Georg Markus

Alles aus Neugier


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      »Ihre Information ist richtig. Unsere Eltern haben am Tag ihrer Eheschließung die Eintragung im Trauungsbuch gesehen. Sowohl unser Vater als auch unsere Mutter haben mehrmals davon erzählt und empfanden es als begrüßenswerten Zug des Kaisers, Frau Schratt geheiratet zu haben.«

      Sämtliche der hier genannten Zeugenaussagen liegen in Form eidesstattlicher Erklärungen vor.

      Bischof Kamprath konnte der Schratt das Trauungsbuch freilich nicht mehr aushändigen, da es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr existierte. Als die Nationalsozialisten nämlich am 12. März in Österreich einmarschierten, wurden zahlreiche Dokumente des Geheimarchivs vernichtet, weil man im Erzbischöflichen Palais Angst vor indiskreten Veröffentlichungen durch die Gestapo hatte.

      Monsignore Nedbal kam jedenfalls zu folgendem Schluss: »Im Erzbischöflichen Ordinariat Wien wird durch Aussagen von Gewährsleuten vermutet, dass diese Hochzeit tatsächlich stattgefunden hat. Sollte das Trauungsbuch wider Erwarten eines Tages auftauchen, wäre es denkbar, dass der Kardinal die Geheimhaltung dieser Gewissensehe aufgrund einer kirchenrechtlichen Bestimmung aufhebt.«

      Auch in Klaus Mörsdorfs Lehrbuch des Kirchenrechts findet sich ein unmissverständlicher Hinweis auf diese Heirat. Über die Gewissensehe ist in dem Standardwerk der katholischen Kirche nachzulesen: »Der wichtigste Anwendungsfall ist die Missheirat königlicher oder fürstlicher Personen (zum Beispiel das Verhältnis eines verwitweten Monarchen mit einer Schauspielerin).«

      Deutlicher kann auf eine Eheschließung des römisch-katholischen, verwitweten Monarchen Franz Joseph mit der Schauspielerin Katharina Schratt wohl kaum hingewiesen werden. Es gab und gibt keinen zweiten Fall eines Paares, auf den diese Zeilen anzuwenden wären.

      Michael Habsburg-Lothringen, ein Urenkel Kaiser Franz Josephs, ist selbst Historiker und gibt zu der Eheschließung folgende Stellungnahme ab: »Mir ist die These über eine Gewissensehe zwischen Kaiser Franz Joseph I. und Katharina Schratt bekannt und ich will sie auch gar nicht unbedingt ableugnen. Es könnte der Einstellung und dem Charakter des Kaisers durchaus entsprechen, dass er nach der jahrelangen Verbindung diese auch legalisieren wollte. Es ist ja bekannt, dass mein Urgroßvater ein sehr gewissenhafter und korrekter Mann war. Ich kann nicht für die gesamte Familie Habsburg sprechen, aber ich persönlich würde diese Heirat keinesfalls als ›Familienkatastrophe‹ bezeichnen. Man könnte eine Gewissensehe nach all den Schicksalsschlägen, die Franz Joseph erlitten hat, mit einem ihm nahestehenden Menschen wie Frau Schratt ohne Weiteres verstehen und akzeptieren.«

      Es gibt keinen Zweifel, dass die Berichte und eidesstattlichen Erklärungen der – durchwegs honorigen – Zeugen äußerst glaubwürdig sind. Dazu kommt, dass auch weitere Schriftstücke und historische Unterlagen eine Ehe zwischen Kaiser und Schauspielerin bestätigen:

      So hat Kaiserin Elisabeth, die diese Beziehung überhaupt erst in die Wege geleitet hatte, mehrmals – zuletzt in Bad Kissingen, kurz vor ihrem Tod – davon gesprochen, dass ihr Mann, falls sie vor ihm sterben würde, Frau Schratt in zweiter Ehe heiraten sollte. Klar lässt sich das aus den Tagebüchern ihrer Tochter Erzherzogin Marie Valerie ersehen. Bereits am 28. Mai 1890, also acht Jahre vor der Ermordung ihrer Mutter, trug Marie Valerie ein, dass sie von Elisabeth aufgefordert wurde, »falls sie stürbe … Papa zuzureden, Schratt zu heiraten«.

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       Hat Katharina Schratt zwischen 1910 und 1916 den Kaiser geheiratet?

      Und kurz nach Elisabeths Tod vermerkte Marie Valerie, datiert mit dem 11. Juli 1899: »Lossagen wird er sich nie und nimmer von ihr (Frau Schratt, Anm.), und heiraten kann er sie ja leider nicht, denn sie ist ja ganz rechtmäßig verheiratet.«

      Dieses »Ehe-Hindernis« war zehn Jahre später nicht mehr existent, als nämlich Nikolaus von Kiss, der Ehemann der Schratt, am 21. Mai 1909 einem Herzschlag erlag. Die mutmaßliche Hochzeit zwischen Kaiser und Schauspielerin könnte also – nach Verstreichen des üblichen Trauerjahres – zwischen 1910 und 1916, dem Todesjahr Franz Josephs, stattgefunden haben.

      Schließlich sei noch vermerkt, dass ein solcher Schritt in der damaligen Zeit sowohl kirchlich als auch vor den staatlichen Instanzen zu einer völlig korrekten Ehe führte: Während die Republik Österreich heute nur eine vor dem Standesamt geschlossene Ehe akzeptiert, reichte bis 1939 das kirchliche Sakrament aus. Fand die Trauung also tatsächlich statt, war Katharina Schratt (beziehungsweise: Katharina von Habsburg-Lothringen) die rechtmäßige Frau des Kaisers von Österreich und Königs von Ungarn. Sie war jedoch keinesfalls »Kaiserin«, da es niemals eine Krönung gegeben hat.

      In Fernsehsendungen und Zeitungsserien wurde nach Erscheinen meiner Schratt-Biografie noch lange darüber diskutiert, ob die Schauspielerin und der Kaiser tatsächlich verheiratet gewesen sind oder nicht. Bis mir der Burgschauspieler und Katharina-Schratt-Neffe Peter Schratt in einem Club 2 die erlösende Frage stellte: »Ist das nicht eigentlich völlig egal?«

      Und ich ihm irgendwie recht geben musste.

      Aus »Katharina Schratt, Die heimliche Frau des Kaisers« (1982)

      FRAU SCHRATT GEHT FREMD

       Affären, die sie dem Kaiser verschwieg

      Noch ein Schratt-Kapitel. Es zeigt eine Seite der Schauspielerin, die mir 1982, als ich ihre Biografie schrieb, in dieser Form noch nicht bekannt war. Damals konnte ich anhand der Aussagen von Zeitzeugen, der vorliegenden Korrespondenz und anderer Dokumente davon ausgehen, dass die Schratt eine dem Kaiser treu ergebene Gefährtin war. Heute weiß ich, dass sie ihm zwar ergeben, aber sicher nicht treu war.

      Ich weiß das, weil man mir drei Jahrzehnte nach Erscheinen der Schratt-Biografie Einsicht in Briefe und Unterlagen gewährte, aus denen klar hervorgeht, dass die Schauspielerin, pardon, ein ziemliches Luder war, das den Kaiser nach Strich und Faden betrogen hat. Es gibt gleich mehrere Liebschaften der Grande Dame des Burgtheaters, die hier dokumentiert werden können. Und alle ereigneten sich parallel zu ihrer Beziehung mit dem Kaiser.

      Die Lovestory Franz Josephs und der Schauspielerin wurde mit großer Diskretion behandelt, aber die Bewohner der Donaumonarchie wussten davon bis in den hintersten Zipfel von Galizien Bescheid, und sie hatten sogar Verständnis für ihren Regenten, da seine Gemahlin Elisabeth ständig auf Reisen war und ihn oft über Monate allein ließ. Kein Wunder also, dass der Kaiser nach einer Frau suchte, die ihm Seelenfreundin und Geliebte sein konnte. Und er fand die Schratt.

      Franz Joseph sparte nicht mit Liebesbeteuerungen: »Ich habe Sie eben fürchterlich lieb«, schreibt er einmal, dann nennt er die Schauspielerin »mein heißgeliebter Engel« und wird an anderer Stelle noch deutlicher: »Dieses ist mein letzter Brief vor dem ersehnten, endlichen Wiedersehen. Da ich am 19. ungefähr um 6 Uhr Früh in Schönbrunn eintreffen werde, so werde ich mir erlauben um 8 Uhr oder etwas später, in der Gloriette Gasse zu erscheinen mit der Hoffnung, Sie, den Zeitumständen entsprechend, endlich wieder einmal zu Bett zu finden, was Sie mir auch halb und halb versprochen haben.«

      Die Schratt reagiert, wenn der Kaiser auf Reisen ist, nicht minder gefühlsbetont: »Ich denke Tag und Nacht an Eure Majestät und erwarte mit unsagbarer Sehnsucht die endliche Rückkunft.«

      Nun wirft freilich ihre mir zugänglich gemachte Korrespondenz einen Schatten auf all das, was zwischen Kaiser und Schauspielerin belegt ist.

      »Kathi,