Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Vertragsärzte gewährleistet eine Versorgung außerhalb der Praxiszeiten. Hierzu besteht gemäß § 75 Abs. 1 SGB V ein gesetzlicher Sicherstellungsauftrag. An vielen Orten gibt es spezielle Bereitschaftsdienstpraxen, die von Patienten bei Bedarf aufgesucht werden können. Teilwiese sind diese Praxen räumlich an Notaufnahmen der Krankenhäuser angegliedert oder auch integriert (»Ein-Tresen-Modell«). Darüber hinaus gibt es Praxen an unabhängigen Standorten. In einigen Städten existieren spezielle fachärztliche Bereitschaftsdienstpraxen, z. B. für augen- oder kinderärztliche Bereitschaftsdienste. Daneben gibt es einen mobilen Bereitschaftsdienst für Hausbesuche nicht gehfähiger Patienten.
Der Auftrag des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes besteht in einer Untersuchung und Versorgung bis zur nächsten regulären Behandlungsmöglichkeit während der Praxisöffnungszeiten im niedergelassenen Bereich oder bei Bedarf der Einweisung in ein Krankenhaus.
Je nach Bundesland sind in der Regel alle niedergelassenen und angestellten Fachärzte zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst verpflichtet, Anforderungen an eine spezielle notfallmedizinische Qualifikation existieren meist nicht. Für Niedersachsen ist beispielsweise von der Kassenärztlichen Vereinigung lediglich gefordert, dass sich die Ärzte regelmäßig für die Tätigkeit fortbilden. Nähere Details zu Art und Umfang der Fortbildung sind nicht festgelegt.
Der Rettungsdienst liegt im Verantwortungsbereich der Länder. Unterschieden wird zwischen dem Krankentransport und der Notfallrettung sowie Verlegungen zwischen zwei Krankenhäusern, auch unter Fortführung intensivmedizinischer Maßnahmen.
Die Anforderungen an das Personal unterscheiden sich je nach Landesrettungsdienstgesetz. Rettungssanitäter werden vorwiegend im Krankentransport oder als Fahrer in der Notfallrettung eingesetzt. Die Ausbildung umfasst 520 Stunden.
Rettungsassistenten wurden zwei Jahre lang ausgebildet und als Einsatzleiter auf dem Rettungswagen oder als Fahrer von Notarzteinsatzfahrzeugen eingesetzt. Mit Etablierung des Notfallsanitäters als neues Berufsbild im Rettungsdienst ist eine Ausbildung zum Rettungsassistenten nicht mehr möglich, die Berufsbezeichnung darf jedoch von qualifizierten Personen weiter geführt werden.
Das Berufsbild des Notfallsanitäters existiert seit 2014. Die Ausbildung ist im Notfallsanitätergesetz geregelt und dauert drei Jahre vergleichbar mit anderen Ausbildungsberufen. Notfallsanitäter werden als Einsatzleiter auf dem Rettungswagen oder als Fahrer von Notarzteinsatzfahrzeugen eingesetzt. Die Kompetenzen umfassen weitergehende Maßnahmen nach Festlegung durch den Ärztlichen Leiter Rettungsdienst und gehen über die des Rettungsassistenten hinaus
Neben der Notfallrettung einzelner Patienten gehört auch die Beherrschung größerer Schadenslagen mit mehreren verletzten oder erkrankten Personen zu den Aufgaben des Rettungsdienstes. Für den Massenanfall von Verletzten/Erkrankten (MANV) bestehen in den einzelnen Rettungsdienstbereichen feste Konzepte unter Unterstützung durch benachbarte Gebietskörperschaften sowie Einheiten des erweiterten Rettungsdienstes und (Teil-)Einheiten des Sanitäts- und Betreuungsdienstes des Katastrophenschutzes.
Die an der Akutversorgung teilnehmenden Krankenhäuser sind gesetzlich verpflichtet, jederzeit die Versorgung von lebensbedrohlich Verletzten und Erkrankten sicherstellen zu können. Diese findet überwiegend in den Notfallaufnahmen statt (
1.4 Ersteinschätzungsinstrumente
Zur Festlegung der Behandlungsreihenfolge und Ermittlung der Behandlungsdringlichkeit kommen in nahezu allen Notaufnahmen Ersteinschätzungsinstrumente zum Einsatz. Ziel ist es, durch eine qualifizierte Einschätzung vital bedrohte Patienten frühzeitig und sicher zu identifizieren sowie die Reihenfolge der Behandlung nach medizinischer Dringlichkeit festzulegen. Das Ergebnis legt neben der Behandlungsreihenfolge in Abhängigkeit des eingesetzten Systems ebenfalls die maximal vertretbare Zeit bis zum ärztlichen Behandlungsbeginn fest.
Die Ersteinschätzung wird hierbei in aller Regel durch eine qualifizierte Pflegekraft durchgeführt. Hierin besteht der wesentliche Unterschied zur bei einem Massenanfall von Verletzten oder Erkrankten (MANV) durchgeführten Sichtung. Gemäß Definition der Konsensuskonferenz beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) ist die Sichtung eine ärztliche Aufgabe und legt im Großschadensfall die Behandlungspriorität fest (Heller et al. 2018).
Spätestens seit dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über die Regelungen des gestuften Systems von Notfallstrukturen (Gemeinsamer Bundesausschuss 2018) ist die Durchführung einer Ersteinschätzung in der Notaufnahme rund um die Uhr obligat. So fordert der GBA:
»Es kommt ein strukturiertes und validiertes System zur Behandlungspriorisierung bei der Erstaufnahme von Notfallpatienten zur Anwendung. Alle Notfallpatienten des Krankenhauses erhalten spätestens zehn Minuten nach Eintreffen in der Notaufnahme eine Einschätzung der Behandlungspriorität.« (Gemeinsamer Bundesausschuss 2018, S. 5)
Neben dem Ziel, bedrohte Patienten zügig zu erkennen, soll das Ergebnis der Ersteinschätzung möglichst objektiv und valide sein. Zum Einsatz kommen in deutschen Notaufnahmen verschiedene Ersteinschätzungsinstrumente, die ihren Ursprung in aller Regel außerhalb Deutschlands haben und für das deutsche Gesundheitssystem adaptiert wurden. Um eine ausreichende Differenzierung der Behandlungsdringlichkeit zu erreichen, kommen fünfstufige Systeme zum Einsatz, die ein standardisiertes Vorgehen ermöglichen. Wichtig ist einerseits eine möglichst valide Einschätzung des zu behandelnden Patienten, andererseits aber auch die Durchführung mit geringem Zeitaufwand, um nicht bei Fokussierung auf einen Patienten eine mögliche Gefährdung der noch nicht eingeschätzten Patienten in der Warteschlange zu vermeiden.
Weltweit sind vier Ersteinschätzungssysteme mit fünfstufiger Skala verbreitet:
Einen Überblick über alle Systeme bietet Krey in einer Übersichtsarbeit (Krey 2016). In Deutschland sind ESI und MTS die am weitesten verbreiteten Systeme.
Emergency Severity Index (ESI)
Der ESI wurde in Boston in den USA in den Jahren 1998 und 1999 entwickelt und mehrfach überarbeitet. Neben der Identifizierung vital bedrohter Patienten schätzt der ESI auch den Bedarf an Ressourcen ab, die der Patient im Rahmen der Versorgung benötigt. Bei Patienten, die nicht unmittelbar behandelt werden müssen und somit nicht den ersten beiden Dringlichkeitsstufen zuzuordnen sind, erfolgt bei hohem Ressourcenbedarf eine Messung der Vitalparameter (Puls, Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung). Hiervon ist abhängig, ob eine Zuordnung zu Stufe 2 oder 3 erfolgt.
Für Patienten der Stufe eins ist eine unmittelbare Behandlung erforderlich, Patienten der Stufe zwei in etwa 10 Minuten, für Patienten der Stufen drei, vier und fünf sind keine Wartezeiten definiert (
Manchester Triage System (MTS)
Das MTS hat seinen Ursprung, wie im Namen enthalten, in Manchester in England. Aus der Unzufriedenheit, dass jedes Krankenhaus in Manchester eine unterschiedliche Ersteinschätzung durchführte,