die Namen Wilczeks und König Ferdinands in den Briefen des Kaisers an die Schratt immer wieder auftauchen, wird Viktor Kutschera kein einziges Mal erwähnt. Franz Joseph dürfte also von einer Freundschaft oder gar Beziehung nicht einmal etwas geahnt haben, während er in den beiden anderen Fällen immer wieder panisch reagierte. Katharina Schratts Affären mit Wilczek und Kutschera waren schon länger gerüchteweise bekannt, die schriftlichen Beweise bestätigten dies nun.
Es stellt sich die Frage, warum die Schratt von so vielen Männern, die in ihrem Metier herausragende Persönlichkeiten waren, begehrt wurde. Von ihr ging zweifellos als Frau und als Schauspielerin ein besonderer Zauber aus, der auch eine große erotische Anziehungskraft entwickelte. Was den Kaiser betrifft, der wie ein Gefangener in seinen Palästen lebte, kam hinzu, dass sie für ihn »das Fenster zur Welt« war, dass er nur durch sie erfahren konnte, wie die einfachen Leute dachten und fühlten.
Während Franz Joseph die Schratt geliebt hat, erwiderte sie seine Gefühle eher mit Sympathie und Zuneigung: die Schauspielerin und der Kaiser in Bad Ischl
Fest steht, dass sie eine berechnende Frau war, für die nur mächtige, prominente und wohlhabende Männer als Liebhaber infrage kamen. Am besten wurden diese Eigenschaften natürlich von Kaiser Franz Joseph erfüllt, dem sie allerdings von all ihren Verehrern am wenigsten Zuneigung schenkte. Doch auch ihre anderen Galane mussten erstrangige »Partien« sein; entsprach einer nicht mehr dieser Vorgabe, wurde er – wie ihr Ehemann Nikolaus von Kiss – schnell fallen gelassen.
Klar ist auch, dass sich die Schratt ihre Gunst, vor allem vom Kaiser, teuer bezahlen ließ. Dennoch muss man ihr zugutehalten, dass sie sehr wohl wusste, wo die Grenzen lagen: Als Franz Joseph 1916 starb, bekam sie Angebote amerikanischer Buch- und Zeitschriftenverlage, die ihr für die Veröffentlichung ihrer Erinnerungen an den mächtigsten Monarchen Europas mehrere Millionen Dollar boten. Sie aber lehnte alle Angebote ab und schwieg. Und das, obwohl sie damals schon in wesentlich bescheideneren Verhältnissen lebte und den Großteil ihres Schmucks hatte verkaufen müssen.
Die einst gefeierte und von außergewöhnlichen Männern umschwärmte k. u. k. Hofschauspielerin starb am 17. April 1940 im Alter von 87 Jahren vereinsamt in Wien. Sie hatte alle ihre Verehrer bis auf einen überlebt. Nur Ferdinand I., der im Oktober 1918 als König von Bulgarien abdanken musste, war noch am Leben. Er hatte sein Exil im fernen Coburg gefunden.
Aus »Katharina Schratt, Die heimliche Frau des Kaisers« (1982) und »Es war ganz anders, Geheimnisse der österreichischen Geschichte« (2013)
*Siehe Seiten 261–267
WIE VIEL VERDIENTE MOZART?
Die finanzielle Situation des Komponisten
»So bitte ich Sie, mir wenigstens bis morgen ein paar hundert Gulden zu leihen.«
Aus einem Bettelbrief Wolfgang Amadeus Mozarts an seinen Freund Michael Puchberg, Juni 1788
Eine ganze Industrie lebt heute von Mozart, von den nach ihm benannten Kugeln und Schokoladetalern, von Büsten, Shops, Ausstellungen, Ansichtskarten, Fernsehrechten. Und von seiner Musik. Und wie ging’s Mozart?
Wenn das Genie auch keineswegs sein ganzes Leben lang Not leidend war, wie es oft fälschlich dargestellt wird, steht doch fest, dass er zeitweise nicht wusste, wie er sich und seine Familie ernähren sollte. Der Bettelbrief an den Kaufmann Michael Puchberg stammt aus einer besonders schöpferischen Phase des hoch verschuldeten Musikers: Der 32-jährige Mozart hatte gerade Don Giovanni fertiggestellt und mehrere Symphonien geschrieben (deren Originalnotenblätter bei Sotheby’s-Versteigerungen in London Millionen erzielten). Er war durch Konzertreisen und als Komponist der Hochzeit des Figaro oder der Entführung aus dem Serail längst in ganz Europa berühmt geworden.
Trotzdem: Mozart hat – vor allem in seinen letzten drei Lebensjahren – Dutzende solcher Bettelbriefe geschrieben. Wir können, dokumentiert durch seinen Nachlass, sehr genau feststellen, wie viel der so verklärt als »Wolferl« dargestellte Komponist verdiente. Mozart lebte in den 1780er-Jahren in Wien, wo er am Hof Kaiser Josephs II. als k. k. Kammer-Kompositeur angestellt war und ein jährliches Salär von 800 Gulden* erhielt. Seine soziale Stellung lag zwischen der eines Stallmeisters und der eines Kammerdieners. In seinen guten Jahren verdiente er mehr als ein Arzt oder Universitätsprofessor, und doch war er fast immer hoch verschuldet.
»Es ist schröcklich«, schreibt er 1778 an seinen Vater Leopold Mozart, »wie geschwind ein thaller weg ist«, und zehn Jahre später ersucht er seinen Freund und Logenbruder Puchberg, ihm sofort unter die Arme zu greifen, »weil mein hausherr auf der Landstraße so indiscret war, dass ich ihn gleich auf der stelle auszahlen musste«. Auch aus diesem Brief geht seine Verzweiflung hervor: »Ich bitte Sie bey unserer Freundschaft um diese gefälligkeit, es müsste augenblicklich etwas geschehen. Verzeihen Sie meine Zudringlichkeit, aber sie kennen meine Lage …«
Bekanntlich war Mozart als »Wunderkind« am Hof Maria Theresias aufgetreten. Der Sechsjährige hatte schon damals sein erstes Honorar erhalten: gemeinsam mit Schwester Nannerl »je ein Galakleid und die Familie ein Ehrengeschenk von 100 Dukaten«, einen relativ stolzen Betrag also.
In seinen Jugendjahren wurde Mozart vom sparsamen Vater dazu angehalten, stets auf die pekuniäre Situation zu achten, denn »aufs Geld einnehmen muss alle Bemühung gehen, und aller Bedacht aufs wenig ausgeben, so viel es möglich ist; sonst kann man nicht mit Ehre reisen; ja sonst bleibt man gar sitzen, und setzt sich in Schulden« (Leopold an Wolfgang, 15. Oktober 1777).
Verdiente gut, war aber dennoch fast immer verschuldet: Wolfgang Amadeus Mozart
Wolfgang antwortet von einem Aufenthalt in Paris: »Ich werde nun mein möglichstes thun, um hier so viel wie möglich geld zu machen – ich thu es itz in der süssen hoffnung, dass bald eine veränderung geschieht, denn lection geben ist hier kein spass, man muss sich ziemlich abmatten damit; und nimmt man nicht viele (Schüler, Anm.), so macht man kein geld; sie därfen nicht glauben, dass es faulheit ist – Nein! – sondern weil es ganz wider mein genie, wider meine lebensart ist – Sie wissen, dass ich so zu sagen in der Musique stecke.«
Es war also für Mozart alles andere als angenehm, ans Geldverdienen zu denken. Statt sich aufs Komponieren konzentrieren zu können, musste er sich mit großteils unbegabten Schülern abplagen.
In Wien lebte Mozart seit 1781, nachdem er sich mit Salzburgs Erzbischof, für den er als Hofkonzertmeister tätig war, überworfen hatte. »Seyen Sie versichert«, beruhigte er den besorgten Vater, »dass ich mein absehen nur habe, so viel möglich geld zu gewinnen; denn das ist nach der gesundheit das beste.«
»Erschwerend« kam hinzu, dass Mozart, wie seine Schwester Nannerl nach seinem Tod sagte, mit Geld nicht umgehen konnte und im Kartenspiel sein Glück versuchte – und natürlich nicht fand.
Der Komponist hat in Wien 14 Wohnungen bewohnt, die er meist wieder verließ, weil er die Miete nicht zahlen konnte. Im September 1784 mietete er sich im Haus Domgasse 5 ein, in dem er länger bleiben sollte als in jedem anderen. Aus einem Brief seines Vaters wissen wir, wie viel er für die Vier-Zimmer-Wohnung zu zahlen hatte. Leopold Mozart schrieb 1785 an Tochter Nannerl: »Dass Dein Bruder ein so schönes Quartier mit aller zum Haus gehörigen Auszierung hat, möget Ihr daraus schließen, dass er 480 Gulden* Zins zahlet.«
Obwohl die Wohnung die größte und teuerste war, die Mozart je bewohnt hat, blieb ihm auch hier das Wort »Komfort« fremd. Die bürgerlichen Zinshäuser waren auf katastrophalem hygienischem Niveau, jedes Stockwerk