Uschi Zietsch

Elfenzeit 5: Trugwandel


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antwortete Fabio.

      »Oh«, machte sie. Nein, das durfte nicht geschehen, es wäre ein unverzeihliches Verbrechen, dieses fünftausend Jahre alte Wunderwerk zu zerstören.

      »Aber sie werden seine Magie einsaugen, wenn sie von ihm abgewandt sind, denn die Linien auf der Wand dort werden seine Magie reflektieren. Diese Reflexion dann ziehen die Spiegel an und lassen sie in der Sphäre verpuffen. Das bedeutet, wenn der Getreue seine Macht einsetzt, wird überhaupt nichts passieren.«

      Nadja runzelte die Stirn. »Aber er könnte die Spiegel doch einfach zerstören, wenn er sich nicht in ihnen reflektiert.«

      »Nicht mit dem Eisendraht drumherum«, erwiderte ihr Vater grinsend, während er anfing, die Spiegel aufzustellen und den Draht zu spannen. »Sobald er ihnen zu nah kommt, bricht das Eisen seine Magie. Und …« Er hielt einen winzigen Taschenspiegel hoch. »Den hier werde ich tatsächlich ihm zugewandt dort an die Wand kleben. David hat mir einen Zauber in die Hand gesprochen, den ich in Salbeiöl Salvia divinorum auf die Rückseite präpariert habe: Er wird sich immer so drehen, dass er genau die Augen des Getreuen reflektiert. Das wird dem Kerl ordentlich zu schaffen machen, glaub mir. Er wird kaum mehr etwas sehen können und nahezu handlungsunfähig sein.«

      Nadja half ihm, die Spiegel in die richtige Position zu bringen. »Aber das alles kann ihn doch nicht auf Dauer abhalten.«

      »Natürlich nicht«, stimmte Fabio zu. »Aber es verschafft uns die notwendige Zeit, bis Fanmór dieses Bauwerk ein für alle Mal versiegelt, dass nur noch Menschen es betreten können.«

      »Denkst du, er wird kommen?«

      »Er muss. Regiatus wartet nur auf unser Zeichen. Glaub mir, Nadja, der alte Riese mag ein Starrkopf sein, aber er ist nicht ignorant. Er weiß, was auf dem Spiel steht. Doch er kann nur handeln, wenn wir den Getreuen gefangen haben.«

      »Du willst ihn ernsthaft fangen?«, rief Nadja aus und bezähmte sich hastig.

      »Wieso denn nicht?«, erwiderte Fabio. »Skylla ist es doch auch gelungen. Wir werden ihn hoffentlich solange festhalten können, bis Fanmór fertig ist.«

      »Fabio, du bist größenwahnsinnig!«, schimpfte Nadja leise. »Wie konnte ich da nur mitmachen!«

      Er zuckte die Achseln. »Hast du eine bessere Idee?«

      »D-darum geht es nicht.«

      »Doch, genau darum.«

      Fabio richtete sich auf und betrachtete sein Werk kritisch. »Das wird hinhauen. Jetzt müssen David und Rian nur noch …« Schlagartig verstummte er und wirbelte herum. »Verdammt. Raus hier, Nadja, schnell!«

      Nadja stellte keine Fragen, sie raffte den Rucksack an sich und rannte augenblicklich los.

      Draußen erwartete sie Flutlicht, in dem sich menschliche Silhouetten bewegten. Geblendet sah Nadja sich um, konnte gerade noch zwei huschende Schemen in die Dunkelheit verschwinden sehen. Ein Glück, dass die Zwillinge auf Fabio gehört hatten.

      »Bleiben Sie stehen und zeigen Sie die Hände!«, erscholl eine scharfe Stimme.

      Nadja kam der Aufforderung augenblicklich nach, ihr Puls raste, und sie verfluchte sich, sowie Fabio, der neben ihr stand, und alle anderen dazu. Natürlich musste es schiefgehen, keine Frage, wann wäre schon einmal etwas glatt verlaufen. Alles umsonst! Sie hätte sich ohrfeigen können.

      Die Konturen eines kräftigen Mannes schälten sich aus dem Flutlicht, er trug die lehmfarbene Uniform der Security und eine Waffe im Halfter. Immerhin nicht im Anschlag. »Was haben Sie hier zu suchen?«

      Nadja war versucht zu sagen »meinen Ohrring«, aber das hätte alles nur noch schlimmer gemacht. »Es war ein Geburtstagsgeschenk«, sagte sie stattdessen. »Von meinem Vater.« Sie wies auf Fabio. »Wissen Sie, er glaubt, dass in dieser Nacht besondere magnetische Strömungen auftreten, bedingt durch den Mondstand, die sich positiv auf mein ungeborenes Kind …«

      »Sie redet völligen Unsinn, das ist kein Glaube, sondern alles wissenschaftlich erwiesen und hat eine ganz andere Bedeutung«, unterbrach Fabio. »Die Mondphasen wirken sich nicht nur auf die Gezeiten des Meeres aus, sondern …«

      Diesmal kam jedoch er nicht weiter. Ein zweiter, noch kräftigerer Security tauchte neben dem anderen auf und seufzte. »Zwei Spinner – war ja klar. Wer ist auch sonst so bescheuert, nachts hierherzukommen, wo es nichts gibt außer toten Steinen.« Er musterte zuerst Fabio, dann Nadja eindringlich aus kühlen blauen Augen, die von dem Schirm der tief in die Stirn geschobenen Uniformmütze halb beschattet wurden. »Wir sollten endlich mal ein Exempel statuieren, bevor wir noch mehr der Lächerlichkeit preisgegeben werden.«

      »Öffentliche Erschießung, was?« Der Erste feixte. »Das gefällt dir natürlich, Craig.«

      »Aye.« Der andere lachte boshaft.

      Nadja blinzelte; derartige Unterhaltungen schätzte sie nicht besonders, aber noch war es besser zu schweigen. Manchmal führten auch Polizisten solche kurzen Dialoge, um die Delinquenten einzuschüchtern. Doch Nadja war nicht sicher, ob es hier darum ging. Dieser Craig hielt sich wohl wirklich für einen tollen Kerl, so wuchtig wie er dastand, mit der Hand knapp an der Waffe und dem fast gierigen Glitzern in den Augen. Fragte sich nur, warum er kein Polizist oder Soldat geworden war, sondern Schutzposten für einen Haufen toter Steine. Mit solchen Typen hatte Nadja zur Genüge zu tun gehabt, und sie legte keinen Wert auf Wiederholung.

      Ein dritter Mann kam aus dem Tumulus heraus, der sich inzwischen drin umgesehen hatte. »McNamarra, die haben da Spiegel aufgestellt, die sie mit Draht verbunden haben.«

      Nadja rutschte das Herz in die Hose. Jetzt war wirklich alles aus. Rians Zauber hatte nicht funktioniert, oder sie hatte ihn noch nicht angebracht.

      Der Angesprochene neigte leicht den Kopf und dachte nach. »Also gut«, sagte er dann. »Kommen Sie bitte mit.« Er war sogar höflich! Nadja schöpfte Hoffnung. Er winkte dem anderen Mann. »Baut die Spiegel ab und bringt sie ins Besucherzentrum.«

      »Kein Schießkommando?«, fragte Craig, und die Enttäuschung klang gar nicht mal gespielt.

      »Heute nicht«, erwiderte McNamarra. »Sieh dich noch ein wenig im Gelände um, ob Komplizen von denen herumschwirren.«

      Craig grinste breit, zwinkerte Nadja zu und machte sich mit zwei weiteren Kollegen auf den Weg.

      Macht mich auch noch an und hält das wohl für eine gute Masche, der blöde Kerl, dachte sie wütend.

      Der Bus transportierte sie ins hell erleuchtete Besucherzentrum, wo sie in ein Büro geführt wurden und vor einem Schreibtisch Platz nehmen durften. McNamarra setzte sich dahinter.

      »Also, dann erzählen Sie mir mal, was das mit den Spiegeln zu bedeuten hat«, forderte er die beiden Ertappten auf.

      »Um den Effekt zu verstärken«, antwortete Fabio. »Das ist eine sehr komplizierte Apparatur, die ich selbst berechnet und entwickelt habe … aber natürlich hätten wir sie wieder abgebaut und nichts beschädigt.«

      »Aha. Können Sie sich ausweisen?«

      Auch jetzt lag Nadja etwas auf der Zunge, aber sie schüttelte lediglich den Kopf und sah den Mann aus großen, unschuldigen, fragenden und leicht ängstlichen Augen an. In solchen Schwierigkeiten steckte sie nicht das erste Mal, bei Reportagen kam das auch ab und zu vor. Sie wusste, wie man mit diesen Sicherheitsleuten umging. Man war brav, nahm sie ernst, zeigte sich kooperativ, hilflos und naiv.

      »Nein, die Ausweise haben wir natürlich daheim gelassen«, sagte Fabio und grinste stolz.

      Wir sind Bonnie und Clyde, dachte Nadja und fand die Situation plötzlich ziemlich komisch. Und außerdem, was sollte ihnen schon passieren? Sie hatten ein paar Tricks auf Lager, gegen die normale Menschen nicht ankamen, und McNamarra wirkte recht zivilisiert. Hauptsache, die Polizei wurde nicht eingeschaltet.

      »Sie sind nicht von hier.«

      »Oh nein, wir kommen aus Italien.«

      »Aber