Karte bitte!«
Der Direktor flüsterte zurück: »Ich bin Holender!«
Darauf der Billeteur: »Ticket please!«
Ohne Politiker könnten wir nicht leben – zumindest im anekdotischen Bereich. Bundeskanzler Julius Raab wurde von Freunden »der große Schweiger« genannt – weil er nur das Allernotwendigste sprach und viel lieber zuhörte. Eines Tages fuhr Raab mit dem Auto von Wien nach Vorarlberg. Im niederösterreichischen Tullnerfeld sagte sein Sekretär, mit einem Blick auf die umliegenden Felder: »Das Getreide steht heuer schon ganz schön hoch.« Bis knapp vor Feldkirch wurde kein Wort mehr gewechselt, dann endlich meinte Raab: »Do aa!«
Das war die gesamte Konversation während einer Fahrt von 600 Kilometern.
Nun zu einer Geschichte über Bruno Kreisky, die mir der damalige Bundespräsident Thomas Klestil erzählte, der Mitte der 1980er-Jahre in seiner Funktion als österreichischer Botschafter in den USA Zeuge der folgenden Episode geworden war.
Kreisky kam, als Regierungschef schon in Pension, aber in Sachen Weltpolitik immer noch unterwegs, zu einem Kongress nach Washington. Klestil holte ihn vom Flughafen ab und begleitete ihn, vom Chauffeur der Botschaft gefahren, in sein im Zentrum der Hauptstadt gelegenes Hotel. Als Kreisky unterwegs eine Filiale der englischen Firma Burberry entdeckte, bat er den Fahrer, kurz anzuhalten.
Der bärtige Altkanzler stieg aus dem Wagen, holte einen Plastiksack aus dem Kofferraum und betrat, gemeinsam mit Klestil, das Geschäft. An der Tür fragte Kreisky den Botschafter noch schnell: »Sag, was heißt Schlapfen auf Englisch?«
Klestil flüsterte ihm in korrekter Übersetzung das Wort Slippers zu, worauf Kreisky aus dem mitgebrachten Plastiksack ein Paar Hausschuhe hervorholte und zum Verkäufer sagte: »Ich habe vor einiger Zeit in Ihrer Filiale in London diese Schlapfen – these slippers – gekauft. Leider sind sie zu groß, könnten Sie sie umtauschen?«
In dem Geschäft, erinnerte sich Klestil, herrschte sogleich rege Betriebsamkeit, im Zuge derer man sich redlich bemühte, dem alten Herrn verschiedenste Größen desselben Modells vorzuführen.
Kreisky probierte eine ganze Reihe von Hausschuhen, betrachtete sie vor dem Spiegel, prüfte ihre Passform, ging mit ihnen auf und ab. Und brummte nach einem guten Dutzend derartiger Versuche: »So, die da passen – these slippers fit!«
Worauf der Verkäufer entgegnete: »Sir, das sind die Schuhe, die Sie mitgebracht haben!«
Wir befinden uns zwar noch im Bereich der Politik, begegnen hier aber dem einst berühmten Psychiater, Terror- und Aggressionsforscher Friedrich Hacker, mit dem ich bis zu dessen Tod im Jahre 1989 befreundet war. Er hatte Ende der 1960er-Jahre die Idee, in den ehemaligen Wohn- und Ordinationsräumen des »Vaters der Psychoanalyse« ein Sigmund-Freud-Museum zu errichten. Hacker selbst hatte in den 1930er-Jahren noch einige Vorlesungen Freuds an der Universität Wien besucht. Mit der Gründung des Freud-Museums ist eine schöne Geschichte verbunden.
Nachdem es ihm gelungen war, die österreichische Regierung für das Projekt zu gewinnen, schlug Hacker dem damaligen Bundeskanzler Josef Klaus vor, Freuds in London lebende Tochter Anna Freud zur bevorstehenden Eröffnung des Museums in der Wiener Berggasse Nr. 19 einzuladen. Der Regierungschef war sofort einverstanden, bat Hacker jedoch, für ihn den Text des Einladungsbriefes an Anna Freud aufzusetzen, da er selbst nicht recht wüsste, wie die berühmte Tochter eines noch berühmteren Vaters anzusprechen sei und mit welchen Worten eine solche Einladung zu erfolgen hätte.
Professor Hacker, der Anna Freud gut kannte, formulierte den Brief, der dann vom Kanzler unterzeichnet wurde. Eine Woche später läutete Hackers Telefon, am Apparat war Anna Freud. »Stellen Sie sich vor, Doktor Hacker«, sagte sie, »ich habe einen Brief vom österreichischen Bundeskanzler erhalten, in dem er mich zur Eröffnung eines Freud-Museums einlädt. Ich komme natürlich gerne, aber ich habe noch nie einem Bundeskanzler geschrieben, und da wäre meine Bitte an Sie: Könnten Sie so nett sein, für mich das Antwortschreiben aufzusetzen?«
Hacker kam auch dieser Bitte nach. Er antwortete auf seinen eigenen Brief, und Anna Freud unterschrieb. Aus Einladung und Antwort entwickelte sich ein intensiver Schriftverkehr zwischen Josef Klaus und Anna Freud, der sich über mehrere Monate hinzog. Wobei jeder einzelne Brief vom unermüdlichen Friedrich Hacker stammte.
Eine Anekdote, die von zwei großen Komponisten aus Wien handelt, die in Hollywood Karriere gemacht haben, verdanke ich dem langjährigen Wiener Kulturstadtrat Peter Marboe. Es geht um Erich Wolfgang Korngold und Max Steiner. Letzterer zählte zu den Pionieren der amerikanischen Filmmusik: Er schuf Melodien zu Casablanca und Vom Winde verweht, zu Filmen mit Katharine Hepburn, Bette Davis und zu fünf Fred-Astaire-Musicals. Insgesamt hat Max Steiner 300 Filme vertont und drei Oscars erhalten, Korngold immerhin zwei.
Während es nach dem Zweiten Weltkrieg um Korngold ruhiger wurde, setzte Steiner seine Karriere als Komponist mit immer neuen Erfolgen fort. Da die beiden noch aus ihren Wiener Tagen miteinander befreundet waren, hielt Steiner 1957 zu Korngolds 60. Geburtstag, der in Hollywood gefeiert wurde, die Laudatio. Nach ein paar launigen Worten der Erinnerung gelangte Max Steiner zu dem liebevoll-bissig-ironischen Schluss: »Ich kann es gar nicht verstehen, mein lieber Korngold, dass ich in Hollywood nach wie vor gefragt bin, aber nach dir kein Hahn mehr kräht!«
Korngold stand auf, ging ans Rednerpult und erwiderte: »Schau, lieber Max, das mit dem Erfolg ist doch ganz einfach. Seit 20 Jahren schreibst du von mir ab, und seit 20 Jahren schreib ich von dir ab. Da darfst du dich nicht wundern, dass du erfolgreicher bist als ich.«
Etwas ganz anderes. Sie kennen sicher Professor Antal Festetics, einen der führenden Wildbiologen Europas, der überdies als Moderator populärwissenschaftlicher Tiersendungen im Fernsehen bekannt geworden ist. Von dieser seiner Tätigkeit im Fernsehen handelt die nun folgende Episode.
Festetics gestaltete Mitte der 1990er-Jahre für den ORF einen Tierfilm über Bären. In der Dokumentation wurde auch eine dramatische Szene gezeigt, die ein Amateurfilmer zufällig im Zoo von Peking eingefangen hatte: Man sah drei Chinesen, die vor dem Käfig der Pandabären standen. Nun drehte sich einer der Herren mit dem Rücken zum Käfig, um sich von einem der anderen Herren fotografieren zu lassen.
In dem Moment, da er dem Käfig seinen Rücken zuwandte, wurde der Mann aber von dem bärenstarken Tier gepackt, das ihn durch die Gitterstäbe in den Käfig zu zerren versuchte.
Die Attacke endete glimpflich, da es den beiden anderen Chinesen gelang, ihren Freund den Krallen des Pandabären zu entreißen. Das aufgebrachte Tier musste sich schließlich mit dem eroberten Sakko seines Opfers zufriedengeben.
Als Festetics dann, wie er mir erzählte, mit seinem Team am Schneidetisch saß, um seine Bären-Dokumentation zusammenzustellen, gab der Cutter zu bedenken, dass der Amateurfilm aus Peking leider ohne Ton und damit zur Ausstrahlung nicht geeignet sei.
Die Experten berieten nun, wie man – um die Atmosphäre des Zoos in Peking auch akustisch einzufangen – zu ein paar chinesischen Wortfetzen gelangen könnte. Festetics selbst hatte die rettende Idee. Er ging mit den Tonleuten in ein ihm bekanntes China-Restaurant im 3. Bezirk und ließ an der Kassa ein paar zufällig gefallene Worte aufnehmen, die dem Film unterlegt wurden. Die Dokumentation Der große Bruder Bär lief dann samt Ton mit Erfolg im Fernsehen.
Einige Zeit später freilich wurde Festetics von einem Angehörigen der chinesischen Botschaft angesprochen. »Herr Professor«, sagte der Diplomat zu Festetics, »das war ein sehr schöner Film, den Sie gezeigt haben, wir haben uns auch sehr darüber gefreut, dass Sie einen Beitrag aus dem Zoo in Peking gebracht haben. Nur eines, Herr Professor, haben wir nicht verstanden …«
»Ja, was denn?«, wollte Festetics wissen.
»Warum hat, während wir den Herrn sahen, wie er um sein Leben kämpfte, jemand im Hintergrund auf Chinesisch zwei Frühlingsrollen bestellt?«
Eine Geschichte noch zum Abschluss: Den Wiener Philharmonikern wird nachgesagt, hin und wieder zugunsten eines lukrativen »Nebenjobs« nicht an der Vorstellung in der Staatsoper mitzuwirken. Durchaus legal übrigens, da es den Mitgliedern des Staatsopernorchesters vertraglich