Alexander Crottat, dem designierten Nachfolger Roguins, herrschte, wurde von Frau Birotteau bemerkt; die nur sehr ungern darauf verzichtete, ihre Tochter einmal als Frau eines Pariser Notars zu sehen. Der Onkel Pillerault hatte sich, nachdem er mit dem kleinen Molineux einen Gruß gewechselt hatte, in einem Lehnstuhl neben der Bibliothek niedergelassen; hier sah er den Spielern zu, hörte ihre Gespräche mit an und ging von Zeit zu Zeit an die Tür, um die wogenden Blumenkörbe zu betrachten, die von den Köpfen der Tänzerinnen beim Moulinet gebildet wurden. Seine Haltung war die eines echten Philosophen. Die Männer waren abscheulich, mit Ausnahme du Tillets, der schon die Manieren der guten Gesellschaft hatte, des jungen la Billardière, eines kleinen, noch grünen Elegant, des Herrn Jules Desmarets und der offiziellen Persönlichkeiten. Aber unter all den mehr oder weniger komischen Figuren, die dieser Gesellschaft ihren Charakter gaben, befand sich eine, die zwar ein so verschwommenes Äußeres hatte wie ein republikanisches Hundertsousstück, die aber durch ihre Kleidung interessant war. Man kann sich denken, daß dies der kleine Tyrann des Holländischen Hofs war, geschmückt mit feiner Wäsche, die im Schranke gelb geworden war, der ein ererbtes Spitzenjabot, das von einer Nadel mit bläulicher Kamee gehalten wurde, zur Schau stellte, und eine kurze schwarzseidene Hose trug, die seine dürren Spindelbeine verriet, auf die er die Kühnheit hatte, sich niederzulassen. Cäsar zeigte ihm triumphierend die vier Zimmer, die der Architekt im ersten Stock seines Hauses hergerichtet hatte.
»He, he! Das ist Ihre Sache, Herr Birotteau«, sagte Molineux zu ihm.
»Möbliert wird meine erste Etage aber jetzt tausend Taler wert sein.«
Birotteau antwortete mit einem Scherz, aber er empfand den Ton, mit dem der kleine Alte diese Worte ausgesprochen hatte, wie einen Nadelstich.
»Ich werde bald wieder im Besitze meiner ersten Etage sein, dieser Mensch ruiniert sich ja!« das war der Sinn des Wortes »wert sein«, das Molineux wie einen Tatzenhieb angebracht hatte.
Das blasse Gesicht und die bösen Augen des Hausbesitzers fielen du Tillet auf, dessen Aufmerksamkeit schon vorher durch seine Uhrkette mit einem Pfund verschiedenartiger klimpernder Berlocken und durch den grünen, weißlich schimmernden Frack mit wunderlich geschnittenem Kragen, was dem Alten das Aussehen einer Klapperschlange gab, erregt worden war. Der Bankier begann daher mit dem Wucherer ein Gespräch, um zu erfahren, was ihn so vergnügt stimmte.
»Mein Herr,« sagte Molineux, indem er einen Fuß in das Boudoir setzte, »hier stehe ich auf dem Besitztum des Herrn Grafen von Grandville; aber hier«, fuhr er fort und zeigte auf den andern, »bin ich auf dem meinigen; ich bin nämlich der Eigentümer dieses Hauses.«
Molineux zeigte sich so entgegenkommend, wenn man ihm zuhörte, daß er, entzückt von dem aufmerksamen Wesen du Tillets, sich selbst schilderte, von seinen Gewohnheiten erzählte, von der Unverschämtheit des Herrn Gendrin und von seinen Abmachungen mit dem Parfümhändler, ohne die der Ball nicht zustande gekommen wäre.
»Ach, Herr Cäsar hat Ihnen schon die Miete bezahlt,« sagte du Tillet, »das ist sonst nicht seine Gewohnheit.«
»Oh, ich habe das verlangt, ich stehe so gut mit meinen Mietern!«
»Wenn der alte Birotteau Konkurs anmelden muß,« sagte sich du Tillet, »wird dieser kleine schnurrige Kerl sicher ein ausgezeichneter Syndikus sein. Seine Spitzfindigkeiten sind kostbar; er muß sich, wenn er allein zu Hause ist, wie Domitian damit unterhalten, Fliegen zu töten.«
Du Tillet begab sich zu den Spieltischen, wo Claparon auf sein Geheiß sich schon befand; er hatte sich gedacht, daß unter dem Schutze der Erregungen des Hazardspiels sein angeblicher Bankier jeder näheren Prüfung überhoben sein würde. Ihre Haltung gegeneinander war so völlig die von Fremden, daß der argwöhnischste Beobachter nichts von Einverständnis zwischen ihnen hätte wahrnehmen können. Gaudissart, der wußte, was Claparon für ein Glück gemacht hatte, wagte ihn nicht anzusprechen, nachdem ihm von dem reich gewordenen Reisenden der förmliche, kalte Blick des Parvenus zugeworfen worden war, der von einem alten Kameraden nicht begrüßt sein will. Um fünf Uhr morgens endete der Ball, ähnlich wie ein glänzendes Feuerwerk erlischt. Um diese Stunde waren von den hundert und einigen Wagen, die die Rue Saint-Honoré gefüllt hatten, noch etwa vierzig übriggeblieben. Man tanzte zuletzt noch die Boulangère, die inzwischen von dem Kotillon und dem englischen Galopp abgelöst worden ist. Du Tillet, Roguin, der junge Cardot, der Graf von Grandville und Jules Desmarets spielten Bouillotte. Du Tillet gewann dreitausend Franken. Der heraufdämmernde Tag ließ das Kerzenlicht verblassen und die Spieler sahen dem letzten Kontertanz zu. In Bürgerhäusern kommt es auf dem Höhepunkte des Vergnügens immer zu Übertreibungen. Die Respektspersonen haben sich entfernt; der vom Tanz erzeugte Taumel, die Hitze, die sich allen mitteilt, der in den unschuldigsten Getränken enthaltene Alkohol haben die alten Damen ihre Hühneraugen vergessen lassen, so daß sie sich willig an der Quadrille beteiligen und die Tollheiten dieses Moments mitmachen; die Herren sind erhitzt, das schön frisiert gewesene Haar hängt ihnen über das Gesicht und gibt ihnen ein groteskes, zum Lachen reizendes Aussehen; die jungen Damen werden leichtfertig und haben schon etliche Blumen aus ihrer Frisur verloren. Der bourgeoise Gott Momus zeigte sich mit seinen Possen! Lachsalven ertönen, jeder will bei dem Gedanken, daß morgen die Arbeit wieder in ihr Recht treten muß, heute noch ausgelassen sein. Matifat tanzte mit einem Damenhut auf dem Kopfe; Cölestin machte Kunststücke vor. Wenn eine Figur des endlosen Kontertanzes es erforderte, klatschten die Damen wie wild in die Hände.
»Wie sie sich amüsieren!« sagte Birotteau glückselig.
»Wenn sie bloß nichts zerbrechenl« sagte Konstanze zu ihrem Onkel.
»Ihr Ball war der prachtvollste, den ich je gesehen habe, und ich habe viele gesehen«, sagte du Tillet zu seinem ehemaligen Prinzipal, als er sich verabschiedete.
In Beethovens Symphonien gibt es ein Thema, gewaltig wie ein grandioses Gedicht, das das Finale der C-Moll-Symphonie beherrscht. Wenn nach der langsamen Einleitung, die Habeneck so schön wiedergibt, auf ein Zeichen des Kapellmeisters gleichsam der Vorhang fällt und sein Taktstock das blendende Thema, in dem sich alle musikalische Macht konzentriert, beginnen läßt, dann wird der Dichter, dem das Herz dabei pocht, verstehen, daß dieses Ballfest auf Birotteaus Leben dieselbe Wirkung ausübte wie auf seine Seele jenes reiche Motiv, dem die C-Moll-Symphonie