Dirk Revenstorf

Hypnotherapie bei Depressionen


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prozeduralen Gedächtnisses führt. Durch Metaphern wird der Phantasie und Intuition bei der Problemlösung mehr Raum gegeben. Häufig enthalten sie überraschende Wendungen, die einen Perspektivenwechsel des Zuhörers auslösen können (siehe »Turandot«, Onlinematerialien, Metapher 38), indem sie über seine gewohnten Gedankengänge und Vorstellungen hinausgehen. Die Restriktivität des logischen Denkens dagegen führt oft nur zu ähnlichen Lösungsversuchen, die weiter in die Schwierigkeiten hineinführen (Lösungen erster Ordnung, Watzlawick et al. 1974), anstatt durch Perspektivwechsel die Probleme aufzulösen.

      Drückt der Therapeut sich mithilfe von Metaphern aus, so repräsentiert der Patient die darin vorkommenden Bilder in den Begriffen seiner eigenen Erfahrung. Das heißt, dass der Therapeut sich nicht sicher sein kann, wohin die Metapher führt und in welcher Weise der Patient sie für sich verarbeitet, nämlich gemäß seiner eigenen Lebenswelt. Wird »Baum« als Metapher für Wachstum oder Standhaftigkeit verwendet, so werden sich die Assoziationen eines Försters zum Wort »Baum« von denen eines Sägewerkbesitzers oder eines Spaziergängers vermutlich unterscheiden. Wird eine Erzählung über einen Hund eingeflochten, so wird diese von einem Briefträger mit anderen Erlebnissen verknüpft als von einem Tierschützer. Die Vielschichtigkeit an Bedeutung, die eine Metapher auszeichnet, regt zu Suchprozessen an, die – auch für den Therapeuten – zu überraschenden Ergebnissen führen können.

      Da es um eigene Lösungen des Patienten geht, sind Metaphern eher selten Belehrungen oder indirekt vermittelte Vorschläge für eine konvergente Lösung, sondern stellen Impulse für einen divergenten inneren Suchprozess dar. Der Therapeut kann davon ausgehen, dass der Patient wahrscheinlich etwas anderes aus der Metapher macht als vom Therapeuten intendiert. Wenn eine Geschichte erzählt wird, geht der Patient davon aus, dass sich der Therapeut etwas dabei gedacht hat. Er weiß jedoch noch nicht, mit welcher Intention der Therapeut die Geschichte erzählt. Dadurch wird ein individueller Suchprozess nach einer Bedeutung der Geschichte gefördert. Damit eine Metapher angenommen wird, sollte sie vier Merkmale haben:

      • Analogie: Es muss eine gewisse thematische Schnittmenge zwischen dem persönlichen Anliegen des Patienten und der Metapher gegeben sein, sodass die Inhalte von Thema und Metapher sich verbinden lassen, doch sollte die Analogie nicht zu deutlich sein, um die Suche nicht zu verhindern (Beispiele für depressive Patienten image Kap. 2.5.3).

      • Verfremdung: Die Metapher sollte aus einem anderen semantischen Kontext stammen (Tierwelt, Historie, Märchen), sodass der Patient vom eigenen Thema abgelenkt ist und die Analogien beiläufig rezipiert werden.

      • Reibungsfläche: Die Metapher sollte eine gewisse Dissonanz erzeugen, die als Spannung aufgelöst sein will, was dadurch geschieht, dass man die semantische Erweiterung, die durch die Metapher angeboten wird, in irgendeiner Form integriert. Etwa der gutmütige Frosch, der vom Skorpion gestochen wird, den er gerade über den Bach gebracht hat.

      • Wendung: Da der Patient in einer Sackgasse steckt, soll die Metapher eine Wendung enthalten (Zauber, Reifung, Glück, Verdienst, Gnade etc.), die der Patient in eigener Weise in seinen Lebenskontext übersetzt (etwa die Verwandlung der Raupe in einen Schmetterling).

      Ein depressiver Patient reagiert besonders empfindlich gegenüber Belehrungen und Anweisungen. Er empfindet dies leicht als Abwertung und Botschaft, dass er es nur richtigmachen müsse, dann würde schon alles besser werden, was impliziert, dass er es bisher nicht hinbekommen hat. Geschichten, die belehrend und erzieherisch daherkommen, werden bei depressiven Patienten Widerstand und Ablehnung provozieren. Dies sollte unbedingt vermieden werden. Geschichten sollte man sparsam verwenden und beiläufig einflechten. Die Beiläufigkeit kann man durch verschiedene Stilelemente erreichen.

      Sich selbst oder einen anderen als Adressat bezeichnen: Dies hat den Vorteil, dass der Patient die Geschichte auf sich beziehen kann, aber nicht muss. Er hat die Freiheit, sie für sich zu verwenden oder auch nicht, wird sie also weniger als Belehrung verstehen. Einleitende Wendungen könnten sein:

      • Mir selbst wurde einmal eine Geschichte erzählt, die ich nicht richtig verstanden habe, die ich aber irgendwie interessant fand…

      • Ein Patient erzählte einmal die folgende Geschichte …

      • Einem Freund von mir wurde einmal die folgende Geschichte erzählt …

      • In einer Situation, wo es einem Patienten eines Kollegen ziemlich schlecht ging, wurde ihm einmal die folgende Geschichte erzählt …

      Die Ablehnung der Geschichte vorwegnehmen: Hier wird der potentielle Widerspruch des Patienten vorweggenommen. Auch dieses Stilelement erhöht die Möglichkeit der therapeutischen Wirkung, da explizit ohnehin davon ausgegangen wird, dass die Geschichte nicht passend ist.

      • Ein Freund erzählte mal eine Geschichte, wobei ich mich gefragt habe, warum er sie mir erzählt, und was ich damit anfangen sollte …

      • Ein Patient hat sich mal über die folgende Geschichte geärgert …

      • Studenten haben mal gefragt, was die folgende Geschichte sollte …

      • Wahrscheinlich werden Sie mit dieser Geschichte gar nichts anfangen können, …

      • Manche Geschichten sind für andere hilfreich, während man selbst wenig damit anfangen kann. Ein Freund erzählte mal die folgende Geschichte …

      Eingebettete Geschichten: Um eine Geschichte indirekter und weniger aufdringlich zu machen, kann man sie in eine Rahmengeschichte einbetten. Man erzählt die Geschichte von jemandem, der eine Geschichte von jemandem hört. Die für den Patienten relevante Geschichte ist in die andere eingebettet und wird von dieser quasi umrahmt. Oft wird sie dadurch vom bewussten Verstand nicht mehr erinnert, gleichwohl wirkt sie auf unbewusster Ebene.

      Am besten ist die Nutzung von Geschichten, die zu den Besonderheiten in der Ausdruckweise des Patienten und seinen Bildern passen. Eine gute Geschichte folgt der Sprache des Patienten (Pacing) und führt diese einer Lösung zu.

      • Verbrannte Erde: Weist dieses Bild auf Gewalterfahrungen hin, die der Patient gemacht hat, kann eine Landschaft nach einem Vulkanausbruch beschrieben werden, wo erst einmal nichts wächst, aber nach einer Weile wieder Leben entsteht. Gerade Vulkangestein ist dann, wenn es langsam brüchig wird, besonders fruchtbar und da, wo man dachte, es wächst nichts mehr, entsteht neues Leben. Bei weniger gewalttätigen Grunderfahrungen kann davon gesprochen werden, dass nach Waldbränden die Asche der Dünger für das neue Leben ist.

      • Wüste: Kein Wasser, zu große Hitze, kaum Leben: Die Wüste lebt. Überlebensfähigkeiten und Anpassungsfähigkeiten stärken, darüber einen Weg aus der Wüste herausfinden. Regen lässt die Wüste blühen. Wenn wieder etwas wächst, kühlt es die Landschaft und bringt wieder neuen Regen.

      • Eiswüste: Wärmende Plätze finden, wo man überwintern kann. Samenkörner, die im gefrorenen Boden überwintern und keimen, sobald es wärmer wird.

      • Einen Berg vor sich: Metapher von der Passbesteigung. Schritt für Schritt gehen. Irgendwann an Höhe gewinnen. Unglaube, es schaffen zu können, dann feststellen, dass man beim Gehen Kraft gewinnt.

      • Im Nebel sein: Nicht verstehen, was man lernt. Nicht realisieren, dass man etwas lernt. Irgendwann überrascht sein über die Fortschritte, die man gemacht hat. Geschichte von Kung-Fu und dem Bambus (siehe Onlinematerialien, Metapher 25).

      Falls keine formale Trance-Einleitung vorausgeht, kann eine der folgenden Formeln oder eine ähnliche Wendung zur Einleitung einer beiläufigen Trance verwendet werden:

      • Ein Stichwort des Patienten aufgreifend: »Das ist fast so wie … kennen Sie das?« oder: »Darf ich Ihnen dazu … » oder: »Vielleicht hat das nichts mit Ihnen zu tun