des ›Hofrat Geiger‹ werde ich vor Lampenfieber und Neugierde krank werden. Ich durfte bis jetzt noch keiner Teilaufführung des Films beiwohnen und weiß nicht, wie ich ausschaue und wie meine Stimme klingt.‹ Waltraut Haas macht eine kleine Pause und sieht etwas ängstlich drein: ›Hoffentlich gefalle ich dem Publikum.‹«
Die Premiere des Films »Der Hofrat Geiger« fand am 19. Dezember 1947 im Apollo Kino statt, und ich war unglaublich aufgeregt. Zum ersten Mal sah ich den ganzen Film und nicht nur Ausschnitte. Aufgeregt saß ich zwischen Hans Moser und seiner Frau und hielt den Atem an. Ich war selig, als am Ende des Films tosender Applaus einsetzte. Alle anwesenden Schauspieler mussten auf die Bühne, und das Verbeugen nahm kein Ende.
Trotz des großen Erfolgs des Films blieb ich noch ein Jahr in Linz und übernahm weiterhin alle Rollen, die ich bekommen konnte. 1948 kehrte ich nach Wien zurück, um am Renaissancetheater in der Neubaugasse zu spielen.
Das Theater befindet sich in einem Wohnhaus und wurde 1912 vom Verein Wiener Freie Bühne gegründet. Heute beheimatet es dort das Theater der Jugend. Hier begegnete ich zum ersten Mal meinem späteren Ehemann und Herzenspartner Erwin Strahl. Wir spielten mit Oskar Karlweis in dem Singspiel »Der König mit dem Regenschirm« von Ralph Benatzky. Ich war Oskars Bühnenliebe, wie man im Schauspielerjargon sagt.
Ich glaube, der charmante Oskar hätte sich gern etwas mehr erwartet, aber er hat mich nicht interessiert. Obwohl er nicht nur ein großartiger Schauspieler, sondern auch ein ebenso begnadeter Komiker war. Friedrich Torberg, mit dem er gemeinsam im Exil war, hat einmal über ihn gesagt: »Einen Abend privat mit ihm zu verbringen, wog, wenn er in Form war, zehn Kabarettbesuche auf. Wenn er nicht in Form war, dann allerdings nur neun. Ich weiß nicht, wie ich über diese trost- und hoffnungslose Zeit hinweggekommen wäre ohne den tröstlichen und hoffnungsfrohen Humor, den Oskar Karlweis ausstrahlte.«
Berühmt wurde er durch den Film »Die Drei von der Tankstelle« (1930). Nachdem er vor den Nazis geflohen war, kam er über Paris in die USA und musste dort erst einmal Englisch lernen. Dann trat er gemeinsam mit dem Sänger und Komponisten Hermann Leopoldi in Lokalen für deutschsprachige Emigranten auf und feierte schlussendlich sogar am Broadway Erfolge. Relativ bald nach dem Krieg kehrte er nach Wien zurück, wo er sofort nahtlos an seine Erfolge anschließen konnte.
Hans Thimig, einer der Prüfer, die mich am Reinhardt Seminar nicht genommen hatten, führte Regie. Einmal sagte er zu mir: »Sie kommen mir so bekannt vor.« Da erzählte ich ihm von der Aufnahmeprüfung – er erinnerte sich sehr gut an mein Vorsprechen und daran, dass Vera Balser-Eberle der Ansicht gewesen war, bei mir könne die Schauspielkunst nicht sehr tief sitzen, wenn es mir möglich sei, kurz nach einer komischen Rolle in der nächsten in Tränen auszubrechen. »Das zeugt von Oberflächlichkeit«, meinte die strenge Prüferin damals. Hans Thimig zeigte wahre Größe, indem er mir nun sagte: »Oft sind wir Lehrer eigentlich die Durchgefallenen – das sehe ich ja an Ihnen.« Mir war das damals nicht nur eine Genugtuung für die erlittene Ungerechtigkeit, es versöhnte mich wieder mit dem Reinhardt Seminar.
Während des Stücks flirteten Erwin Strahl und ich ein wenig, sehr zum Missfallen von Oskar Karlweis. Es blieb aber nur bei einem harmlosen Flirt, denn ich sagte mir damals: »Der schaut viel zu gut aus, der bleibt mir nicht.« Außerdem hatte ich schon damals gemerkt, was für ein unstetes Volk diese Schauspieler waren. Ich war mir sicher, niemals einen zu heiraten.
Mein Mann hat später immer gern erzählt, dass er mich damals zu einem Rendezvous eingeladen hatte, das ich schlicht vergessen hatte. Er hat immer gesagt: »Das nehme ich dir heute noch übel.«
An eine Begebenheit aus dieser Zeit erinnere ich mich besonders gern. Es war kurz nach dem Krieg, es gab noch bei Weitem nicht genug zu essen, wir waren allerdings, da wir ja das Gasthaus hatten, ein wenig bessergestellt. Ich spielte in einem Stück, von dem ich nicht mehr genau weiß, wie es geheißen hat, ich glaube »Räubergeschichte«. Fast das ganze Ensemble der Josefstadt hat mitgespielt, aufgeführt wurde es in den Kammerspielen. Auf jeden Fall waren Franz Messner und der blutjunge Karlheinz Böhm mit dabei. Die beiden waren dicke Freunde, hatten eine winzige Gage und waren immer hungrig.
Ich dachte mir, ich könnte ihnen vielleicht eine Freude machen. Also sagte ich eines Abends: »Nach der Vorstellung nehm ich euch mit. Meine Mutter führt das Gasthaus ›Stöckl‹, und da schauen wir, was es zum Essen gibt.«
Als wir beim »Stöckl« ankamen, war alles finster. Es war schon abgesperrt, also schlich ich von hinten, über die Küche, hinein, meine Kollegen im Schlepptau. Wir gingen in die Speisekammer, wo wir einen riesigen Kessel mit richtigem Rindsgulasch und daneben gekochte Erdäpfel fanden, die am nächsten Tag in der Früh zu Erdäpfelknödel verarbeitet werden sollten.
Die beiden Burschen waren so ausgehungert, dass sie mit der Hand das Gulasch rausgehoben und in die Erdäpfel hineingebissen haben. Ich hab noch gesagt: »Wartet’s doch, ich geb euch Teller«, aber das war ihnen egal. Der Hunger war größer. Endlich konnten sie sich einmal satt essen.
Danach schmuggelte ich sie wieder über die hintere Küchentür hinaus. Ich war heilfroh, dass keiner aufgewacht war und niemand etwas bemerkt hatte. So gut es ging, versuchte ich, die Spuren des Gelages zu verwischen, aber am nächsten Tag runzelte meine Mutter die Stirn: »Wir haben schon wieder Mäuse gehabt.« Ich darauf ganz unschuldig: »Wieso denn?« »Na, das sieht man doch, alles angebissen.« Ich erwiderte natürlich nichts.
»Räubergeschichte« in den Kammerspielen mit dem »hungrigen« Karlheinz Böhm, 1952
Ich hab die beiden sehr gerngehabt und ihnen immer wieder etwas mitgebracht, aber in der Nacht konnten sie sich einmal richtig den Bauch vollschlagen.
Der gescheiterte Verführer
In der dritten und – Gott sei Dank – letzten Klasse der Haushaltungsschule, die ich abschließen musste, bevor ich überhaupt daran denken durfte, Schauspielerin zu werden, lernte ich endlich das, was ich später wirklich gut brauchen konnte: Kostüme nähen. Meine Abschlussarbeit war ein Nachthemd, das ich im Rahmen einer Modenschau vorführen musste. Ich verzierte es mit wunderbarer Smokstickerei, und zur verführerischen Stimme von Johannes Heesters in einer Aufnahme des Lieds »Ich werde jede Nacht von Ihnen träumen« führte ich das Nachthemd vor.
Alle waren damals in Jopie verliebt, ich war da keine Ausnahme. Als 14-Jährige erlebte ich ihn einmal bei einem Auftritt im Wiener Konzerthaus, nachdem ich meine Mutter wochenlang um eine Karte bekniet hatte. Ich putzte mich besonders hübsch heraus, und irgendwie fielen mein Auftreten und mein Kleid seinem Manager Adolf Wollmarker auf. Er ließ mir die unglaubliche Ehre zuteilwerden, zum Abschluss des Konzertes Heesters einen großen Blumenstrauß zu überreichen. Der war allerdings so groß, dass ich hinter ihm verschwand, und so sah Jopie von der Bühne aus nur einen wandelnden Blumenstrauß auf sich zukommen, denn sogar meine Beine waren von den Schleifen verdeckt. Er bekam einen schrecklichen Lachanfall. Nachdem ich nicht wusste, was den Lachanfall ausgelöst hatte, wäre ich am liebsten in der Erde versunken, schaffte es aber doch irgendwie auf die Bühne, drückte ihm zitternd und sehr übereilt das Blumenmonster in die Hand und lief, so schnell ich konnte, weg. Ich war ärgerlich, dass er sich offenbar über mich »großen« Fan auch noch lustig gemacht hatte.
Ich denke jedenfalls nicht, dass ich damals einen bleibenden Eindruck bei Johannes Heesters hinterlassen habe. Nie hätte ich geglaubt, dass ich später einmal mit ihm als Künstlerin zusammenarbeiten würde, wobei sich wiederum eine besondere Geschichte zugetragen hat.
Knappe zehn Jahre später begegnete ich meinem heimlichen Schwarm erneut – nun als Kollegin erstmals persönlich, allerdings waren auch dieses Mal die Umstände nicht gerade die besten.
Alfred Stöger, Produzent der Mundus Film Wien, hatte mich angerufen und wollte mich für die weibliche Hauptrolle in dem Film »Tanz ins Glück« (1951), basierend auf einer Operette von Robert Stolz. Im Film geht es um einen berühmten Operettentenor und Revue-Arrangeur, der seine ehemalige Geliebte loswerden will, indem er ihr ein Engagement in Übersee verschafft. Sie zögert die Abreise jedoch hinaus