Georg Markus

Alles aus Neugier


Скачать книгу

so heiß …« Diesen an Deutlichkeit nicht zu überbietenden Brief schrieb der Gutsherr, Sportsmann, Abenteurer und Kunstmäzen Hans Graf Wilczek an Katharina Schratt, nachdem er mit ihr im Frühjahr 1886 eine Nacht in der von ihr gemieteten Villa Frauenstein am Wolfgangsee verbracht hatte.

      Der Beweis, dass es eine Dreiecksbeziehung Schratt–Kaiser–Wilczek gab, kann seit dem Jahr 2008 erbracht werden, als das Hofmobiliendepot der Republik Österreich 18 eng beschriebene Briefe des Grafen Wilczek an die Schratt erworben hat. Sie wurden nach eingehender Prüfung für echt befunden, ob ihrer zeitgeschichtlichen Bedeutung vom Bundesdenkmalamt für die Ausfuhr gesperrt und mir zur Veröffentlichung anvertraut.

      Der Kaiser reagierte stets gereizt, wenn es um den Grafen Wilczek ging – ohne wissen zu können, was hier tatsächlich lief. »Nie hätte ich mir erlaubt, Sie zu ersuchen, Wilczek nicht zu empfangen«, schrieb er an die Schratt, »ich war eben nur wieder eifersüchtig, da ich Sie so lieb habe (zerreißen Sie gleich diesen Brief).«

      Doch auch Wilczek fühlte, dass ihm der Kaiser im Wege stand: »Katherl, lass mich doch bei dir weilen lange, lange, ich werde dich ja nicht quälen – bei Wasser und Brot – allein sein mit dir, kein Butler soll uns stören und kein Kaiser.«

      Die Wilczek-Briefe an Katharina Schratt stammen aus den Jahren 1885/86. Die Schauspielerin hatte den Kaiser zwei Jahre davor, als sie ihm in einer Audienz als neues Mitglied des Burgtheaters vorgestellt worden war, zum ersten Mal getroffen und bald sein Interesse geweckt. Der Beginn der Beziehung zwischen der Schratt und dem Kaiser einerseits und ihrer Affäre mit dem Grafen Wilczek andererseits muss etwa zur gleichen Zeit stattgefunden haben.

image

       »Kein Butler soll uns stören und kein Kaiser«: Hans Graf Wilczek in einem seiner Briefe an seine Geliebte Katharina Schratt

      Die Schratt war damals 32 Jahre alt, Wilczek 48, der Kaiser 55. Doch auch wenn der Graf in seinen Briefen immer wieder von »ewiger Treue« spricht, kann nichts darüber hinwegtäuschen, dass alle Beteiligten zum Zeitpunkt der ménage à trois verheiratet, also in höchstem Maße untreu, waren: Franz Joseph seiner Sisi, die Schratt ihrem Ehemann Nikolaus von Kiss und Wilczek seiner Frau Emma.

      All das hinderte den Grafen nicht, seine geliebte Kathi immer wieder mit Beteuerungen seiner großen Liebe zu beglücken. Der Korrespondenz ist zu entnehmen, dass die Beziehung zum Grafen wesentlich leidenschaftlicher war als die zum Kaiser, wie Briefzitate Wilczeks an die Schratt aus den Jahren 1885/86 belegen:

      image»Ich hab dich so gern, dich, dich dich, meine Frau, meine Kathi.«

      image»Ich denk und fühl nichts anderes als Liebe, Liebe, Liebe zu dir.«

      image»Du bist ja die beste Frau auf der ganzen Welt und die edelste Frau. Du bist mein Ideal – meine Kathi … Kathi, ich gehöre dir, mein ganzes Leben – daher möchte ich recht lange leben – das Leben aber wie du es mich führen lässt, richtet mich früher als nötig zugrunde.«

      image»Alle Tage liebe ich dich heißer und leidenschaftlicher – ich fühle mich jeden Tag fester an dich gebunden und gekettet.«

      image»Bitte Katherl, sei gut für mich – ich hab ja ein Recht auf dich – so wie ich selbst nur dir gehöre!«

      image»Auf Wiedersehen morgen Dienstag, bitte Katherl sei allein, wenn ich komm. Dein dich liebender treuer Mann Hans.«

      Die Schratt war seit 1879 mit dem ungarischen Diplomaten Nikolaus von Kiss verheiratet, dem sie ein Jahr später einen Sohn schenkte. Die Ehe blieb zwar bis zu Kiss’ Tod am 21. Mai 1909 aufrecht, existierte aber schon nach kurzer Zeit nur auf dem Papier, da er sich als Mitglied des diplomatischen Corps selten in Wien aufhielt.

      Zu den Pikanterien in der Dreiecksgeschichte Kaiser–Wilczek–Schratt zählt auch die Tatsache, dass Franz Joseph und der Graf einander gut kannten: Der Kaiser war Protektor von Wilczeks Rettungsgesellschaft und hatte ihn, ein Jahr bevor sie zu Rivalen wurden, zum Geheimen Rat und zum Mitglied des Herrenhauses ernannt. Außerdem war Wilczeks Ehefrau eine Hofdame von Franz Josephs Mutter Sophie.

      Erstaunlich auch, dass der Graf, der sonst mit beiden Beinen im Leben stand, seine Briefe an »meine Kathi, meine Gottheit« schwärmerisch wie ein Teenager formulierte: »Katherl, du kannst mich geistig und körperlich zugrunde richten, töten, aber los wirst du mich weder im Leben noch nach dem Tod.«

image

      Die Schratt war mit Nikolaus von Kiss verheiratet, doch der Diplomat hielt sich kaum je in Wien auf.

      Wilczek spürte freilich, dass das »Dreieck« auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten sein würde – schon weil der Kaiser ein übermächtiger Gegner war. Und so musste sich die Schratt nach mindestens zweijähriger Doppelgleisigkeit für einen ihrer beiden Verehrer entscheiden – und sie entschied sich für den Kaiser. Eher aus praktischen als aus emotionalen Gründen, denn natürlich war es für die aus kleinen Verhältnissen stammende Schauspielerin der ungleich größere gesellschaftliche Aufstieg, die Vertraute des Kaisers als die Geliebte eines Grafen zu sein.

      In der Tat wirkte sich die Verbindung mit Franz Joseph lange Zeit günstig für ihre Karriere am Burgtheater aus. Der Kaiser war ein so treuer Besucher ihrer Vorstellungen, dass man sich im Publikum, sobald Franz Joseph seine Loge betrat, zuraunte: »Da schau her, der Herr Schratt is heut wieder da!« Vor allem aber schenkte der Kaiser der Freundin Unmengen an Schmuck, ein Palais an der Ringstraße und eine Villa in Hietzing. Und er beglich Spielschulden in Millionenhöhe, die sich bei der krankhaften Roulette-Spielerin anhäuften. Aber auch Graf Wilczek ließ sich nicht lumpen, wenn es darum ging, die Geliebte in sicherer Abgeschiedenheit treffen zu können. Laut Auskunft seiner Nachfahren dürfte er eigens für seine Rendezvous mit Katharina Schratt das Salzburger Schloss Moosham erworben haben, das sich heute noch in Familienbesitz befindet.

      Das Verhältnis der Schratt mit dem Kaiser hielt 30 Jahre lang – bis zu seinem Tod im November 1916. Wann ihre Affäre mit Hans Graf Wilczek endete, wissen wir nicht genau.

      Während sich in dem Konvolut 18 Wilczek-Briefe an die Schratt befinden, blieb von ihr nur eine einzige Karte an den Grafen erhalten: »Morgen Sonntag, bin ich zu Haus Vormittag von halb 10 bis 12 Uhr oder Nachmittag von halb 3 bis 5 Uhr. Ich freue mich sehr auf Morgen; aber bitte bestimmt kommen, wenn möglich lieber Vormittag. Kathi.«

      Die Zeilen der Schratt an den Grafen sind nicht so feurig wie die seinen, sie zeigen aber, dass auch sie großes Interesse an der Beziehung hatte. Es ist leicht nachvollziehbar, dass sich die 32-jährige Schratt in den