und den drei Pfauenfedern über dem Kaminsims. Gleich, als ich eingetreten war, hätte ich gerne gewusst, was sich wohl der Pfau gedacht haben würde, wenn er geahnt hätte, was aus seinem Federschmuck noch einmal werden sollte.
Das Bild verschwimmt langsam in Nebel, und ich nicke und schlafe. Die Flöte wird unhörbar, und ich höre statt dessen die Räder der Postkutsche und bin wieder auf Reisen. Der Wagen stößt, ich wache mit einem Ruck auf, und die Flöte ist wieder da, und der Schulmeister von Salemhaus sitzt mit verschlungnen Beinen da und bläst kläglich, während die alte Frau verzückt vor sich hinschaut. Sie zergeht wieder in Nebel und er zergeht und alles zergeht, es ist keine Flöte mehr da, kein Salemhaus, kein David Copperfield, sondern nichts als tiefer, fester Schlaf.
Ich träumte, kam mir vor, dass die alte Frau in ihrer Verzückung immer näher und näher zu ihm gekommen sei, dicht hinter seinen Stuhl, und den Arm zärtlich um seinen Hals schlänge, was dem Flöteblasen für einen Augenblick ein Ende machte. In dieser Pause hörte ich in einem Zustand von Halbschlaf die alte Frau Mrs. Fibbitson fragen, ob es nicht köstlich sei, worauf Mrs. Fibbitson antwortete, »Eijei ja« und dem Feuer zunickte, dem sie wahrscheinlich die Entstehung der Musik zuschrieb. Ich muss ziemlich lange geschlafen haben. Der Schulmeister von Salemhaus schraubte schließlich seine Flöte wieder in drei Stücke auseinander, steckte sie wieder ein und führte mich fort. Der Omnibus stand nicht weit, und wir stiegen auf das Dach. Ich war fest eingeschlafen, als wir unterwegs einmal anhielten und man mich innen sitzen hieß, weil keine Passagiere mehr drin waren. Endlich fuhr der Wagen unter einem grünen Laubdach im Schritt einen steilen Hügel hinan. Dann hielt er und wir befanden uns am Ziel.
Wenige Schritte brachten den Schulmeister und mich an das Salemhaus, das, von einer hohen Ziegelmauer umgeben, sehr öde aussah. Über der Tür hing ein Brett mit der Inschrift »Salemhaus«, und durch ein Gitterfenster in der Tür musterte uns, nachdem wir geklingelt hatten, ein mürrisches Gesicht, das, wie ich nach dem Öffnen der Türe sah, einem dicken Mann mit einem Stiernacken, einem hölzernen Bein, hervorstehenden Schläfen und gleichmäßig um den ganzen Kopf verschnittenen Haaren gehörte.
»Der neue Junge«, sagte der Lehrer.
Der Mann mit dem Holzbein musterte mich von oben bis unten, wozu er sehr lange brauchte, schloss die Türe hinter uns und zog den Schlüssel ab. Wir gingen unter ein paar großen Bäumen auf das Haus zu, als er den Schulmeister zurückrief:
»Hallo.«
Wir sahen uns um, und der Mann stand in der Tür des Pförtnerhauses und hielt ein paar Stiefel in der Hand: »He! Der Schuhflicker war da und sagte, er könne sie nicht mehr flicken. Er sagte, es wäre kein Stück mehr ganz, – er möchte gerne wissen, was Sie eigentlich wollten.«
Mit diesen Worten warf er die Stiefel Mr. Mell – so hieß der Lehrer vor die Füße, und dieser hob sie auf und betrachtete sie mit betrübtem Blick, als wir weitergingen. Ich bemerkte jetzt zum ersten Mal, dass seine Schuhe sich in einem sehr schlechten Zustand befanden, und dass an einer Stelle der Strumpf hervorlugte wie eine Knospe.
Salemhaus, ein viereckiges Gebäude aus roten Ziegeln mit einem Flügel auf jeder Seite, sah öde und leer aus. Überall war es so totenstill, dass ich zu Mr. Mell sagte, die Schüler seien wohl ausgegangen. Er schien sich zu wundern, dass ich nicht wusste, dass jetzt in den Ferien alle Schüler nach Haus gereist wären. Mr. Creakle, der Eigentümer, sowie Mrs. und Miss Creakle befänden sich im Seebad, und man habe mich zur Strafe für meine Missetat während der Ferien hierhergeschickt.
Die Schulstube erschien mir als der ungemütlichste und traurigste Ort, der mir jemals vorgekommen. Ein langes Zimmer mit drei langen Reihen Pulten und sechs Reihen Bänken und rundherum Haken zum Aufhängen der Hüte und Schiefertafeln. Ausgerissene Blätter aus alten Schreib- und Lehrbüchern lagen auf dem schmutzigen Boden verstreut. Einige Käferhäuschen aus demselben Material lagen auf den Pulten, zwei elende, kleine, weiße Mäuse mit roten Augen, von ihren Besitzern zurückgelassen, liefen in ihren kleinen Käfigen hin und her und schnupperten in den Ecken nach Nahrung herum. Ein Vogel in einem Bauer hüpfte traurig auf und nieder, sang und zwitscherte aber nicht. Das ganze Zimmer durchdrang ein merkwürdiger, dumpfer Geruch, wie von schimmligem Tuch, faulen Äpfeln und modrigen Büchern. Wenn das Haus von Anfang an dachlos gewesen wäre, und der Himmel hätte das ganze Jahr hindurch Tinte geregnet, gehagelt, geschneit und gestürmt, hätte die Stube nicht verspritzter sein können. Mr. Mell hatte mich allein gelassen, während er seine unflickbaren Stiefel hinauftrug, und ich ging unterdessen leise an das andere Ende des Zimmers. Als ich an den Tisch des Lehrers kam, fand ich einen Pappendeckel mit der schön geschriebnen Inschrift: »Acht geben. Er beißt.«
Ich kletterte unverzüglich auf das Pult hinauf, denn ich fürchtete, es sei unten ein großer Hund versteckt. So vorsichtig ich mich auch umsah, konnte ich doch nichts entdecken. Ich blickte immer noch mit ängstlichen Augen umher, als Mr. Mell zurückkam und mich fragte, was ich da oben mache.
»Ich bitte um Verzeihung, Sir. Ich suche den Hund.«
»Hund?« fragte er. »Welchen Hund?«
»Es ist kein Hund da, Sir?«
»Was für ein Hund denn?«
»Vor dem man sich in acht nehmen soll, weil er beißt.«
»Nein, Copperfield«, sagte der Lehrer ernst, »das ist kein Hund, das ist ein Knabe. Ich habe den Befehl, Copperfield, diesen Zettel auf deinem Rücken zu befestigen. Es tut mir leid, dass ich so mit dir anfangen muss, aber ich muss es tun.«
Damit zog er mich vom Pulte herunter und band mir das zu diesem Zweck sinnreich vorbereitete Plakat wie einen Tornister auf den Rücken, und von nun an hatte ich den Trost, es, wo ich ging, mit mir herumtragen zu müssen.
Was ich unter diesem Plakat zu leiden hatte, kann sich niemand vorstellen. Ob mich jemand sehen konnte oder nicht, immer bildete ich mir ein, jeder müsste es lesen. Es war mir keine Erleichterung, wenn ich mich umdrehte und niemand da war; ich konnte den Gedanken nie los werden, immer jemand hinter meinem Rücken stehen zu wissen. Der grausame Mensch mit dem Holzbein vermehrte noch meine Leiden. Er hatte zu befehlen, und wenn er sah, dass ich mich an einen Baum oder an eine Wand oder an das Haus lehnte, brüllte er mir aus seinem Häuschen zu: »Heda, Copperfield! Lass nur das Ehrenzeichen sehen oder ich zeig dich an.«
Der Spielplatz war ein kahler, mit Sand bestreuter Hof vor den Fenstern der Küche und Gesindestube, und ich wusste, dass die Dienerschaft, der Fleischer und der Bäcker den Zettel lasen. Mit einem Wort, wer früh, wenn ich auf dem Spielplatz sein musste, im Hause kam oder ging, musste lesen, dass man sich vor mir in acht zu nehmen hätte,