mit Wollkragen, eine Überhose und alte Schuhe mit abgetretenen Hacken – und alles duftete nach der Ladung auf dem Lastwagen.
»Wir gingen meistens jeden Samstag zweimal hin«, erzählte Dick Fisher. »Die armen Mädchen an den Ständen waren nicht erfreut, wenn sie uns kommen sahen.«
»Später«, berichtete Fisher weiter, »begannen wir uns für die Frage der Sklaverei in Afrika zu interessieren. Während ich der Ansicht war, dass man Gewalt anwenden müsse, um die Sklaverei zu brechen, interessierte Jim sich mehr dafür, wie man die Frage missionarisch angehen könnte. Ich wies sofort auf die Gefahren von Kannibalensuppe hin (nach einem altmodischen Rezept besteht sie aus einem Teil Missionar auf hundert Teile Wasser); Jims Widerlegung dieses Einwandes war sein Vertrauen auf den Herrn, durch den, wie er sagte, im Laufe der Zeit viel mehr Menschen befreit worden seien als jemals durch Gewehre.
Jemand hatte Jim eine Sammlung von Gedichten geschenkt, und er fing an, Stellen aus bekannten Werken auswendig zu lernen. Immer, wenn ich in der Stadt war, ging ich ihn abends besuchen. Er saß dann an seinem Schreibtisch, und wenn ich hereinkam, fing er an mit ›Sprach der Rabe: Nimmermehr‹.
Ich hörte dann mit offenem Mund und staunend zu, wie er mit großartigem Gebärdenspiel die ganze Sache rezitierte.
Bei Frauen war Jim immer sehr auf der Hut, er fürchtete, sie seien nur darauf aus, einen Mann von seinen Zielen abzubringen. ›Männliche Wesen, die sich zähmen lassen, sind fürs Wagnis wenig brauchbar‹, sagte er warnend. Sooft eine junge Dame bei einer Geselligkeit zu freundlich wurde und ich anzubeißen schien, hörte ich eine leise Stimme neben mir: ›Nimm dich in Acht, Fisher, nimm dich in Acht!‹
Als ich von Portland fortgegangen war und in Washington im Ministerium arbeitete, schlug Jim vor, dass wir uns unsere Briefe in Gedichtform schreiben sollten, zwecks Vervollkommnung in Stil und Satzbau. Ich konnte bei Weitem nicht so gute Verse schreiben wie Jim, besaß auch keinen solchen Wortschatz, aber ich lernte von ihm so viel wie möglich. Dann beschloss ich, statt immer nur der Nehmende zu sein, ihm meinerseits auch etwas beizubringen. Ich besorgte mir ein Buch über die Sprache der Tschinuk-Ureinwohner und sandte ihm ein Exemplar. Wir fingen an und schrieben unsere Briefe in der Tschinuksprache. Auf diese Weise entgingen sie auch der Zensur.«
Während ihrer Zeit in Portland machten Fisher, Dutch und Jim gemeinsam Touren, und manchmal waren sie wochenlang unterwegs, ohne dass die Eltern wussten, wo sie steckten. Doch nicht immer ließ Jim sich überreden, diese Eskapaden mitzumachen, besonders wenn sie übers Wochenende gingen, denn er nahm seine Verantwortlichkeiten hinsichtlich des Gottesdienstes sehr ernst. Wenn sein Vater und Bert unterwegs waren, auf Evangelisationsfahrten in Arizona, fand Jim, dass er zu Hause sein sollte, um zu helfen, und dass er auch an den Sonntagsversammlungen teilnehmen sollte. Von solchen Fahrten schrieb sein Vater ihm oft Briefe; sie beeindruckten Jim sehr.
Fisher erzählt folgende Episode:
»Eines Freitagabends, als Jim und ich per Anhalter nach Hause fahren wollten, hatten wir ernste Schwierigkeiten, einen Wagen zu finden, der uns mitnahm. Da es regnete, standen wir am Eingang eines Ladens und liefen vor, sobald ein Auto ankam. An der Straßenecke war ein Stoppschild, und jeder Wagen musste anhalten. Nach einer Reihe falscher Alarme und leichter Verwirrung unsererseits kam ein älterer Herr angefahren. Während er nach links schaute, um zu prüfen, ob der Weg frei sei zum Überqueren der Hauptstraße, öffnete Jim die Wagentür – und wir saßen drinnen und hatten schon die Tür hinter uns zugemacht, bevor dem Fahrer aufging, was passiert war. Freundlich grinsend fragte Jim: ›Wie weit fahren Sie?‹ ›Sechzigste‹, stotterte der alte Herr. ›Das reicht für uns‹, sagte Jim, und wir fuhren mit bis zur Sechzigsten Straße, wo der Fahrer hielt und uns hinausließ. ›Vielen Dank für die Fahrt‹, sagte Jim, doch der alte Herr blickte drein, als ob er es sei, der mitgenommen worden war und sich zu bedanken hätte. Jim und ich konnten uns vor Lachen kaum noch halten, aber diesen Trick versuchten wir nicht wieder.«
Die Schuljungenstreiche lenkten Jim nicht von seinem Ziel ab, Gott zu dienen. Werner Durtschi, der Dritte im Bunde, erinnert sich an Folgendes:
»Eines Tages, kurz vor Jims letztem Schuljahr, sah ich ihn um den Sportplatz laufen und trainieren. Ich fragte ihn, wozu er das tue. Er sagte: ›Körperliche Übung ist für einiges nützlich.‹ Er kräftigte seinen Körper für die Strapazen des Missionarlebens.«
Ein anderer Klassenkamerad, Wayne McCroskey, erzählt:
»Jim und ich waren Mitglieder des Rednerklubs, dessen Satzung unter anderem besagte, dass man mit Ausschluss bestraft wird, wenn man eine zugewiesene rednerische Aufgabe nicht erfüllt. Der Klubvorsitzende gab uns während des Wahlkampfs Roosevelt – Dewey eine politische Rede auf, aber als Jim aufgerufen wurde, sagte er, er habe keine Rede. Der Vorsitzende machte ein besorgtes Gesicht, denn Jim war die stärkste Stütze des Klubs.
›Jim‹, sagte er, ›du kennst die Regeln. Wenn du keine Rede hältst, werde ich keine andere Wahl haben, als dich auszuschließen. Also komm schon. Vorbereitung hast du ja nicht nötig. Halt uns eine Stegreifrede über deinen Kandidaten.‹
Jim sah ihm genauso gerade in die Augen und sagte: ›Ich habe keinen bevorzugten Kandidaten, und ich halte auch keine Rede‹, und, indem er aufstand, ›es wird mir aber ein Vergnügen sein, dir die Gründe zu erklären, wenn du möchtest.‹
Dem Vorsitzenden ging mit einem Mal ein Licht auf. Jim hatte ihm von seiner Auffassung erzählt, wie er die Bibel verstehe – dass ein Jünger Jesu sich nicht an Krieg und Politik beteiligen könne. Verlegen erwiderte der Vorsitzende: ›Das ist nicht nötig, Jim. Ich glaube, wir alle verstehen deine Gründe, und ich verzichte auf die Einhaltung der Regel. Du bist entschuldigt.‹
Obwohl ich den gleichen Standpunkt vertrat wie Jim, wäre es mir nie in den Sinn gekommen, meine Mitgliedschaft im Klub aufs Spiel zu setzen wegen eines so geringen Anlasses. Jims Haltung war die Haltung von Esther: ›Komme ich um, so komme ich um.‹«
Der Zweite Weltkrieg war während Jims Oberschulzeit schon im Gang, und obwohl er nie einen Stellungsbefehl bekam und daher nicht gezwungen wurde, sich offiziell als Kriegsdienstverweigerer zu bekennen, stand seine Meinung über diese Frage fest. Er war der Überzeugung, die Gemeinde Christi habe, im Gegensatz zur israelitischen Gemeinschaft in der Zeit des Alten Bundes, alle nationalen und politischen Bindungen abgelegt – in den Worten des Neuen Testaments: »Denn unser Bürgerrecht ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Retter erwarten« (Philipper 3,20).
Jim war der Ansicht, dass der Grundsatz, den Jesus ein für alle Mal am Kreuz demonstriert habe, nämlich keinen Widerstand zu leisten, befolgt werden müsse, sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Leben.
Das Kriegsproblem gehörte zu denen, die er mit Klassenkameraden und Lehrern ausgiebig erörterte, und natürlich verringerten seine Ansichten seine Beliebtheit. Das Gleiche passierte, als er einen jungen chinesischen Prediger, Mun Hope, zu einer Schülerversammlung einlud. Der junge Chinese hielt vor dem gesamten Lehrkörper und sämtlichen Schülern eine unverfälscht biblische Predigt über Sünde und Gericht. Die beiden genannten Faktoren verdarben – nach dem Urteil von Fisher – Jims (ursprünglich beträchtliche) Chance, Klassenführer zu werden.
Wheaton, Illinois 1945 –1949
AKADEMISCHER TITEL
Die Erkenntnis bläht auf, die Liebe aber erbaut. Wenn jemand meint, er habe etwas erkannt, so hat er noch nicht erkannt, wie man erkennen soll; wenn aber jemand Gott liebt, der ist von ihm erkannt.
1. Korinther 8,1-3
Mancher Student, der an die Universität kommt und ins College einzieht, hat keine klare Vorstellung, wozu er nun eigentlich da ist. Er soll, wie es verschwommen heißt, »Bildung erwerben«, aber das haben viele auch ohne Universitätsstudium getan, und viele sind zur Universität gegangen, ohne Bildung zu erlangen. Der Gedanke des Bildungserwerbs tritt dem neuen Studenten in einer verwirrenden Vielfalt von Formen