nach noch zu verlieren? Der Typ ist völlig am Ende. Wenn er in diesem Zustand aus der Sache rauskommt, dich verklagt und sich hinter dem Staatsanwalt versteckt, hockst du wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung für mindestens drei Jahre im Knast. Und danach hat uns die Justiz auf dem Kieker und guckt sich alles, was wir machen, mit der Lupe an. Wir leben in gefährlichen Zeiten, Dodari. Wir müssen sehr vorsichtig sein.«
Huisu hätte ihm noch einiges sagen wollen, verkniff sich das aber. Es hatte keinen Sinn, er würde es ohnehin nicht verstehen.
»Dann soll er also nach dem Gespräch nicht unter die Erde gebracht werden, oder was? Also, ich hab gedacht, er soll. Deshalb hab ich mich ein bisschen locker gemacht.« Dodari zuckte flapsig mit den Schultern.
Huisu sah ihn eisig an. »Sind wir ein Trupp marodierender Straßenräuber, oder was? Wo hast du nur deinen Verstand? Vor gerade mal zehn Jahren haben wir noch ›Großer Bruder Og‹ zu ihm gesagt und ihn respektiert. Und jetzt, wo er alt und wehrlos ist, polierst du ihm die Fresse?«
»Okay, tut mir leid, sei nicht sauer.«
Durch Huisus frostigen Ton abgeschreckt, gab sich Dodari unterwürfig und fing an, ihm devot die Schultern zu massieren. Dann holte er eine Zigarette heraus und gab sie Huisu, der sie widerwillig annahm. Sich selbst steckte Dodari auch eine ins Gesicht. Gangcheol klappte beflissen sein Zippo auf, zündete aber zuerst Dodari die Zigarette an, was Huisu mit einem kurzen, ungläubigen Lachen quittierte.
»Wer von euch beiden hat zugeschlagen«, fragte er Dodari.
»Hallo, so einfach ist das nicht, jemanden zu schlagen. Deshalb haben wir’s zusammen gemacht. Wir haben ihn halt jeder ein bisschen durchgewalkt.«
Dodari wandte sich zu Gangcheol und fügte feixend hinzu: »Ich hab ihn öfter geschlagen, aber du härter.«
Gangcheol nickte strahlend.
Huisu funkelte ihn böse an. »Ach, und das freut dich, was? Da musst du lachen, wie? Verdammt!«
Schlagartig verfinsterte sich Gangcheols Miene.
»Du willst es wohl einfach nicht kapieren, oder?«
Huisu machte einen großen Schritt auf ihn zu und verpasste ihm mit der Faust direkt einen auf die Nase. Gangcheols langer Oberkörper schwankte wie ein Schilfrohr im Wind. Seine Nase, jetzt rot wie eine dicke Erdbeere, begann zu bluten.
Dodari hielt Huisu am Arm zurück. »Großer Bruder Huisu, bitte beruhig dich. Weißt du, unser guter Gangcheol hat nicht gelacht, das sah nur so aus. Als er klein war, hatte er mal Typhus, seitdem ist sein Gesicht einfach so. Der sieht immer so aus, ein bisschen doof halt.«
Gern hätte Huisu diesen Typen genauso übel zugerichtet wie Chef Og, aber Dodari hielt ihn weiter am Arm zurück. Erst als Huisu einlenkend nickte, ließ Dodari ihn los.
»Chef Og soll sich waschen, und dann schickst du ihn mir ins Büro. Und du auch, mach das Blut weg. Schlamperei, so viel Blut in einem sauberen Betrieb, der frische Fische züchtet!«, sagte Huisu zu Gangcheol.
»Jawohl«, antwortete der und wischte sich mit dem Handrücken das Blut ab, das ihm aus der Nase lief.
Der Container, in dem sich das Büro befand, war leer. Huisu setzte sich aufs Sofa und stand sofort wieder auf. Was für ein Gestank. Wahrscheinlich hatten die Arbeiter in ihren Overalls darauf gesessen, das Sofa roch übelst nach Fisch. Klebten nicht sogar schon Schuppen an seiner Hose? Draußen am Wasserhahn hatte Chef Og begonnen, sich in Zeitlupe zu waschen. Etwas dümmlich stand Gangcheol daneben.
Zwanzig Jahre zuvor war Chef Og einer der wichtigsten Partner von Vater Son gewesen. Als ausgebildeter Ingenieur, also eher Geschäftsmann als Gangster, hatte er eine Baustofffirma gegründet, einen kleinen, soliden Betrieb. Hätte er nicht in der Unterwelt verkehrt, wäre er wohl immer noch Chef dieses inzwischen gigantischen Unternehmens. Doch aus reiner Bequemlichkeit hatte er sich damals mit den Gangstern zusammengetan. Mit Drohungen schaltete er die Konkurrenz aus, zog dadurch sämtliche Ausschreibungen an Land und erlangte das Monopol über die Baustellen von Guam und Umgebung. Ob dabei Wasser in den Reis oder Reis ins Wasser gerührt wurde, war ihm egal, denn alles lief ja bestens. Doch in allem Süßen steckt auch Gift, und genauso wenig, wie man ein Ferkel mästet, weil es so niedlich ist, hatten die Gangster Chef Og natürlich nicht ohne Hintergedanken so gut versorgt. Je besser seine Geschäfte liefen, desto mehr begannen ihn die Parasiten auszusaugen. Chef Og war viel zu naiv, um die Blutsauger kommen zu sehen und zu vertreiben. So kam es, dass er sich in Drogen und im Glücksspiel verlor, und der Sturz ins Bodenlose nahm seinen Lauf.
Als Gangcheol endlich mit Chef Og im Büro eintraf, befahl ihm Huisu, sofort Leine zu ziehen. Chef Og bot er eine Zigarette an, die dieser mit Daumen und Zeigefinger entgegennahm, den einzigen Fingern, die er an der Rechten noch hatte. Huisu zündete ihm die Zigarette an. Einen Finger hatte sich Chef Og selbst abgeschnitten, um seinen Entschluss, mit dem Glücksspiel aufzuhören, zu bekräftigen; die beiden anderen hatte man ihm nach einem seiner Täuschungsversuche abgeschnitten. So hatte er sich, anstatt sich vom Glücksspiel loszusagen, wegen des Glücksspiels von drei seiner Finger losgesagt.
»Wenn ich das richtig sehe, hat Yongkang die Besitzurkunde und alle relevanten Papiere bereits, oder?«, fragte Huisu.
Chef Og nickte schuldbewusst.
»Wie hoch waren Ihre Schulden?«
»Eine Milliarde. Also, geliehen hatte ich mir fünfhunderttausend, der Rest waren die Scheißzinsen.«
»Dann hat Yongkang die Wäscherei also für eine Milliarde won gekauft, stimmt das so?«
Chef Og schwieg verlegen.
»Ganz egal, was wir jetzt machen – ob wir noch versuchen, ihn umzustimmen, oder ob wir eingreifen –, wir müssen die genaue Summe kennen, verdammt. Wir schenken Yongkang doch nicht einfach so ein ganzes Geschäft!«
»Die genaue Summe ist eine Milliarde und fünfzig Millionen won.«
»Und woher kommen die fünfzig Millionen?«
»Das war ein Dankeschön von Yongkang.«
»Wofür?«
»Dafür, dass ich die Wäscherei in seiner Spielhalle verpulvert habe.«
»Das verdient wirklich ein Dankeschön«, sagte Huisu sarkastisch. »Und mit dem Geld haben Sie dann in Seoul weitergespielt?«
Chef Og senkte schweigend den Kopf.
»Wie viel ist Ihnen davon geblieben?«
»Kann ich noch eine Zigarette haben?«
Chef Og nahm sich eine aus der Packung, die auf dem Tisch lag, und zündete sie an. Dann drehte er sich um, und sein Blick wanderte langsam über das leere Fass und die Zementsäcke, die hinter ihm auf dem Boden lagen. Wenn die Gangster von Busan früher jemanden umgebracht hatten, steckten sie die Leiche in ein Fass, das sie mit Zement füllten. Sobald der Zement getrocknet war, wurde das Fass auf ein Schiff geladen und dann, sobald das Meer eine Tiefe von etwa hundert Meter erreichte, über Bord gekippt. In dieser Tiefe war es schwierig, ein Fass zu bergen, selbst mit bestem Gerät. Inzwischen war man von diesem aufwendigen Verfahren abgerückt, weil es zu viele Arbeitskräfte mobilisierte; je mehr Zeugen, desto größer die Gefahr undichter Stellen.
»Das Fass da, ist das für meine Leiche?«
Chef Og starrte das Fass an.
Huisu lächelte süffisant. »Nein, Chef Og, das wäre zu teuer. Das bleibt den VIPs vorbehalten, die unbedingt inkognito verschwinden müssen. In die Kategorie gehören Sie nicht. Für Sie wird eine kleine Inszenierung reichen, sagen wir ein Messerstich in den Bauch mitten in Guam. So kriegen die anderen Ladeninhaber Angst und schrecken vor Deals mit Yongkang zurück.«
»Du hast recht. Wie ein Popanz des Inhabers, der das Unternehmen verballert und dann fröhlich weiterlebt, als wäre nichts gewesen, das bringt nur Chaos«, sagte Chef Og in neutralem Ton.
»Wenn Sie das wussten, warum haben Sie es dann trotzdem so weit kommen lassen? Sie hätten auf uns zugehen