Georg Markus

Alles aus Neugier


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ihrer Zeit. Therese Krones stand mit Ferdinand Raimund auf der Bühne und konnte ihr Publikum wie keine andere verzaubern. Bis sie eines Tages mit einem ganz gewöhnlichen Raubmörder in Verbindung kam.

      Ihr Vater war Kürschnermeister und hatte sein Handwerk hingeworfen, um mit Frau und Töchtern eine Schauspieltruppe zu gründen. Therese trat als Zehnjährige in Kinderrollen auf Vaters Wanderbühne auf, gastierte mit elf im Leopoldstädter Theater und mit 15 an der Josefstadt.

      Ferdinand Raimund war von ihrer Anmut so hingerissen, dass er der Krones die Rolle der Jugend in Der Bauer als Millionär auf den Leib schrieb. Doch just in dieser Phase des größten Erfolgs ihres Lebens geriet die Volksschauspielerin in das Umfeld eines Kriminalfalls, der ihr Leben auf den Kopf stellen sollte.

      Der 1. Akt. Die Eroberung. Die 25 Jahre junge, bildhübsche Schauspielerin spaziert an einem Herbstsonntag des Jahres 1826, von der Mittagsmesse in der Michaelerkirche kommend, über den Graben, als ihr ein auffallend elegant gekleideter Herr entgegenkommt, den sie des Öfteren schon von der Bühne aus in seiner Loge beobachtet hat. Therese wirft ihm einen koketten Blick zu, der diesen ermutigt, den gefeierten Liebling der Wiener anzusprechen. Der Fremde gibt sich als Verehrer ihrer Schauspielkunst aus und bittet, sie demnächst besuchen zu dürfen.

      Zwei Tage später klopft der Mann an der Wohnungstür und überreicht dem Dienstmädchen seine Visitenkarte, auf der in gestochenen Lettern »Le Comte Severin Jaroszynski« steht. Die Krones lässt bitten, und der Graf tritt ein. Er nimmt neben ihr auf der breiten Chaiselongue im Wohnzimmer Platz und erzählt mit polnischem Akzent seine Lebensgeschichte: Aus altem Adel stammend, sei er in Galizien durch Erbschaft in den Besitz riesiger Ländereien gelangt, die große Einkünfte abwarfen und ihm ein sorgenfreies Leben erlaubten. Überdies hätte er als Feldmarschall auf Seiten Napoleons gekämpft und den Malteserorden bekommen.

      Nach vollbrachten Heldentaten des eintönigen Lebens auf dem Lande leid geworden, übergab er seine Güter einem Verwalter, um in Wien Quartier zu nehmen. Dies hätte er noch keinen Tag bereut, vor allem seit er die große Krones auf der Bühne gesehen und in sein Herz geschlossen hätte.

      Wen wundert’s, dass die Schauspielerin auf ihrer Chaiselongue dahinschmolz. Da saß ein eleganter und offensichtlich steinreicher Aristokrat neben ihr, die aus kleinen Verhältnissen stammend zum Liebling der Wiener geworden war. Ein 37-jähriger Graf, der ernsthaftes Interesse für eine Soubrette zeigte, das war schon etwas Besonderes im biedermeierlichen Wien.

      2. Akt. Die Liebe. Und Severin scheint ernst zu meinen, was er verspricht. Holt er sie doch von nun an regelmäßig nach der Vorstellung ab, um die von ihm Verehrte in mondäne Lokale zu führen. Es dauert auch nicht lange, bis Therese dem sicheren Auftreten und dem Charme des polnischen Edelmannes erliegt.

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       Sie war Wiens populärste Schauspielerin ihrer Zeit: Therese Krones

      Jaroszynski zögert nicht, seinen scheinbar grenzenlosen Reichtum unter Beweis zu stellen. Er beschenkt die Diva mit Schmuck, Pelzen und teuren Kleidern und lässt all das wahr werden, was eine Schauspielerin vom Leben zu erträumen vermag. Sie ist einem Magnaten begegnet, der sie verehrt, ja zu lieben scheint, und der in der Lage ist, ihr die Welt zu Füßen zu legen.

      Die Affäre der Schauspielerin mit Severin von Jaroszynski wurde im sensationslüsternen Wien zum Stadtgespräch. Das auffallende Paar tat auch nichts, um seine Liaison zu verbergen. Jaroszynski gab für die Krones und ihre Kollegen ausschweifende Trinkgelage, bei denen der Champagner in Strömen floss.

      Die Schauspielerin wollte sich durch nichts in der Welt von ihrer Liebe zu dem Grafen abbringen lassen, auch nicht, als erste Gerüchte auftauchten, denen zufolge es mit dem Reichtum ihres Galans nicht so weit her sein sollte. So erzählte man am Theater, dass beim Schneider Wisgrill zwei Fracks, 15 Westen, zehn Pantalons und eine Dienerlivree offen wären, und dass ein stadtbekannter Wucherer auf Begleichung seiner Forderungen drängte. Die vor Liebe glückselige Künstlerin lachte nur, wenn Derartiges an sie herangetragen wurde, wusste sie doch aus Severins Erzählungen, dass vom Verwalter des gräflichen Anwesens namhafte Beträge nicht rechtzeitig überwiesen wurden, wodurch er in eine vorübergehende Verlegenheit geraten sei.

      3. Akt. Der Raubmord. Doch dann geschieht Unglaubliches. Am 13. Februar 1827 wird der 70-jährige Priester und Mathematikprofessor Johann Konrad Blank in seiner Wohnung Ecke Seilerstätte/Annagasse von Schülern tot aufgefunden. Ein Unbekannter hat sein wehrloses Opfer mit mehreren Messerstichen getötet und Obligationen im Wert von 60 000 Gulden geraubt. Jaroszynski sprach mit der Krones über den Kriminalfall und zeigte, wie jedermann in Wien, seine große Erschütterung.

      4. Akt. Die Verhaftung. Drei Tage später gibt der Graf in seiner eleganten Wohnung im Trattnerhof eines seiner feudalen Soupers, zu dem mehrere Freunde geladen sind. Gerade als die Krones zur Freude der illustren Gäste ihr berühmtes Lied Brüderlein fein anstimmt, wird die Wohnung durch Polizeibeamte gestürmt, von denen einer sofort losschreit: »Severin von Jaroszynski, Sie werden als Mörder von Professor Blank erkannt und verhaftet!«

      Die Gäste glauben ihren Augen und Ohren nicht zu trauen, Therese Krones muss fassungslos mit ansehen, wie der geliebte Mann in Ketten gelegt und abgeführt wird. Zyniker bemerken, dass Raimunds Liedzeile »Einmal muss geschieden sein« noch nie so gepasst hätte wie in diesem dramatischen Augenblick.

      Wie der Presse bekannt gegeben wird, hat der Täter nach dem Mord versucht, Wertpapiere aus dem Besitz seines Opfers beim Geldmakler Wedel am Graben zu verkaufen, der sofort Anzeige erstattete. Jaroszynski, sickerte jetzt durch, stammte zwar aus adligem, nicht jedoch aus gräflichem Hause. Er war mit einer Polin verheiratet, die ihm drei Kinder und ein großes Vermögen geschenkt hatte, das durch seine Verschwendungssucht und Spielleidenschaft verloren gegangen war. Als man ihm in seiner Heimat die Veruntreuung von Staatsgeldern nachwies, flüchtete er nach Wien, wo er Affären mit vielen Frauen pflegte. Eine von ihnen war die Krones.

      Als störrischer Knabe war Severin schon in seiner Jugend von den Eltern zur Ausbildung nach Wien geschickt worden, wo Abbé Blank sein Lehrer war. Als er diesem jetzt, viele Jahre später, einen Besuch abstattete, kam er auf die Idee, ihn zu töten und mehrere in der Wohnung frei umherliegende Aktien an sich zu nehmen. Mit dem Raubmord glaubte er seinen aufwendigen Lebensstil finanzieren zu können.

      Wien hatte seine Sensation. Die Geschichte von der schönen Schauspielerin und dem mordenden Grafen füllte die Zeitungsseiten. Das Publikum war jedenfalls empört, als die Krones wenige Tage später im Leopoldstädter Theater wie geplant ihren nächsten Auftritt im Bauer als Millionär absolvierte. Sonst immer mit Applaus empfangen, brach jetzt lautstarker Tumult aus. Therese Krones stand im Kostüm der Jugend ein paar Minuten lang unter Buhrufen und lautem Getrampel wie gelähmt da, ehe sie sich Hilfe suchend dem als Fortunatus Wurzel neben ihr stehenden Ferdinand Raimund zuwandte.

      »Fürcht dich nicht«, flüsterte der ihr zu, »die Leut werden dir nix tun. Fang einfach an.«

      Doch kaum hatte sie die ersten Worte des populären Liedes Brüderlein fein angestimmt, stieg der Lärmpegel weiter an, einzelne Zuschauer brüllten »Will sie uns verhöhnen?« und »Weg mit dem Mördergspusi«. Raimund und Therese Krones versuchten, die Situation gemeinsam zu retten, doch die Schauspielerin verlor vor Aufregung das Bewusstsein und die Vorstellung musste abgebrochen werden.

      In den folgenden Tagen wurde der seelisch und körperlich vollkommen niedergeschlagenen Künstlerin zugetragen, dass viele Wiener ihr die Schuld an dem grausamen Verbrechen gaben. Die grenzenlose Eitelkeit der Krones hätte den verliebten Mann zur Erfüllung ihrer unverschämten Wünsche nach Schmuck und teuren Kleidern verführt, weshalb er sich in Schulden gestürzt und schließlich keinen anderen Ausweg gesehen hätte, als den Raubmord zu begehen. Mehr noch, viele Menschen sahen die Krones als Mitwisserin oder gar Anstifterin der Tat.

      Zwar sollten sich derlei Anschuldigungen als völlig haltlos erweisen, doch das änderte nichts daran, dass das Renommee und die Popularität der Künstlerin schweren Schaden genommen hatten.

      5. Akt. Das Finale. Severin von Jaroszynski gestand die Tat trotz erdrückender Beweise