Die vorliegende Literatur belegt, dass bei leichten und mittelgradigen (teilweise auch bei schweren) Formen der depressiven Störung psychotherapeutische Verfahren kurzfristig ähnlich wirksam sind wie medikamentöse Therapien und langfristig sogar höhere Wirksamkeit insbesondere auf die Verhinderung von Rückfällen aufweisen (z. B. Hollon et al. 2005, DGPPN et al. 2015). Ein anderer Überblicksartikel konnte zeigen, dass psychologische Interventionen (KVT, Verhaltensaktivierung, aber auch IPT) gegenüber der üblichen Standardbehandlung, aber auch gegenüber einer strukturierten Pharmakotherapie überlegen waren (Cuijpers et al. 2011).
1.3 Psychotherapie bei Depression
Insgesamt zeigte sich im überwiegenden Teil der für die Leitlinie betrachteten Studien und Überblicksartikel entweder eine Überlegenheit oder Äquivalenz der Wirksamkeit von KVT im Vergleich zu anderen Behandlungsbedingungen. Einige der Meta-Analysen zeigten, dass die KVT in der Akutbehandlung gegenüber Warteliste, Pharmakotherapie und anderen Psychotherapieansätzen (IPT, psychodynamische Therapie, supportive Therapie oder Entspannungsverfahren) in der Reduktion depressiver Symptome im Mittel nach 16 Wochen überlegen war (z. B. Gloaguen et al. 1998; Gaffan et al. 1995). Andere hingegen fanden keine Unterschiede in der Wirksamkeit der KVT und der psychodynamischen Therapie oder anderer Ansätze (Shinohara et al. 2013; Mazzucchelli et al. 2009). Für die Leitlinie wurden nur zwei Meta-Analysen zitiert, die sich explizit mit der Wirksamkeit von psychodynamischen Kurzpsychotherapien befassten und eine äquivalente Wirksamkeit wie für die KVT oder IPT fanden (Crits-Christoh et al. 1992; Leichsenring 2001). Des Weiteren wurden auch systematisch verschiedene Psychotherapieformen in ihrer Wirksamkeit miteinander verglichen, wie z. B. die KVT und die Psychodynamische Therapie, wobei sich eine äquivalente Wirksamkeit der psychodynamischen Therapie gegenüber der KVT zeigte, was als weitere Evidenz für die Wirksamkeit der Psychotherapie allgemein gewertet wurde (z. B. Driessen et al. 2014).
Auf Basis der vorliegenden Studien formulieren die Leitlinien deswegen eine Empfehlung für Psychotherapie bei leichten bis mittelschweren Depressionen mit dem höchsten Evidenz- und Empfehlungsgrad, ohne sich jedoch konkret auf eine bestimmte Psychotherapieform festzulegen. Eindeutig wird nach wie vor die gute Evidenz für die KVT betont.
Trotz der vielversprechenden Evidenz für die Wirksamkeit der Psychotherapie bei Depressionen liegen die Erfolgsquoten bei der KVT und IPT nur bei etwa 50% (z. B. Luty et al. 2007). Mit dem Ziel einer Optimierung und Verbesserung der klinischen Wirksamkeit psychotherapeutischer Angebote für unipolar-depressive Störungen werden immer wieder neue Behandlungsansätze entwickelt und erforscht. So wurden beispielsweise Verfahren der sog. dritten Welle der Verhaltenstherapie, z. B. im Rahmen der Schematherapie (Young et al. 2003, 2007), der emotionsfokussierten Therapie (Greenberg und Watson 2006) sowie der CBASP (McCollough 2003), in den letzten Jahrzehnten stärker beforscht.
1.4 Stellenwert der Hypnotherapie
Erste Erwähnungen fand die Hypnotherapie (HT) in der klinischen Literatur bereits im 18. Jh. Bis heute liegen jedoch erst wenige randomisiert kontrollierte Studien zu hypnotherapeutischen Methoden, insbesondere zur Behandlung von Depressionen, vor. Frühe Studien befassen sich mehr mit klinischen Fallberichten (z. B. Erickson und Kubie 1941). Die Hypnotherapie findet deswegen auch keinerlei Erwähnung in der aktuellen S3-Versorgungsleitlinie zur Depression. Auch wenn es einige RCTs gibt, in denen unter Hypnose eine mittlere Wirksamkeit gefunden wurde (Flammer und Bongartz 2003), so beziehen sich die meisten der Studien mehr auf medizinische als psychische Störungen, zudem wurde in der Regel nicht mit einer vergleichbaren Behandlung, sondern mit einer Kontrollgruppe ohne Behandlung verglichen, was die Generalisierbarkeit der Ergebnisse limitiert. Eine Meta-Analyse zur Effektivität der HT zusätzlich zur KVT belegt additive Effekte der Hypnose auf verschiedene medizinische Probleme und einige Angstsymptome (z. B. Kirsch et al. 1995).
Was die Effektivität der HT bei Depressionen angeht, so liegen bisher zwar einige Studien vor, die jedoch methodische Schwierigkeiten aufweisen. Es gibt eine Meta-Analyse zur Behandlung von depressiven Symptomen (Shi et al. 2009), die eine signifikante Reduktion der Symptomatik durch HT nachweisen konnte, allerdings bleibt unklar, ob es sich dabei um Teilnehmer mit einer diagnostizierten depressiven Episode handelte oder nur um Personen mit selbstberichteten erhöhten depressiven Symptomen. In einem RCT, das eine Gruppentherapie mit HT mit Yoga (jeweils zusätzlich zu Psychoedukation) und einer Bedingung mit reiner Psychoedukation verglich, zeigte sich zwar eine Symptomreduktion für Patienten mit Dysthymie bzw. Depression, allerdings unterschied sich die Gruppe mit HT bezüglich des Anteils von Personen in Remission nicht signifikant von der Kontrollgruppe mit reiner Psychoedukation (Butler et al. 2008). Eine relativ neue Studie zeigte eine Überlegenheit der hypnotherapeutischen Behandlung gegenüber Gestalttherapie in Kombination mit KVT und einer Kontrollgruppe in Bezug auf die Reduktion der depressiven Symptomatik. In diesem Fall handelte es sich tatsächlich um Patienten in klinisch diagnostizierter depressiver Episode. Die Fallzahl war allerdings extrem gering und die Auswahl der Patienten für die Studie sowie die Zuteilung zu den Bedingungen bleibt unklar bzw. quasi-experimentell (Gonzalez-Ramirez et al. 2017). Dagegen zeigte sich die »kognitive Hypnotherapie«, die aus einer Kombination von KVT mit zusätzlichen hypnotherapeutischen Elementen bestand, der reinen Behandlung mit KVT überlegen (Alladin und Alibhai 2007). Dies ist die einzige randomisiert-kontrollierte Studie, die mit entsprechender Fallzahl einen positiven Nachweis für HT erbringen konnte an einer Stichprobe mit diagnostizierter depressiver Episode. Jedoch ist kritisch anzumerken, dass ein zusätzlicher Effekt der HT auch darauf zurückzuführen sein könnte, dass in dieser Bedingung zusätzliche Interventionen stattgefunden hatten, so dass eine Äquivalenz der beiden Bedingungen im Hinblick auf die erhaltene »Dosis« nicht gegeben war und somit auch die Ergebnisse nicht vergleichbar sind.
Es fehlen somit dringend noch weitere Wirksamkeitsnachweise insbesondere auf Basis von RCTs, speziell zur Behandlung von Depressionen mit HT im Vergleich mit der kognitiven Verhaltenstherapie.
Das hier präsentierte Manual wurde im Rahmen einer Psychotherapiestudie zum Vergleich von Hypnotherapie mit Kognitiver Verhaltenstherapie systematisch zusammengestellt. Das RCT wurde durchgeführt, um zeigen zu können, dass HT im Vergleich zu einem anderen psychotherapeutischen Verfahren bezogen auf die Reduktion der depressiven Symptomatik nicht unterlegen ist. Gewählt wurde der Vergleich mit der KVT, die in den aktuellen Behandlungsleitlinien mit der höchsten Evidenz empfohlen wird. Die Studie wurde zwischen 2014 und 2018 am Universitätsklinikum Tübingen durchgeführt und finanziell von der Milton Erickson Gesellschaft (MEG) unterstützt. Verschiedene Hypnotherapeuten der MEG haben für die Anwendung in der Studie das hier präsentierte Manual als eine Sammlung verschiedener therapeutischer Strategien aus dem Bereich der hypnotherapeutischen Arbeit zusammengestellt. Neu an dem Manual ist, dass die verschiedenen hypnotherapeutischen Module in ein strukturbezogenes Modell der Hypnotherapie (
In der Studie wurden insgesamt 152 Patienten mit aktueller leichter oder mittelgradiger depressiver Episode (basierend auf den Empfehlungen der Versorgungsleitlinie) jeweils zur Hälfte einer Behandlung mit HT oder KVT randomisiert zugewiesen. Die Dauer der ambulanten Einzelbehandlung beinhaltete jeweils bis zu 20 Sitzungen in einem Zeitraum von 24 Wochen. Nach Ende der psychotherapeutischen Behandlung mit HT oder KVT sowie sechs und zwölf Monate später wurden alle Teilnehmer bezüglich ihrer Symptomatik – durch für die Studienbedingung blinde Diagnostiker – nachbefragt. Die Teilnahme an der Studie war mit der 12-Monats-Katamnese für die Patienten nach insgesamt anderthalb Jahren beendet (für den Studienablauf siehe Fuhr et al. 2017).
Im Rahmen der durchgeführten Studie konnte gezeigt werden, dass die HT der KVT nicht unterlegen war (Fuhr et al. 2019).
2 Einführung in die Hypnotherapie
Dirk Revenstorf
2.1 Allgemeines
Bestimmte Dinge werden in jeder Therapie ähnlich ablaufen, egal ob es um eine kognitiv-verhaltenstherapeutische, tiefenpsychologische, humanistische oder eine andere Art der Behandlung geht. Derartige Aspekte sind z. B. Einfühlung,