Marina C. Watteck

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Marina C. Watteck

      Tausche Gasthaus gegen Bühne

      Wenn du jetzt hochnäsig oder eingebildet wirst, dann kriegst heut’ noch a Watschn«, waren die Worte meiner Mutter, als ich, 20 Jahre alt, beseelt von meinem ersten Erfolg als Mariandl in dem Film »Der Hofrat Geiger«, verträumt auf einen Artikel in einer Zeitschrift blickte. Das habe ich mir gemerkt. Ein Leben lang. Ich habe nie etwas für selbstverständlich erachtet und war immer dankbar für alles, was ich erreicht und bekommen habe. Allerdings war mir klar, dass ich viel dazu tun muss, dieser Weg nicht leicht ist, Opfer von mir verlangen wird und ich bereit sein muss, diese zu bringen.

      Meine Mutter war überhaupt mein Ein und Alles über viele Jahrzehnte. Sie war meine beste Freundin, meine Ratgeberin, später die Ersatzmutter für meinen Sohn Marcus, wenn mein Mann und ich auf Tournee waren, sie war tatsächlich ein wichtiger Grundpfeiler meines Erfolges. Und sie war der Mensch, dem ich alles, wirklich alles anvertrauen konnte. Sie hat ihr ganzes Leben hart gearbeitet, und als unser Hausarzt im Jahr 1960 meinte, sie solle etwas kürzertreten und nicht mehr im Gastgewerbe arbeiten, war ich nur allzu froh, ihr ein anderes Leben bieten zu können.

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      Als Zweijährige im Garten meines Großvaters

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      Mit den Radiokopfhörern meines Vaters, im Alter von drei Jahren

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      Schon als Kind habe ich die Natur geliebt, circa 1930.

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      Meine neuen Puppen, Weihnachten 1930

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      Auch Puppenkleider müssen gewaschen werden – als Wäschermädl, circa 1930.

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      Kostüme waren schon als Kind eine meiner Leidenschaften – im Biedermeier-Kleid, 1937.

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      Meine Mutter und ich 1927

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      Als Zweijährige mit meinem geliebten Vater

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      Harmonie unter den Geschwistern: Fritz, vier Jahre, und ich, sieben Jahre alt

      Sie hat mich ja schon zuvor zu fast allen Dreharbeiten begleitet, jetzt war es noch einfacher. Wir wohnten zwar beide noch eine Zeit lang im »Schönbrunner Stöckl«, das sie gemeinsam mit ihrem Bruder viele Jahre als Gasthaus geführt hatte. Sie arbeitete aber nicht mehr, und ich kaufte ein Grundstück am Küniglberg, wo ich 1958 ein Haus bauen ließ, in das wir 1960 eingezogen sind. Das war ihr Zuhause bis zu ihrem Tod im Jahr 1991. Ihre Liebe, ihr Vertrauen, ihr praktisches Denken und ihr künstlerisches Verständnis waren für mich ein ganz wichtiger Teil meines Lebens.

      Schon als Kind hatte ich dramatische Ambitionen. Ich stand gern im Mittelpunkt, konnte gut andere Menschen nachmachen, und am liebsten habe ich mich verkleidet und bin spielerisch in andere Rollen geschlüpft. Gemeinsam mit meinem Bruder Fritz, der drei Jahre jünger und musikalisch sehr begabt war, habe ich sehr gern Kasperl-theater gespielt.

      Mein Bruder war sehr geschäftstüchtig. Wir haben eine kleine Kassa gebaut, er hat sich als Old Shatterhand verkleidet, ich als Prinzessin, und für zehn Groschen pro Person haben wir den Kindern etwas vorgespielt. Meine Mutter ließ uns gewähren, für sie waren es Kindereien, die sie nicht ernst genommen hat. Erst als mir viele Jahre später der Theatervirus immer noch im Blut steckte, hat sie versucht, mich mit sanftem Druck in eine andere Richtung zu lenken. Sie hatte zwar Verständnis für meinen Wunsch, es waren aber so unsichere Zeiten, dass sie einfach Angst hatte, ich würde es zu nichts bringen. So wurde beschlossen, dass ich nach Abschluss der Hauptschule in die Haushaltungsschule gehen sollte, um etwas »Anständiges« zu lernen. Meine Mutter hatte ganz praktische Ansichten: »Fast jedes Mädchen möchte Schauspielerin werden. Lern was G’scheites, und wenn das mit dem Schauspiel nicht hinhaut, kannst du auf etwas zurückgreifen.«

      Ich war eine gute, aber nicht sehr brave Schülerin, interessiert hat es mich überhaupt nicht. Es hat auch nicht unbedingt geholfen, dass meine Cousine mit mir in die gleiche Klasse ging, denn wir hatten nur Unsinn im Kopf, und mehr als ein Mal mussten wir Strafen für unsere Streiche ausfassen.

      Ich wurde in eine unruhige Zeit geboren. Österreich war mitten in einer Wirtschaftskrise, es gab politische Unruhen und fast 300 000 Arbeitslose – ich habe davon aber nichts mitbekommen. Meine Eltern, Stefanie Klager (19. Dezember 1901–30. März 1991), aufgrund ihrer großen braunen Augen »Rehlein« genannt, und mein Vater Walther Haas haben einander beim Turnen kennengelernt. Es war Liebe auf den ersten Blick.

      Mein Vater war Volksschullehrer an der evangelischen Schule in der Gumpendorfer Straße und ein sehr gut aussehender Mann, meine Mutter war eine ebenso hübsche wie lebenslustige Hotelierstochter aus Meidling. Ihre Eltern – ihre Mutter Barbara und ihr Stiefvater Karl Graf – führten den »Meidlinger Hof« an der Ecke Meidlinger Hauptstraße und Hufelandgasse. Meine Mutter war die Älteste von sechs Geschwistern und hat daher immer fest anpacken müssen. Da ist nicht viel Zeit geblieben für Unsinn oder Dummheiten, wie es in der Familie geheißen hat, obwohl sie eine sehr talentierte Pianistin war und mit Leidenschaft diesen Beruf ausüben hätte können. Sie malte auch gern und hätte viel daraus machen können, doch all das kam nicht infrage. Künstlerberufe waren in der Familie meiner Mutter suspekt – meine Mutter musste sich fügen und arbeitete im elterlichen Betrieb anstatt im Konzertsaal.

      Meine Disziplin, mein Pflichtbewusstsein und meine Ausdauer habe ich sicher von ihr geerbt. Sie hat es mir vorgelebt.

      1932, ich war erst fünf und mein Bruder Fritz gerade zwei Jahre alt, starb mein Vater an akuter Urämie. Ich habe nur sehr wenige, aber äußerst liebevolle Erinnerungen an meinen Vater. Wir haben ihn beispielsweise oft gemeinsam mit der Mutter von der Stadtbahn abgeholt, und ich bin ihm in die Arme gelaufen. Ich erinnere mich ebenso daran, dass er mir manchmal mithilfe eines Kochlöffels Schneckerln in die Haare gedreht hat. Der Schock angesichts des Verlusts des Vaters war überwältigend. Ich spürte nicht nur meinen Schmerz, sondern auch den meiner Mutter, die nun völlig unversorgt mit zwei kleinen Kindern dastand. Ich weiß noch, wie ich mir zu Weihnachten nur meinen Vater zurückgewünscht habe. Das Christkind sollte ihn mir einfach auf unser Hausdach stellen, ich würde ihn dort schon abholen. Das Konzept Tod war für mich als Fünfjährige viel zu abstrakt, in meiner Welt würde das Wünschen helfen, dachte ich damals.

      Meine Mutter verfiel in eine schwere Depression, aber dank meiner Großeltern, die uns liebevoll aufnahmen, konnte meine Mutter wieder Fuß fassen. Zuerst arbeitete sie im Hotel mit, dann kauften meine Großeltern ihr und ihrem Bruder, unserem Onkel Joschi, der Fleischhauer war, das Gasthaus »Schönbrunner Stöckl«, das direkt am Seitenzugang zum Schloss Schönbrunn lag, wo sie für die Küche und er für die Schank zuständig war.

      Dass in einem solchen Beruf wenig Zeit für uns Kinder übrig blieb, war klar. Doch wir hatten unsere liebevollen Großeltern und den großen Schönbrunner Park, der unser Abenteuerspielplatz, Märchenwald und Kulisse war. Besonders hatte es uns der Schönbrunner Tierpark angetan – daher stammt wahrscheinlich meine Liebe zu Tieren.

      Als Kind hatte ich Katzen, später Hunde. Wir hatten eine Kinderfrau, aber unsere Mutter versuchte, jede freie Minute mit uns zu verbringen, was im Gastgewerbe wirklich nicht einfach war. Zum Unterschied vom Großteil der damaligen Bevölkerung