von internationalen Freundschaftsspielen weniger Beachtung. So ist es selten der Fall, dass eine europäische Nationalmannschaft gegen ein kleines afrikanisches Land ein Länderspiel austrägt. Warum das so ist, kann ich nicht beurteilen. Dass das so ist, haben nicht nur die Gespräche mit unterschiedlichen Funktionären der FIFA und der UEFA bestätigt, sondern die Kriminellen wählen genau deswegen solche Nationen als Ziel ihrer kriminellen Machenschaften aus.
Wenn eine Agentur auftaucht und damit wirbt, Länderspiele zu organisieren, finden sie bei kleineren Nationen sofort Gehör. Und wenn sie zudem noch anbietet, die komplette Nationalmannschaft mit Trainingskleidung auszustatten und den Spielern, Trainern und Funktionären ein »nettes« Handgeld offeriert, dann werden wenige dieser Nationen dieses – unmoralische – Angebot ablehnen. Selbst wenn die Agentur dann plötzlich vorgibt, wie viele Gegentore fallen müssen, damit sich der Aufwand lohnt, werden keine Fragen gestellt. Der eigene Mehrwert ist zu groß, um zu widerstehen, zumal weitere Länderspiele in Aussicht gestellt werden. Also im Grunde eine Gewinnerchance für ein kleines Land.
Wir sollten nicht so vermessen sein, nun gerade hier den Zeigefinger zu erheben und dieses Handeln zu verurteilen. Es gibt keinen Zweifel, dass auch diese Manipulationen den Sport töten. Es gibt ebenso wenig Zweifel daran, dass dieses Handeln falsch und strafrechtlich zu ahnden ist. Gleichwohl sollte man aber wenigstens einmal ein paar Minuten lang überlegen: Warum machen die das? Und vielleicht kommt man dann zu dem Ergebnis, dass womöglich innerstaatliche Strukturen von Korruption durchtränkt sind. Da leben Leute, die wachsen in einem Land voller Gewalt auf, wo das Recht des Stärkeren siegt. In diesen Ländern regiert die Willkür oder gar der Terrorismus. Bürgerkriegsähnliche Zustände sind an der Tagesordnung. Und jetzt sagen wir den Fußballspielern, die unter solchen Bedingungen aufwachsen: »Hört zu, es ist absolut nicht richtig, dass ihr einen Trainingsanzug und ein paar Fußballschuhe annehmt und dafür im Gegenzug zwei Gegentore absichtlich kassiert.« Wer will das rechtfertigen? Ich jedenfalls nicht.
Eine zum Zweck der Spielmanipulation ins Leben gerufene Sportagentur macht sich gerade die schwierigen Lebensbedingungen in den besagten Ländern zu Nutze. Ich habe etliche Schriftstücke und Kommunikationen zwischen einer derartigen »Sportagentur« und Fußballverbänden ausgewertet. Die Masche ist immer ähnlich: Es werden ein paar Referenzen genannt, dann schlägt man ein Länderspiel vor, zeigt sich bereit, sämtliche Kosten für die Reise und Übernachtungen zu übernehmen. Anschließend wartet man auf eine Reaktion des Verbandes, die in der Regel nicht lange auf sich warten lässt: Der Verband zeigt sich interessiert. Dann wird seitens der Agentur eine Teilnehmerliste für die Reise angefordert. Und schon dabei fällt auf, dass der Verband offensichtlich großes Interesse daran hat, jedem, der irgendwie zum Kreis der Nationalmannschaft gehört, in den Genuss eines solchen Angebotes kommen zu lassen. Offensichtlich hat man auch beim Fußballverband recht schnell erkannt, dass die Anfrage nicht aus rein sportlichem Interesse gestellt wurde, sondern man weiß sehr wohl, in welche Richtung diese Geschäftsbeziehung gehen wird.
Und dann ist es nicht unüblich, dass der Verband sogar noch Forderungen stellt. Es soll noch so etwas wie eine Antrittsprämie plus Ausstattung plus Handgeld gezahlt werden. Diesen Forderungen kommt die Sportagentur gern nach. Denn schließlich kann ein Länderspiel bewettet werden. Und in den Wettbüros – insbesondere in den asiatischen – spielt es keine Rolle, ob die Nationen, die da gegeneinander spielen, eher unbedeutend für den Weltfußball sind.
Mit welcher Dreistigkeit in Sachen Spielmanipulation vorgegangen wird, zeigt ein weiteres Beispiel, mit dem ich im Laufe unserer Ermittlungen zu tun hatte. Den Formen der Manipulation sind anscheinend keine Grenzen gesetzt. So gab es in der Vergangenheit immer wieder sogenannte Geisterspiele. Das sind Fußballspiele, die nur auf dem Papier und im Angebot verschiedener Wettanbieter existieren. Kriminelle Wettsyndikate organisieren fiktive Partien und sorgen dafür, dass Wettanbieter diese Spiele in ihr Angebot aufnehmen. Da weltweit jeden Tag Tausende Fußballspiele stattfinden, haben Wettanbieter sogenannte Daten-Scouts vor Ort in den Stadien oder an den jeweiligen Fußballplätzen. Durch diese Scouts wird der Spielverlauf digital an den Wettanbieter übermittelt, und dieser erstellt daraufhin die entsprechende Wettquote. In der Realität sieht das folgendermaßen aus: Der Scout übermittelt den Spielverlauf und entscheidende Spielereignisse wie zum Beispiel Spielerwechsel, Rote Karten, Gelbe Karten usw. Natürlich auch Tore. Und auf diese Scouts haben es die Kriminellen abgesehen: Sie werden bestochen und mit einem fiktiven Spielverlauf ausgestattet, den sie an den Wettanbieter übermitteln sollen – und fertig ist das sogenannte Geisterspiel.
In Erinnerung blieb mir auch ein besonders kurioser Fall: Während einer Geburtstagsfeier von hochrangigen Kriminellen liefen auf unterschiedlichen TV-Geräten Fußballspiele. Es stellte sich heraus, dass diese Spiele manipuliert waren und dem Geburtstagskind als »Geschenk« überreicht wurden. Die »Schenkenden« waren Schiedsrichter und Fußballspieler.
Es gibt natürlich noch eine Vielzahl weiterer Manipulationsmöglichkeiten. Auch mit diesen hatten wir im Laufe der Ermittlungen zu tun. Sie betrafen auch weitere Sportarten wie zum Beispiel Tennis oder Eishockey. Insbesondere der Tennissport ist sehr anfällig für Manipulationen, denn es handelt sich um eine Einzelsportart – der Sportler muss sich nicht im Kollektiv bewegen und hat jederzeit alle Handlungsmöglichkeiten. Außerdem ist die Einkommenssituation junger oder weit hinten in der Weltrangliste geführter Spieler vielfach geradezu prekär.
Eines ist klar: Die Kriminellen lassen sich ständig neue Methoden einfallen, um durch ihre Manipulationen und Wettsetzungen Gewinne zu generieren, deren Umfang weit jenseits normaler Maßstäbe liegt.
Die Manipulation von Fußballspielen hat im Übrigen nichts mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Liga, mit dem Amateur- oder Profibereich zu tun. Gut und Böse kennen keine Grenzen. Das versuche ich auf den nachfolgenden Seiten zu erklären. Geschildert werden ausschließlich reale Erlebnisse. Nichts ist fiktiv oder hypothetisch.
Kapitel 2
ES BEGANN MIT EINER LÜGE – MEIN WERDEGANG BEI DER POLIZEI
Bei der Polizei geht es immer ehrlich zu. Diese landläufige Meinung hatte auch ich, mehr noch: Ich konnte mir gar nichts anderes vorstellen, schließlich war mein Vater, ein grundanständiger Mann, Polizist. So wie er, charakterfest und ehrlich, wollte auch ich sein, von Kindesbeinen an. Ganz klar, dass ich ebenfalls Polizist werden wollte. Mit aller Macht. Als es dann so weit war, wurden meine idealistischen Vorstellungen einer harten Prüfung unterzogen, denn ich merkte gleich zu Beginn: Auch bei der Polizei ist nicht alles Gold, was glänzt. Auch bei der Polizei wird gelogen.
Doch das hielt mich nicht ab. Im Gegenteil: Jetzt erst recht! – Aber der Reihe nach …
Eigentlich habe ich immer gehofft, der 28. Februar 1972 sei ein Samstag gewesen. Ich redete mir ein, dass ich an eben diesem Samstag Punkt 18 Uhr das Licht der Welt erblickt hätte: zur besten »Sportschau«-Zeit. Leider musste ich später feststellen, dass mein Geburtstag auf einen stinknormalen Montag gefallen war.
Vielleicht waren aber wenigstens am Tag meiner Geburt herausragende Ereignisse geschehen, die gemeinsam mit mir bis heute unter einem guten Stern stehen. Sepp Maier, der legendäre Nationaltorhüter, ist an einem 28. Februar geboren, zwar nicht 1972, aber immerhin
Womöglich gibt das Jahr 1972 mehr her, womit ich mich identifizieren könnte – und da kommen wir der Sache schon näher. Der Friedensnobelpreisträger Willy Brandt war Bundeskanzler – für mich ein Mann des Mutes. Mein geliebter HSV wurde nicht deutscher Fußballmeister (sondern Bayern München), aber immerhin gewannen die Glasgow Rangers den Europapokal der Pokalsieger – ein Club, mit dem den HSV eine jahrzehntelange Fanfreundschaft verbindet und der mit dem Motto »No Surrender« eine Einstellung der Hartnäckigkeit pflegt, die mir sehr gut gefällt.
Vor etlichen Jahren habe ich einen Spruch von Alexander Graham Bell gelesen, der sich mir ins Gedächtnis eingebrannt hat: »Geh nicht immer auf dem vorgezeichneten Weg, der nur dahinführt, wo andere bereits gegangen sind.«
Was treibt mich an? Warum lehne ich mich nicht zurück? Warum bin ich seit eh und je eine »Heißkiste«, wie man bei uns im Ruhrgebiet sagt? Könnte das Leben nicht einfacher sein,