er merken, dass du ihn nicht aufrichtig liebst.«
»Ach, es ist so schwer«, seufzte Betti.
»Nimm ein wenig Rücksicht auf Evi«, bat er. »Das Kind ist dir so zugetan. Kannst du es denn übers Herz bringen, Evi zu verlassen?«
»Oh, schon seit Tagen quäle ich mich deswegen. Ich konnte in der Nacht kaum schlafen, weil ich wusste, dass ich Evi wieder hergeben muss.«
»Du musst nicht. Du brauchst nur mich mit in Kauf zu nehmen, dann ist alles in Ordnung. Ist das so schrecklich?«
»Nein, es wäre wunderschön. Aber Helmut …«
»Wenn du davor zurückschreckst, mit ihm zu reden, werde ich es tun. Es kann ihm doch nicht daran liegen, ein Mädchen zu heiraten, das einen anderen liebt.«
»Von diesem Gesichtspunkt aus habe ich es noch gar nicht betrachtet«, meinte Betti versonnen. »Vielleicht hast du recht. Aber ich muss selbst mit Helmut sprechen. Das wenigstens bin ich ihm schuldig.«
»Dann bist du also damit einverstanden, meine Frau zu werden?«
»Ja, Erich, ja, und nicht nur, um Evis Mutter zu werden.« Diesmal war es Betti, die aufstand und zu ihm ging.
Erich streckte seine Arme nach ihr aus und zog sie an sich. »Evi wird überrascht sein, wenn sie erfährt, dass du nun für immer bei uns bleibst«, sagte er nach einer Weile.
»Da täuschst du dich«, erwiderte Betti verschmitzt. »Sie hat mir erst vor ein paar Stunden geraten, dich zu heiraten. Sie hat es mir sogar wärmstens empfohlen, aber ich will ihre Worte nicht wiederholen.«
»Weshalb nicht?«
»Du könntest sonst zu eingebildet werden.«
»Nun, ich bin nicht neugierig«, sagte er lachend. »Aber ich bin froh, dass du Evis Rat befolgen und meine Frau werden willst.«
*
Betti und Erich beschlossen, möglichst bald zu heiraten. Einstweilen aber sollte Betti nach Bachenau zurückkehren und Evi bis zur Hochzeit bei sich behalten.
»Siehst du, Betti, ich habe Recht behalten. Du heiratest nun doch meinen Vati«, verkündete Evi stolz.
»Ja, Evi, aber bitte platze nicht gleich mit der Neuigkeit heraus«, warnte Betti. »Überlass es mir, Frau von Lehn davon zu erzählen. Zu allererst muss ich mit Helmut reden.« Bettis Stirn umwölkte sich bei diesem Gedanken. Sie scheute vor dieser letzten Auseinandersetzung mit Helmut zurück, aber sie wusste, sie war dazu verpflichtet.
Andrea von Lehn holte Betti und Evi wieder zum Bahnhof in Maibach ab. Dabei hatte sie Gelegenheit, sich über Bettis stille Zurückhaltung und über Evis überschwängliche Fröhlichkeit zu wundern.
»Was ist denn los?«, fragte sie. »Du bist ja so lustig, Evi. Hat dein Vati dir erlaubt, weiterhin bei uns zu wohnen?«
»Ja?«, bestätigte Evi. »Er hat es erlaubt. So lange bis … Aber ich darf nichts sagen. Betti hat mir verboten, gleich mit der Neuigkeit herauszuplatzen«, wiederholte Evi wortgetreu Bettis Anweisung.
»Ach so?«, meinte Andrea erstaunt.
Betti wand sich innerlich. »Ich muss erst …, ich muss erst mit Helmut sprechen«, stotterte sie.
»Mit Helmut Koster? Hm.« In Andrea’s Kopf wirbelten die Vermutungen durcheinander. Entweder wollte Betti den Tierpfleger dazu bringen, Evi endgültig zu akzeptieren, oder aber Betti hatte vor, die Verlobung mit Helmut Koster zu lösen.
Nun, es hatte keinen Sinn, lang herumzurätseln. Betti würde sie rechtzeitig in ihr Geheimnis einweihen – falls Evi ihr nicht zuvorkam.
Betti musste sich zur Ruhe zwingen. Die Unterredung mit Helmut würde nicht leicht werden. Sie war auf bittere Vorwürfe gefasst. Grund genug hatte sie ihm dazu geliefert. Aber wie hatte sie ahnen können, wie es war, wenn man einen Menschen wahrhaft liebte? Jetzt gab es nur noch Erich und Evi für sie. Helmut würde das schließlich einsehen müssen. Aber ob er ihr verzeihen würde? Sie wollte nicht in Unfrieden von ihm scheiden.
In Bachenau angekommen, schwankte Betti, ob sie sofort mit dem Tierpfleger sprechen oder bis zum Abend damit warten sollte. Evi würde ihr jetzt im Weg sein.
Andrea von Lehn nahm dem Mädchen die Entscheidung ab. »Wenn Sie jetzt gleich mit Herrn Koster sprechen wollen, kümmere ich mich einstweilen um Evi«, sagte sie hilfsbereit, denn sie ahnte, was Betti bewegte. »Wahrscheinlich hält er sich im Freigehege auf.«
Betti ging also zum Freigehege, wo sie Helmut auch fand.
»Betti! Du bist schon zurück? Das ist aber diesmal schnell gegangen!«, rief der Tierpfleger erfreut aus, als er Betti erblickte.
Seine offensichtliche Genugtuung über ihre Rückkehr machte die Sache für sie noch schwerer.
»Und was ist mit Evi? Ist sie bei ihrem Vater geblieben?«, fragte Helmut gespannt.
»Nein«, erwiderte Betti.
»Du hast sie wieder mitgebracht? Aber Betti! Haben wir nicht vereinbart, dass …«
»Hör mich an, Helmut«, sagte Betti entschlossen. »Es fällt mir nicht leicht, aber ich habe ernsthaft mit dir zu reden.«
»Du willst mir sagen, dass du nicht gesonnen bist, Evi aufzugeben?«
»Es handelt sich nicht allein um Evi. Es ist viel schwerwiegender …« Betti stockte.
Helmut sah sie fragend an. Er ahnte nicht, was auf ihn zukam.
Betti holte tief Atem und sagte dann schnell: »Wir können nicht heiraten. Ich habe es mir überlegt …«
»Du hast es dir überlegt?«, fragte er zornig.
Betti ärgerte sich über ihre ungeschickten Worte. So hatte sie es nicht sagen wollen.
»Ist es wegen Evi? Weil ich mich geweigert habe, unsere Ehe mit einem fremden Kind zu belasten? Darüber können wir doch reden …«
»Was hilft das?«, unterbrach Betti ihn. »Außerdem habe ich dir schon gesagt, dass es nicht nur um Evi geht.«
»Hast du noch einen anderen Grund für dein plötzliches Widerstreben?«
»Es ist nicht plötzlich«, flüsterte Betti so leise, dass er sie kaum verstand.
»Ich weiß, du hast andere Vorstellungen von der Zukunft als ich«, meinte er. »Aber glaub mir, du wirst deine Ansichten ändern. Auch du wirst sehr rasch vom Leben beim Zirkus begeistert sein.«
»Hör auf, vom Zirkus zu reden«, sagte Betti aufgebracht. »Kannst du denn nicht realistisch denken? Mir liegt nichts am Zirkus.«
»Aber Betti, wenn du mich liebst, so müssten meine Wünsche auch die deinen sein. Und du liebst mich doch!«
Betti wandte sich ab. Er war ihrer so sicher. Wie groß würde die Enttäuschung sein, wenn er die Wahrheit erfuhr.
»Betti!« Er legte die Hand auf ihren Arm und drehte sie zu sich herum. »Betti, was ist denn?«
»Ach, Helmut! Ich … Es war ein Irrtum. Ich habe geglaubt, dass ich dich liebe, aber inzwischen weiß ich, dass Liebe …, dass Liebe …« Sie konnte nicht weitersprechen.
»Betti! Was soll das bedeuten?«
»Ich war doch so unerfahren«, schluchzte sie. »Ich habe wirklich geglaubt, dass das, was ich für dich empfand, Liebe ist. Aber jetzt weiß ich …«
»Was weißt du?«, unterbrach er sie mit drohender Stimme.
»Bitte, sei mir nicht böse«, flehte sie. »Ich kann ja nichts dafür. Erich hat mir geraten, dir gegenüber offen zu sein.«
»Erich?«
»Evis Vater. Er …, ich … Er hat mich gebeten, seine Frau zu werden.«
»Und du hast eingewilligt. Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass du mit mir verlobt bist.«