Wettbewerben teilnehmen und so mehr Geld einnehmen können, haben in ihren jeweiligen Ländern fast schon ein Abonnement auf den Meistertitel. Die Polarisierung schreitet somit immer weiter fort.
Man kann eigentlich nur zu folgendem Schluss kommen: Der Fußball ist aus den Fugen geraten, und Geld regiert die Fußballwelt. Ich möchte jetzt nicht den Moralapostel spielen, aber die Frage ist natürlich, was wollen wir am Ende des Tages haben? Denn eines ist klar, je mehr Geld im Fußball landet, desto attraktiver wird der Sport auch für Kriminelle. Und einer dieser Anlaufpunkte für die Organisierte Kriminalität ist der weltweite Sportwettenmarkt. Kein Experte kann mit Sicherheit sagen, wie viel Geld mit Wetten genau umgesetzt wird, aber mittlerweile, so sind sich alle Experten einig, sind wir bei über einer Billion Euro angekommen. Das ist die Zahl, die ich immer wieder aus verschiedenen Quellen höre. Eine unvorstellbare Summe, die gleichzeitig klarmacht, weshalb der Wettmarkt Verbrecher wie ein Magnet anzieht. Jeder Ermittler wird bestätigen, dass dort, wo viel Geld im Spiel ist, das Problem der Geldwäsche immer präsent ist. Und Glücksspiel im Allgemeinen ist ein Vehikel für Geldwäsche, denn es ist eine Branche, in der sehr hohe Bargeldsummen zirkulieren.
Bereits seit vielen Jahren versucht auch der organisierte Sport einen Teil vom Kuchen abzubekommen. Seit 2018 ist der Wettanbieter Tipico Sponsoringpartner der Deutschen Fußball Liga (DFL), und seit 2015 ist der Anbieter Geschäftspartner des FC Bayern München. Die Spots mit Oliver Kahn waren lange geradezu allgegenwärtig in jeder Unterbrechung eines Bundesligaspiels und in jeder Werbepause. Ende 2018 gibt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) bekannt, dass die Partnerschaft mit dem Wettanbieter bwin erweitert wird. Auf der Homepage ist zu lesen: »Die Kooperation umfasst künftig Werberechte für den DFB und die Nationalmannschaften für eine Laufzeit vom 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2022. Darüber hinaus hat bwin Werberechte für den DFB-Pokal, die 3. Liga und die Frauen-Bundesliga erworben.«2 Jetzt sitzt also auch die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im Boot mit einem Wettanbieter.
Das kann man natürlich machen, aber wenn Sie mich fragen, wie ich zum Geschäft mit Sportwetten stehe oder zu diesem Sponsoring, dann sage ich: »Das ist Teufelszeug.« Darauf wird gerne entgegnet: »Was redest du für einen Unsinn, du kannst nicht alles mit Wettmanipulation in Zusammenhang bringen.« Nein? Wir können uns alles schönreden, und wir können versuchen, die Probleme zu umschiffen, indem wir immer nur gute Beispiele bringen. Und sagen, wie toll doch alles ist – aber das entspricht eben nicht der Realität. Immer wieder höre ich von Fußballfunktionären: »Wetten ist ja nicht verboten.« Ja, das ist richtig. Doch wenn ich mir bestimmte Wettanbieter anschaue, dann wird es sehr schnell problematisch. Denn unsere Ermittlungen haben ergeben, dass die Köpfe unseres kriminellen Netzwerks in Wettbuden gearbeitet hatten. Teilweise waren sie sogar Franchiseunternehmer. Damit ist das eine Branche, die aus meiner Sicht per se Probleme hat.
Es ist Realität, dass vor vielen Fußballspielen Werbung der Wettanbieter und hochkarätige ehemalige Fußballer, wie Oliver Kahn oder Lukas Podolski, auf den Bildschirmen zu sehen sind und Botschaften der Wettanbieter vertreten. Menschen, die wetten, brauchen genau das und werden davon angezogen. Wenn Sportwetten geradezu glorifiziert werden, dann wird man die Öffentlichkeit sowie betroffene Fußballprofis und den Nachwuchs nicht für Themen wie Spielsucht oder Wettbetrug sensibilisieren können. Die sagen nämlich dann (zu Recht): »Was mache ich denn hier schon Verbotenes?«
Die Werbung scheint ihren Zweck zu erfüllen. Laut einer Studie des Beratungsunternehmens Goldmedia beliefen sich die Einsätze für Sportwetten 2018 in Deutschland auf 8,8 Milliarden Euro, 2019 waren es bereits knapp 9,3 Milliarden Euro.3 In den letzten fünf Jahren haben sich damit die Einsätze mehr als verdoppelt. Doch die Gefahr des Matchfixings beziehungsweise der Spielmanipulation und des Wettbetrugs ist immer allgegenwärtig. Die International Betting Integrity Association (IBIA) mit Sitz in Brüssel hat sich als Verband konstituiert, um das Thema Integrität bei Sportwetten zu verfolgen. 46 der führenden europäischen Wettanbieter sind Mitglied, darunter auch bwin, bet-at-home und XTip, der Wettanbieter der deutschen Glücksspiel-Gruppe Gauselmann. Natürlich kann ich die Zahlen der IBIA nicht abschließend bewerten, weil ich sie nicht überprüfen kann. Sie liefern aber zumindest Anhaltspunkte.
Laut IBIA gab es im Jahr 2018 bei den Wettanbietern, die Mitglied im Verband sind, 267 auffällige Wetteinsätze in 13 Sportarten. Tennis (178) und Fußball (52) waren dabei die Spitzenreiter. Ich bin sehr skeptisch, was diese Zahlen angeht, denn die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches darüber liegen. Das belegen unsere Ermittlungen. Und auch bei den Wettanbietern gab und gibt es Mitglieder krimineller Netzwerke, die in Wettmanipulationen involviert sind. Sie werden wohl kaum Interesse daran haben, eine höhere Anzahl an manipulierten Spielen zu veröffentlichen.
Dabei stelle ich mir oft die Frage, wer ist eigentlich an der Bekämpfung des Themas Wettbetrug wirklich interessiert? Ich glaube, dass die Thematik Matchfixing/Spielmanipulation nirgendwo richtig im Fokus steht – bei den Fußballverbänden nicht, aber auch nicht bei den Strafverfolgungsbehörden. Das hat viele Gründe. Zum einen muss man erklären, was Matchfixing überhaupt ist und von welcher Tragweite wir hier sprechen. Ein einfaches Beispiel: Wenn man die Bevölkerung fragen würde, in welchen Bereichen die Polizei verstärkt ermitteln soll – im Bereich Matchfixing oder Wohnungseinbrüche? Dann werden Sie bei 100 Befragten vermutlich 100 Menschen haben, die sagen werden, im Bereich der Wohnungseinbrüche. Denn die wenigsten wissen, was Matchfixing überhaupt ist. Dementsprechend werden bei den Ermittlungsbehörden natürlich auch die Prioritäten verteilt. Öffentlichkeitswirksam sind vor allem die Bekämpfung von Terrorismus, Cybercrime, Einbruchsdelikten. Matchfixing werden Sie auf dieser Liste – wenn überhaupt – ganz weit unten finden. Und immerhin gibt es ja Ermittler, die sich mit Sportkorruption beschäftigen.
Aber was genau ist überhaupt Matchfixing, also Spielmanipulation beziehungsweise Wettbetrug? Im Internet gibt es unzählige Definitionen der Begrifflichkeiten von Matchfixing. Seitenweise wissenschaftliche und analytische Abhandlungen befassen sich mit dieser Thematik. So kompliziert kann und möchte ich es nicht erklären. Ich berichte hier über meine Erfahrungen und über die Manipulationsarten, mit denen ich es zu tun hatte. Allerdings gibt es noch weitere Methoden der Spielmanipulation, zu denen ich mich hier nicht äußere.
Wenn ich mich zurückerinnere an meine aktive Fußballzeit, gab es in den unteren Ligen (Kreis-, Bezirks- und Landesliga) Spielkonstellationen, in denen es für die eine Mannschaft um Auf- oder Abstieg ging. Und der Gegner stand irgendwo im Niemandsland der Tabelle und spielte nur noch um die sogenannte »goldene Ananas«. Oftmals kamen die Spieler der Mannschaften aus demselben Ort oder kannten sich vom Arbeitsplatz. Nicht selten kam es dann vor, dass es kurz vor den Begegnungen Gespräche wie dieses gab: »Wenn ihr uns gewinnen lasst, bekommt ihr einen Kasten Bier.« Obwohl ich behaupten darf, dass es während einer Saison auch in diesen Klassen enormen sportlichen Ehrgeiz gab, setzte bei so einer Spielansetzung der Gedanke des Fair Play offenbar aus. Zurückblickend kann ich wohl sagen, dass es als normal angesehen wurde, dass man solche Gespräche überhaupt führte.
Ich muss an dieser Stelle ganz klar sagen, dass ich der absolut falsche Ansprechpartner für so eine Spielabsprache gewesen wäre. Ich wollte immer gewinnen. Aber muss man tatsächlich diese Handlungen schon als Matchfixing – Spielmanipulationen – bewerten? Fakt ist, dass es sich um eine Beeinflussung handelt, wenn ich absichtlich verliere und daher eine andere Mannschaft nicht absteigt oder aufsteigt. Selbst wenn die Motivation lediglich darin besteht, jemandem einen freundschaftlichen Gefallen zu tun. Sport ist Wettbewerb. Also ist so etwas unfair. Strafrechtlich aber unbedeutsam. Aber wenn ich diesen Gedanken weiterspinne, wo lande ich dann? Warum sollte man später, als Fußballprofi, nicht auch ein Spiel unsportlich beeinflussen, wenn am Ende einer solchen Manipulation das vermeintlich große Geld ausgezahlt wird?
Ich spiele selbst aktuell noch Fußball in Altherrenmannschaften. Und ich renne dort ja nicht ständig mit Ohrenklappen durch die Gegend, sodass ich, gewollt oder ungewollt, Gespräche auf dem Fußballplatz mitbekomme. Bei den Altherren spielen Trainer und Betreuer von Vereinen aus dem Ruhrpott mit. Und vor jedem Saisonfinale gleichen sich die Gespräche. Es gibt immer wieder Leute, die irgendetwas über Manipulationen bei Auf- und Abstiegsspielen zu berichten haben. Die Vereine, die da genannt werden, spielen in der Westfalenliga, der Oberliga Westfalen oder im Großraum Dortmund. Zum Teil heißt es da, dass das Ergebnis