Georg Markus

Alles aus Neugier


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JOHANN STRAUSS ENTSCHULDIGT SICH oder Wie ich den Donauwalzer rettete

       SARAJEVO BLEIBT OHNE FOLGEN Kaiser Franz Ferdinand I., eine Fiktion

       BILDNACHWEIS

       NAMENREGISTER

      LEIDENSCHAFTLICH NEUGIERIG

       Vorwort

      Eine gesunde Portion Neugierde steckt in jedem Menschen, wer aber Bücher schreibt, sollte besonders neugierig sein. Ohne diese Neugierde hätte ich wohl nicht herausgefunden, dass Mary Vetsera aus ihrem Grab gestohlen wurde, dass Kaiser Franz Joseph und die Schratt heimlich geheiratet haben, dass John F. Kennedy einen unehelichen Sohn mit einer Österreicherin hatte und aus welchen Ingredienzien sich das Geheimrezept der Sachertorte zusammensetzt. Ich hätte nicht das bis dahin unauffindbare Testament der Witwe des Kronprinzen Rudolf entdeckt und auch das Kapitel »Wie ich den Donauwalzer rettete« wäre nicht entstanden.

      Vor 40 Jahren, im Herbst 1979, habe ich mein erstes Buch veröffentlicht. Nachdem seither jedes Jahr ein weiteres hinzukam, kann man sich leicht ausrechnen, wie viele es mittlerweile geworden sind. 40 Bücher, das sind Hunderte »Geschichten mit Geschichte« und zahlreiche Porträts historischer Persönlichkeiten. Immer wieder werde ich darauf angesprochen, ob man die Bücher, in denen diese und jene Geschichte zu finden ist, noch käuflich erwerben könne, ob das Schratt- oder das Oberst-Redl-Buch, der Kriminalfall Mayerling, Meine Reisen in die Vergangenheit, Neues von Gestern, Adressen mit Geschichte, Die ganz Großen oder Die Enkel der Tante Jolesch noch lieferbar wären. Leider, muss ich antworten, diese und andere meiner Bücher sind in unserer schnelllebigen Zeit vergriffen, liegen in den Buchhandlungen nicht mehr auf.

      Also haben der Amalthea Verlag und ich beschlossen, aus Anlass des 40-jährigen Jubiläums den Sammelband herauszubringen, den Sie, verehrte Leserin, verehrter Leser, nun in Händen halten. Mit Auszügen, ganzen beziehungsweise neu bearbeiteten Kapiteln aus bisher erschienenen Büchern.

      Mein erstes Buch waren – damals von mir noch als Ghostwriter verfasst – die Memoiren von Paul Hörbiger, Jahre später folgte mit Die Hörbigers die Biografie der gesamten Film- und Theaterdynastie. Die (wie ich hoffe) spannendsten Geschichten daraus sind hier zusammengefasst. In anderen Kapiteln erfährt man, wie viel Mozart verdiente, wie der Alltag der Maria Theresia und ihrer Großfamilie ablief, ob der liebe Augustin wirklich gelebt hat und von historischen Kriminalfällen, darunter auch jenem, als Kaiser Franz Joseph 1872 mit Nacktfotos seiner Frau Elisabeth erpresst wurde.

      Eine nicht alltägliche Lovestory ist die der weltberühmten Opernsängerin Ljuba Welitsch, die einen einfachen Rayonsinspektor der Wiener Polizei heiratete, eine andere handelt von Michael Curtiz, dem Regisseur des Kultfilms Casablanca, der mit einem Gutteil der Schauspielerinnen und Statistinnen, die in seinen Filmen mitwirkten, zarte Bande knüpfte. Apropos Hollywood: Als eher skurril sollte sich das Kapitel Der Regie-Sir erweisen, das einen Nachmittag schildert, den ich mit Billy Wilder zubrachte.

      Katharina Schratt ist die Einzige, der in diesem Buch zwei Kapitel gewidmet sind: Neben einem über ihre Geheimehe mit Franz Joseph findet sich eines über die Affären, die sie parallel zu der mit dem Kaiser hatte. Weitere Kapitel betreffen die von mehreren Gerichten als Habsburger-Nachfahren anerkannte Familie Pachmann, die Geschichte der Ritter von Lauda, das Vorbild für Helmut Qualtingers Herrn Karl, die tragischen Todesfälle des Sängers Joseph Schmidt, des Komponisten Arnold Schönberg und des Dichters Hugo von Hofmannsthal.

      Dennoch: Wie in allen meinen Büchern bemühe ich mich auch in den vorliegenden 40 Geschichten aus 40 Jahren die heiteren Seiten des Lebens nicht zu kurz kommen zu lassen. So habe ich in einem Kapitel einige der originellsten Anekdoten aus meinem Buch Die Enkel der Tante Jolesch zusammengefasst, in »Ganz die Väter« schildere ich Geschichten und Geschichte des österreichischen Humors, in »Mir blieb doch was erspart« führe ich ein fiktives Interview mit Kaiser Franz Joseph, der sich verwundert zeigt, wie sehr sich die Welt in den 100 Jahren seit seinem Tod verändert hat. Als unfreiwillig komisch erweisen sich »Beethovens Verhaftung«, »Brahms lag im Papierkorb« und das Richard-Strauss-Kuriosum »Gott sei Dank ein schlechter Schüler«.

      Tragikomische Ansätze zeigt hingegen die außergewöhnliche Lebensgeschichte des überragenden Wiener Mathematikers Kurt Gödel, als dessen Freund Albert Einstein aufscheint. Und Einstein ist es auch, der die beste Erklärung für die Neugierde liefert, die den folgenden 304 Seiten zugrunde liegt: »Ich habe gar keine besondere Begabung«, sagte das Genie, »ich bin nur leidenschaftlich neugierig.«

      Wer von uns ist das nicht, wir alle möchten viel erfahren und das möglichst komprimiert.

      Und genau das ist auch die Idee hinter diesem Buch.

      GEORG MARKUS

      Wien, im August 2019

      BEETHOVENS VERHAFTUNG

       Die Festnahme des Musikgenies

      Nein, er hat natürlich nichts angestellt, seine Verhaftung war ein Justizirrtum. Aber es stimmt: Ludwig van Beethoven wurde irgendwann in den Jahren 1821 oder 1822 – das genaue Datum lässt sich nicht mehr eruieren – in Wiener Neustadt festgenommen.

      Beethoven, der die Natur über alles liebte und die Sommermonate gerne in Baden bei Wien verbrachte, unternahm oft ausgedehnte Spaziergänge, auf denen er gedankenverloren vor sich hinkomponierte. So auch an jenem Sommertag, an dem er die rund 24 Kilometer lange Strecke, den Wiener Neustädter Kanal entlang, von Baden nach Wiener Neustadt wanderte. In aller Früh losgezogen, kam der damals bereits vollkommen taube Komponist übermüdet gegen Abend am Wiener Neustädter Ungartor an, wo er das Misstrauen mehrerer Bauern und Winzer weckte, die den 52-jährigen »Vagabunden« zur Polizeiwache brachten.

      Dem diensthabenden Polizisten fiel auf, dass der Fremde einen schäbigen alten Rock trug und keinen Hut aufhatte (was damals suspekt war). Während der Polizeikommissar den »Verdächtigen« in den Kerker brachte, erklärte der heruntergekommen wirkende Mann verzweifelt, dass er Beethoven sei. Doch das beeindruckte das Auge des Gesetzes keineswegs, der Polizist wollte nicht glauben, dass hinter der seltsamen Erscheinung das größte Musikgenie seiner Zeit steckte.

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      Die Polizeibeamten hielten Ludwig van Beethoven für einen Vagabunden.

      Erst als der vermeintliche Landstreicher nach einem Bekannten – dem Wiener Neustädter Musikdirektor Anton Herzog – verlangte, konnte die Angelegenheit geklärt werden. Herzog wurde herbeigerufen, erkannte Beethoven und bat um dessen augenblickliche Freilassung, die dann – es war bereits Mitternacht geworden – auch erfolgte.

      Ludwig van Beethoven war dankbar, die folgende Nacht im Gästezimmer des Hauses von Musikdirektor Herzog verbringen zu können. Am nächsten Morgen kam der Bürgermeister von Wiener Neustadt, um sich persönlich bei Beethoven zu entschuldigen. Danach ließ er das Musikgenie mit einer Kutsche nach Baden führen.

      Fast zwei Jahrhunderte hat man sich in Wiener Neustadt über diese eher peinliche Episode in Schweigen gehüllt, mittlerweile ist man stolz darauf, dass Beethoven überhaupt da war. Längst gibt es eine Beethovengasse, die an den skurrilen Besuch des Musikgenies erinnern soll, und im Mai 2019 wurde die Komposition Verhaftung Beethovens von Robert M. Weiß in Wiener Neustadt uraufgeführt.

      Aus der Kurier-Kolumne »Geschichten mit Geschichte« (28. März 2019)

      DIE DIVA UND DER MÖRDER

       Therese