Inhalt
Vorwort von Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann
Kapitel 1 Matchfixing – was ist das? Das Milliarden-Business der Manipulation
Kapitel 2 Es begann mit einer Lüge – mein Werdegang bei der Polizei
Kapitel 3 Die Sonderkommission Flankengott
Vorwort
von Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann
»Nicht quatschen, handeln!« – so sind die Arbeit von Michael Bahrs und sein Enthusiasmus für das Thema Sportbetrug auf den Punkt gebracht. Dieses Buch ist deshalb so wichtig, weil es von einem »Macher« verfasst worden ist, der in der Materie arbeitet. Was bedeutet das? Er hört Telefonate ab, in denen Sportereignisse abgesprochen werden, er durchsucht die Wohnungen derjenigen, die ihr Geld mit dem Manipulieren von Wettkämpfen verdienen und verdienen wollen, und er nimmt sie fest. Eigenhändig. Er spricht mit den Betroffenen, den Opfern und Tätern, von Mensch zu Mensch. Ohne Vorbehalte und Schranken. Das kann er wie kaum ein Zweiter. Er ist dabei kein Polizeibeamter, sondern ein fragender Mensch, der wissen möchte: Aus welchem inneren Anlass wird jemand zum Straftäter, warum zerstört jemand den Sport oder lässt sich darauf ein? Meistens gelingt es Michael Bahrs, einen »Draht« zu den Betroffenen zu bekommen, er hört ihnen zu und die Beschuldigten merken, dass sich jemand für sie interessiert. Jetzt könnte man einwenden, das ist doch ganz normale Polizeiarbeit, das macht jeder Polizist genau so, was ist denn jetzt das Besondere?
Das Besondere ist, dass Michael Bahrs genau weiß, worum es geht, er tritt seinem Gegenüber mit offenem Visier gegenüber. Das bedeutet natürlich nicht, dass andere Polizisten gegenteilig arbeiten. Es heißt vielmehr, dass er sich in die Täter hineinversetzt, mit ihnen darüber auf Augenhöhe spricht, nicht vorverurteilt, sondern Informationen sammelt, er bekommt vielfach sogar Vertrauen geschenkt und gibt den Betroffenen das Gefühl, sich im Rahmen des rechtlich Möglichen für sie einzusetzen. Aber er zieht auch klare Grenzen und lässt diese nicht verwischen. Diese Umstände machen das Buch zu einer in Deutschland einzigartigen Quelle an Berichten über Sportbetrug, wie es dies bisher noch nicht gegeben hat. Wann hat jemand denn einmal zehn Jahre in diesem Bereich gearbeitet? Niemals zuvor hat es so etwas gegeben; daher hat Michael Bahrs viel zu erzählen, aus allen Bereichen, national und international, viele Geschichten erlebt, die alle bis auf den letzten Punkt und das letzte Komma genau so passiert sind. Er hat dazu beigetragen, dass Europas größtes Sportmanipulationsverfahren in den Jahren 2009 bis 2015 mit 17 Verurteilungen vor den Gerichten Bochums geendet hat, eine einzigartige Erfolgsbilanz.
Die mediale Öffentlichkeit giert bei entdecktem Sportbetrug nach namhaften Sportlern, die in der Öffentlichkeit bloßgestellt werden sollen. Dies spielt für den Strafverfolger nur eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger sind diejenigen Straftäter, die die Sportler verleiten, die, so die wörtliche Aussage eines in den Bochumer Prozessen Verurteilten, im Monat bis zu 1.000.000. - Euro einsetzen, um Wetten auf abgesprochene Ergebnisse zu platzieren. Dies sind die wahren Zerstörer des Sports, sie animieren die Sportler zu ihrem Handeln und nutzen deren Fehler schamlos aus. Auch dieses Bild wird in dem vorliegenden Buch bildhaft skizziert, so dass man manchmal den Kopf vor Unglauben schütteln muss und manchmal vor Abscheu vor der Skrupellosigkeit von Menschen. Michael Bahrs zeichnet diese Bilder und macht aus hochgelobten Sportlern, die in der Öffentlichkeit stehen, fehlbare Menschen. Ebenso bringt er die Unzulänglichkeiten der Strafverfolgung und das teilweise Desinteresse der betroffenen Sportverbände ans Licht. Den einen fehlen die Fachleute, und die anderen wünschen nicht, dass »ihre« Sportart im Licht der Öffentlichkeit negativ dargestellt wird. Dies alles macht es den Tätern leicht, aber das Spiel ist noch lange nicht zu Ende …
Kapitel 1
MATCHFIXING – WAS IST DAS? DAS MILLIARDEN-BUSINESS DER MANIPULATION
Es ist einer dieser Champions-League-Abende, irgendwann im Oktober des vergangenen Jahres: dritter Spieltag der Gruppenphase. Acht Spiele, und mit dabei sind die ganz großen Namen: Real Madrid, Bayern München, Manchester City und Juventus Turin. Natürlich geht es um Punkte für das Weiterkommen in das Achtelfinale. Doch die Fußball-Öffentlichkeit ist keineswegs elektrisiert von diesen Spielen. Woran liegt das? Kann es so etwas wie »zu viel Fußball« für Fans überhaupt geben? Oder spielt es eine Rolle, dass im internationalen Profifußball viel Geld und die Macht der großen Vereine etwas für den Sport Grundlegendes verändern? Die Entwicklung des Fußballgeschäfts im letzten Jahrzehnt hat vor allem einen Dreh- und Angelpunkt: die Maximierung der Erlöse. Aufgeblähte Fußball-Weltmeisterschaften, in bis zu vier Kalendertage zerstückelte Bundesliga-Spieltage, immer mehr Spieltage in den europäischen Vereinswettbewerben, dazu die Nations League der Nationalmannschaften und die Klub-WM. Worum geht es dabei eigentlich noch? Um sportliches Kräftemessen? Die Geschichten, die der Fußball schreibt, sind heute ganz andere: Der brasilianische Fußballprofi Neymar wechselt für 222 Millionen Euro vom FC Barcelona zu Paris Saint-Germain. Eine Fußball-Weltmeisterschaft wird nach Katar vergeben. Investoren kaufen sich weltweit in den Sport ein und pumpen Milliardensummen in einzelne Mannschaften. FIFA-Präsident Gianni Infantino spricht gar von einem »25-Milliarden-Dollar-Deal«, will aber die Geldgeber nicht nennen.1
Dabei lebt aus meiner Sicht die Fußball-Leidenschaft immer noch von einer gewissen Romantik, vom Duell David gegen Goliath oder von sogenannten Derbys, wenn die regionale Nähe zweier Klubs Fußballanhänger und Einwohner gleichermaßen elektrisiert. Ich freue mich bei einem Fußballturnier auf Überraschungen. Auf das, was Sport im Allgemeinen ausmacht: Man weiß vorher nicht, wer am Ende gewinnt. Ich erinnere mich zu gern an die Europameisterschaft 1992, als »meine« Dänen den haushohen Favoriten Deutschland in Göteborg mit 2:0 besiegten und den Titel gewannen. Oder als die Isländer bei der EM 2016 im Achtelfinale England mit 2:1 niederkämpften.
Hat es tatsächlich noch mit sportlichem Wettkampf zu tun, wenn die ersten vier Mannschaften aus England automatisch an der Champions League teilnehmen dürfen, aber der schwedische oder dänische Meister noch in einer Qualifikationsrunde um die Teilnahme spielen muss? Rein sportlich gesehen ist das aus meiner Sicht nicht gerecht, wenn sich der Meister der einen (kleinen) Liga für die Teilnahme am europäischen Meisterwettbewerb noch gesondert qualifizieren muss, während der Dritt- oder Viertplatzierte der anderen (großen) Liga automatisch dabei ist, obwohl er gar keinen Titel gewonnen hat. Stattdessen werden die großen Klubs durch die ständige Teilnahme an der lukrativen Champions League immer vermögender, und die kleinen Vereine werden wirtschaftlich – und mittelbar auch sportlich – abgehängt. Auch die nationalen Ligen