Diener und Freund
L. v. Beethoven, kurf kölnischer Hoforganist.
An Eleonore von Breuning in Bonn.
Wien, den 2. November 1793.
Verehrungswürdige Eleonore!
Meine theuerste Freundinn!
Erst nachdem ich nun hier in der Hauptstadt bald ein ganzes Jahr verlebt habe, erhalten Sie von mir einen Brief, und doch waren Sie gewiß in einem immerwährendem lebhaften Andenken bei mir. Schon oft unterhielt ich mich mit Ihnen und Ihrer lieben Familie, nur öfters nicht mit der Ruhe, die ich dabei gewünscht hätte. Da war’s, wo mir der fatale Zwist noch vor schwebte, wobei mir mein damaliges Betragen so verabscheuungswerth vorkam. Aber es war geschehen, und wieviel gäbe ich dafür, wäre ich im Stande, meine damalige, mich so sehr entehrende, sonst meinem Charakter zuwiderlaufende Art zu handeln ganz aus meinem Leben tilgen zu können. Freilich waren mancherlei Umstände, die uns immer von einander entfernten, und wie ich vermuthe, war das Zuflüstern von den wechselweise gegen einander gehaltenen Reden hauptsächlich dasjenige, was alle Übereinstimmung verhinderte. Jeder von uns glaubte hier, er spreche mit wahrer Überzeugung, und doch war es nur angefachter Zorn, und wir waren beide getäuscht. Ihr guter und edler Charakter, meine liebe Freundinn, bürgt mir zwar dafür, daß Sie mir längst vergeben haben. Aber man sagt, die aufrichtigste Reue sei diese, wo man sein Vergehen selbst gesteht; dieses habe ich gewollt. – Und lassen Sie uns nun den Vorhang vor diese ganze Geschichte ziehen und nur noch die Lehre draus nehmen, daß, wenn Freunde in Streit gerathen, es immer besser sei, keinen Vermittler dazu zu brauchen, sondern daß der Freund sich an den Freund unmittelbar wende.
Sie erhalten hier eine Dedication von mir an Sie wobei ich nur wünschte, das Werk wäre größer und Ihrer würdiger. Man plagte mich hier um die Herausgabe dieses Werkchens, und ich benutzte diese Gelegenheit, um Ihnen, meine verehrungswürdige Eleonore, einen Beweis meiner Hochachtung und Freundschaft gegen Sie und eines immerwährenden Andenkens an Ihr Haus zu geben. Nehmen Sie diese Kleinigkeit hin, und denken Sie dabei, sie kömmt von einem Sie sehr verehrenden Freunde. O, wenn Sie Ihnen nur Vergnügen macht, so sind meine Wünsche ganz befriedigt. Es sei eine kleine Wieder Erweckung jener Zeit, wo ich so viele und so selige Stunden in Ihrem Hause zubrachte; vielleicht erhält es mich im Andenken bei Ihnen, bis ich einst wiederkomme, was nun freilich sobald nicht sein wird. O wie wollen wir uns dann, meine liebe Freundinn, freuen; Sie werden dann einen fröhlichern Menschen an Ihrem Freunde finden, dem die Zeit und sein besseres Schicksal die Furchen seines vorhergegangenen, widerwärtigen ausgeglichen hat.
Sollten Sie die B. Koch sehen, so bitte ich Sie, ihr zu sagen, daß es nicht schön sei von ihr, mir gar nicht einmal zu schreiben. Ich habe doch zwei Mal geschrieben; an Malchus schrieb ich drei Mal und – keine Antwort. Sagen Sie ihr, daß wenn sie nicht schreiben wollte, sie wenigstens Malchus dazu an treiben sollte. Zum Schlusse meines Briefes wage ich noch eine Bitte; sie ist, daß ich wieder gerne so glücklich sein mögte, eine von Hasen-Haaren gestrickte Weste von Ihrer Hand, meine liebe Freundinn, zu besitzen. Verzeihen Sie die unbescheidene Bitte Ihrem Freunde. Sie entsteht aus großer Vorliebe für Alles, was von Ihren Händen ist, und heimlich kann ich Ihnen wohl sagen, eine kleine Eitelkeit liegt dabei mit zum Grunde, nämlich: um sagen zu können, daß ich etwas von einem der besten, verehrungswürdigsten Mädchen in Bonn besitze. Ich habe zwar noch die erste, womit Sie so gütig waren, mich in Bonn zu beschenken, aber sie ist durch die Mode so unmodisch geworden, daß ich sie nur als etwas von Ihnen mir sehr Theures im Kleiderschrank aufbewahren kann. Vieles Vergnügen würden Sie mir machen, wenn Sie mich bald mit einem lieben Briefe erfreuten. Sollten Ihnen meine Briefe Vergnügen verursachen, so verspreche ich Ihnen gewiß, so viel mir möglich ist, hierin willig zu sein, so wie mir Alles willkommen ist, wobei ich Ihnen zeigen kann, wie sehr ich bin
Ihr Sie verehrender
wahrer Freund
L. v. Beethoven.
P. S. Die Variationen werden etwas schwer zum Spielen sein, besonders die Triller im Coda. Das darf Sie aber nicht abschrecken. Es ist so veranstaltet, daß Sie nichts als den Triller zu machen brauchen, die übrigen Noten lassen Sie aus, weil sie in der Violinstimme auch vorkommen. Nie würde ich so etwas gesetzt haben; aber ich hatte schon öfter bemerkt, daß hier und da einer in Wien war, welcher meistens, wenn ich des Abends fantasirt hatte, des andern Tages viele von meinen Eigenheiten aufschrieb, und sich damit brüstete. Weil ich nun voraus sah, daß bald solche Sachen erscheinen würden, so nahm ich mir vor, ihnen zuvorzukommen. Eine andere Ursache war auch dabei, die hiesigen Klaviermeister in Verlegenheit zu setzen, nämlich: Manche davon sind meine Todfeinde, und so wollte ich mich auf diese Art an ihnen rächen, weil ich voraus wußte, daß man ihnen die Variationen hier und da vorlegen würde, wo die Herren sich dann übel dabei produciren würden.
Beethoven.
An dieselbe.
Äußerst überraschend war mir die schöne Halsbinde von Ihrer Hand gearbeitet. Sie erweckte in mir Gefühle der Wehmuth, so angenehm mir auch die Sache selbst war. Erinnerung an vorige Zeiten war ihre Wirkung, auch Beschämung auf meiner Seite durch Ihr großmüthiges Betragen gegen mich. Wahrlich ich dachte nicht, daß Sie mich noch Ihres Andenkens würdig hielten. O hätten Sie Zeuge meiner gestrigen Empfindungen bei diesem Vorfall sein können, so würden Sie es gewiß nicht übertrieben finden, was ich Ihnen vielleicht hier sage, daß mich Ihr Andenken weinend und sehr traurig machte. Ich bitte Sie, so wenig ich auch in Ihren Augen Glauben verdienen mag, glauben Sie mir, meine Freundinn (lassen Sie mich Sie noch immer so nennen), daß ich sehr gelitten habe und noch leide durch den Verlust Ihrer Freundschaft. Sie und Ihre theure Mutter werde ich nie vergessen. Sie waren so gütig gegen mich, daß mir Ihr Verlust nicht sobald ersetzt werden kann und wird, ich weiß, was ich verlor, und was Sie mir waren, aber – ich müßte in Scenen zurückkehren, sollte ich diese Lücke ausfüllen, die Ihnen unangenehm zu hören und mir, sie darzustellen sind.
Zu einer kleinen Wiedervergeltung für Ihr gütiges Andenken an mich, bin ich so frei, Ihnen hier diese Variationen und das Rondo mit einer Violin zu schicken. Ich habe sehr viel zu thun, sonst würde ich Ihnen die schon längst versprochene Sonate abgeschrieben haben. In meinem Manuskript ist sie fast nur Skizze, und es würde dem sonst so geschickten Paraquin selbst schwer geworden sein, sie abzuschreiben. Sie können das Rondo abschreiben lassen und mir dann die Partitur zurückschicken. Es ist das Einzige, das ich Ihnen hier schicke, was von meinen Sachen ohngefähr für Sie brauchbar war, und da Sie jetzt ohnedies nach Kerpen reisen, dachte ich, es könnten diese Kleinigkeiten Ihnen vielleicht einiges Vergnügen machen.
Leben Sie wohl meine Freundinn. Es ist mir unmöglich, Sie anders zu nennen, so gleichgültig ich Ihnen auch sein mag, so glauben Sie doch, daß ich Sie und Ihre Mutter noch ebenso verehre, wie sonst. Bin ich im Stande, sonst etwas zu Ihrem Vergnügen beizutragen, so bitte ich Sie mich doch nicht vorbeizugehen; es ist noch das einzig übrigbleibende Mittel, Ihnen meine Dankbarkeit für die genossene Freundschaft zu bezeigen. Reisen Sie glücklich und bringen Sie Ihre theure Mutter wieder völlig gesund zurück. Denken Sie zuweilen
an Ihren
Sie noch immer verehrenden Freund
Beethoven.
An Nikolaus Zmeskall von Domanovecz.
Mein wohlfeilster Baron! sagen Sie, daß der Guitarist noch heute zu mir komme, der Amenda soll statt einer Amende, der er zuweilen für sein schlechtes Pausiren verdient, mir diesen wohlberittenen Guittarist besorgen; wenns seyn kann, so soll der sogenannte heute Abend um 5 Uhr zu mir kommen, wo nicht, morgen früh 5 oder 6 Uhr, doch darf er mich nicht wecken, falls ich noch schlafen – sollte. – adieu mon ami à bon marché, vielleicht sehen wir uns im Schwanen. ––
An denselben.
Der