters an, um sich zu retten, und geht dann mit ihm zusammen unter. Ich habe schon so viele Fallissements mit angesehen! Wenn das Unglück anfängt, dann haben sie ja nicht geradezu die Absicht, betrügerisch zu handeln, nachher aber zwingt sie die Not dazu.«
»Das ist richtig«, sagte Pillerault.
»Ach, wenn ich jemals Deputierter werden sollte, oder wenn ich irgendwie Einfluß bei der Regierung hätte …«, sagte Birotteau, erhob sich auf den Fußspitzen und ließ sich wieder auf die Hacken zurückfallen.
»Was würden Sie denn dann tun?« fragte Lourdois, »Sie sind ja ein kluger Mann.«
Molineux, den jede Diskussion über eine Rechtsfrage interessierte, blieb weiter im Laden stehen; und da die Aufmerksamkeit anderer ansteckend wirkt, so hörten Pillerault und Ragon, die Cäsars Ansicht schon kannten, ebenso ernst wie die drei Fremden zu.
»Ich würde verlangen,« sagte der Parfümhändler, »daß eine Kammer mit unabsetzbaren Richtern und einem Staatsanwalt über den Schuldigen zu Gericht säße. Nach der Untersuchung, bei der ein Richter selbst die jetzigen Funktionen der Agenten, Syndici und kommissarischen Richter auszuüben hätte, müßte der Kaufmann entweder für einen rehabilitierbaren Konkursschuldner oder für einen Bankrotteur erklärt werden. Im ersten Falle wäre er verpflichtet, alle Schulden zu bezahlen; er wäre nur der Treuhänder seines Vermögens und desjenigen seiner Frau; denn seine Forderungen, seine Erbansprüche, – alles gehört den Gläubigern; er würde für ihre Rechnung und unter Kontrolle handeln und könnte sein Geschäft weiter betreiben, wenn er seiner Unterschrift den Zusatz beifügt: im Konkurs bis zur völligen Tilgung seiner Schulden. Ist er aber Bankrotteur, so muß er, wie es früher war, verurteilt werden, an der Börse zwei Stunden mit einer grünen Mütze auf dem Kopfe am Pranger zu stehen. Sein Vermögen und das seiner Frau und seine Forderungen werden den Gläubigern zugesprochen und er selbst wird des Landes verwiesen.«
»Da würde die Kaufmannschaft etwas mehr gesichert sein,« sagte Lourdois, »und man würde sich die Geschäfte, auf die man sich einläßt, zweimal ansehen.«
»Selbst das geltende Gesetz wird nicht befolgt«, sagte Cäsar erregt. »Von hundert Kaufleuten sind mehr als fünfzig in ihrem Geschäft mit fünfundsiebzig Prozent in Unterbilanz, oder verkaufen ihre Ware fünfundzwanzig Prozent unter dem Einkaufspreise und ruinieren so den Handel.«
»Der Herr hat recht,« sagte Molineux, »das geltende Gesetz ist zu dehnbar. Entweder völlige Hergabe oder Infamerklärung.«
»So wie die Sachen jetzt laufen,« sagte Cäsar, »wird der Kaufmann wahrhaftig nächstens ein Patent auf den Betrug haben. Mit seiner Unterschrift kann er jedermann die Kasse ausleeren.«
»Sie reden recht deutlich, Herr Birotteau«, sagte Lourdois.
»Er hat recht«, sagte der alte Ragon.
»Alle Falliten sind verdächtig«, sagte Cäsar, der sich über den kleinen Verlust ärgerte, der ihm in den Ohren klang wie der erste Ton des Halali dem Hirsche.
In diesem Augenblick brachte der Geschäftsführer die Rechnung von Chevet. Dann kam ein Lehrling von Felix, ein Kellner aus dem Café de Foy und Collinets Klarinettist mit den Rechnungen ihrer Firmen.
»Die bekannte ›Viertelstunde Rabelais‹«, sagte Ragon lächelnd.
»Sie haben wirklich ein schönes Fest gegeben«, sagte Lourdois.
»Ich bin jetzt beschäftigt«, sagte Cäsar zu den Roten, die ihre Rechnungen zurückließen.
»Herr Grindot,« sagte Lourdois, als er sah, wie der Architekt den Wechsel, den Birotteau unterzeichnet hatte, zusammenfaltete, »Sie können meine Rechnung bestätigen und bezahlen lassen; Sie brauchen sie nur durchzusehen, die Preise haben Sie ja in Herrn Birotteaus Auftrag mit mir vereinbart.«
Pillerault sah Lourdois und Grindot an.
»Wenn die Preise zwischen Architekt und Unternehmer abgemacht sind,« sagte er leise zu seinem Neffen, »dann bist du übers Ohr gehauen.«
Grindot entfernte sich, Molineux folgte ihm und sagte mit geheimnisvoller Miene zu ihm:
»Mein Herr, vorhin haben Sie mir wohl zugehört, aber Sie haben mich nicht verstanden: ich wünsche Ihnen einen Regenschirm.«
Grindot erschrak. Je illegaler ein Gewinn ist, um so mehr hängt der Mensch an ihm. Das Menschenherz ist nun einmal so beschaffen. Der Herstellung der Wohnung hatte sich der Künstler mit Liebe angenommen, er hatte all sein Können und seine Zeit darauf verwendet, er hatte sich für zehntausend Franken Mühe gemacht, und nun sollte er der Narr seines Eigennutzes sein; denn die Unternehmer hatten ihn ohne große Mühe auf ihre Seite gebracht. Das durchschlagende Argument und die wohlverstandene Drohung, ihm durch Verleumdung schaden zu wollen, waren weniger wirksam gewesen, als Lourdois’ Bemerkung über die Terrains bei der Madeleine; dabei dachte Birotteau nicht daran, hier auch nur ein einziges Haus bauen zu lassen, er spekulierte nur auf das Steigen der Terrainpreise. Die Architekten und die Unternehmer stehen zueinander in demselben Verhältnis wie die Autoren zu den Schauspielern, einer ist vom andern abhängig. Grindot, von Birotteau beauftragt, den Preis auszubedingen, stellte sich auf die Seite der Leute vom Handwerk gegen die Bourgeois. Deshalb erklärten ihn auch die drei reichen Unternehmer, Lourdois, Chaffaroux und Thorein für »einen guten Kerl, mit dem es ein Vergnügen sei, zu arbeiten«. Grindot beschlich die Ahnung, daß ihre Rechnungen, an denen er einen Gewinnanteil hatte, ebenso wie sein eigenes Honorar, mit Wechseln bezahlt werden würden, und die Worte des kleinen Alten hatten Zweifel über deren Einlösung in ihm aufsteigen lassen. Grindot wollte unerbittlich vorgehen, gegen die Bourgeois sind Künstler am grausamsten.
Gegen Ende Dezember hatte Cäsar Rechnungen