Julia Fritz

Fremdsprachenunterricht aus Schülersicht


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auf die Leistungsbeurteilung und ‑bewertung im Fremdsprachenunterricht ist der Umgang mit Fehlern seitens der Lehrkräfte. Sowohl für die Förderung der Motivation als auch für das Erleben positiver Emotionen im Fremdsprachenunterricht spielt die Art und Weise des Umgangs mit sprachlich nicht korrekten Äußerungen der Lernenden eine entscheidende Rolle. Wenn SchülerInnen eine positive Feedbackkultur empfinden und Fehler als Möglichkeit zum eigenen Lernen wahrnehmen, scheint dies – unabhängig von der sprachlichen Korrektheit ihrer Äußerungen – förderlich für das Erleben positiver Emotionen wie Stolz.

      Dieses Erleben dürfte sich dabei nicht nur als förderlich für zukünftige Unterrichts- und insbesondere Redebeiträge von Schülern, sondern auch für den allgemeinen Aufmerksamkeitsgrad im Unterrichtsgespräch herausstellen, da damit die von Bleyl (2005) als ‚inhaltsleer‘ und damit potentiell langeweileerzeugend kritisierte Kommunikation im Fremdsprachenunterricht […] verhindert werden dürfte. (Cronjäger 2009:236)

      3.3.5 Nützlichkeit und Anwendbarkeit der Fremdsprache

      Die bislang dargestellten, aus Schülersicht relevanten unterrichtsimmanenten Merkmale sind für Edmondson wichtige, aber dennoch kurzfristige motivationale Einflussfaktoren beim Fremdsprachenlernen. Für ihn liegt der bedeutsamste Einflussfaktor in der Wahrnehmung der Anwendbarkeit fremdsprachlicher Kenntnisse: „Es geht um die Wahrnehmung der Relevanz der Fremdsprache für mich, es geht um die Auswirkung dieser Sprache auf mein Leben, es geht darum, wie notwendig die Fremdsprache bei der Verwirklichung anderer Ziele ist.“ (Edmondson 1996a: 80) Und in der Tat spielt die wahrgenommene Nützlichkeit und Anwendbarkeit auch für Wahl- und Abwahlentscheidungen eine nicht zu unterschätzende Rolle.1 Der Wunsch nach mehr außerunterrichtlichen Möglichkeiten zur Verwendung der Zielsprache, z.B. in Form von Reisen (möglichst mit der Klasse), bestand in einer Befragung von Englischschülerinnen und ‑schülern bei fast 70 % (vgl. Apelt & Koernig 1994b: 245).

      Das Beherrschen von Fremdsprachen im Allgemeinen (vgl. Kallenbach 1996: 172; Küster 2007:213) und der französischen Sprache im Besonderen (vgl. u.a. Düwell 1979:79; Bittner 2003:344; Schumann & Poggel 2008:116f.) wird von den SchülerInnen zwar als nützlich für die schulische und berufliche Zukunft eingeschätzt, dennoch fallen die Werte in Bezug auf die Wichtigkeit und Nützlichkeit, Französisch zu lernen, insgesamt negativer aus:

      Im Hinblick auf das Fremdsprachenlernen fällt beispielsweise auf, dass die Werte (M = 3.57, s = 0.62) für „Es ist wichtig, Sprachen zu lernen, um mit Menschen aus anderen Ländern kommunizieren zu können“ sehr hoch sind, während sie für das gleiche Item in Bezug auf das Französischlernen geringer (M = 2.71, s = 0.90) ausfallen. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Wert für „Sprachen zu lernen, ist wichtig für meine Zukunft“ (M = 3.27, s = 0.77) im Vergleich zu „Französisch zu lernen, ist wichtig für meine Zukunft“ (M = 2.36, s = 0.89). (Venus 2017a: 132)

      Vor allem diejenigen, die Französisch abwählen möchten, zeigen sich enttäuscht darüber, „wie wenig sie Französisch im In- und Ausland oder im schulischen Bereich verwenden können“ (Hermann-Brennecke & Candelier 1993:245), und bewerten die Sprache „als ‚nicht anwendbar‘, ‚entbehrlich‘, ‚lebensfern‘, ‚verständigungsungeeignet‘ und ‚berufsuntauglich‘“ (ebd.). In einer quantitativen Fragebogenstudie zum Frankreichbild deutscher Jugendlicher der Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen gaben nur 13,5 % der Befragten an, regelmäßig in Kontakt mit französischen MuttersprachlerInnen zu stehen, 52,5 % verneinten die Frage nach Kontakten vollständig (vgl. Schumann & Poggel 2008:115). Setzt man diese Zahlen in Bezug zu der Studie von Venus (2017b), wird deutlich, dass Französisch hier hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt: Etwa zwei Drittel der Lernenden würden gerne Kontakte mit Menschen des Landes knüpfen (68,8 %), 60,3 % hätten gerne Freunde im Zielsprachenland (vgl. Venus 2017a: 131).

      Erkennen die Lernenden die steigenden Anwendungsmöglichkeiten der französischen Sprache, wirkt sich dies auch positiv auf ihre Motivation und ihr Interesse am Französischunterricht aus (vgl. Düwell 1979:98f.). Wenngleich Düwell zuzustimmen ist, dass „die integrative Motivation im Lernenden nicht aufkommen kann, solange dieser mit der anderen Sprachgemeinschaft noch nicht in häufigen Kontakt getreten ist“ (ebd.: 109), kann dieses Argument beinahe 40 Jahre später jedoch nicht mehr gelten. Vor allem vor dem Hintergrund der technischen Möglichkeiten und einer zunehmenden Mobilität eröffnen sich auch für den Fremdsprachenunterricht heute zahlreiche Wege, die Anwendbarkeit und Nützlichkeit des Französischen außerhalb des Unterrichts erfahrbar zu machen. Dass jedoch die Ermöglichung von Kontakten zu Sprecherinnen und Sprechern der Zielsprache im Fremdsprachenunterricht nicht per se zu einem größeren Interesse am Fach führt, zeigt die Schweizer Studie von Niggli et al.:

      Schülerinnen und Schüler aus Klassen, die angaben, im Unterricht auch Kontakte zu Menschen aufgenommen zu haben, welche die Zielsprache sprechen, äusserten – bei Kontrolle des Anfangsniveaus – am Ende des Jahres ein signifikant geringeres Interesse am Fach im Vergleich mit Schülerinnen und Schülern, in deren Unterricht diese fachdidaktische Strategie eine geringere Rolle spielte. (Niggli et al. 2007:495)

      Mögliche Gründe liegen für die Autoren in dem u.U. zu hohen Komplexitätsgrad bei der Durchführung von Austauschkontakten sowie dem Streben der Jugendlichen nach selbstbestimmt bzw. autonom hergestellten sozialen Kontakten statt durch Lehrkräfte gesteuerten kommunikativen Beziehungen. Als erwartungswidrig erwies sich ebenso der Effekt des Arbeitens mit authentischen, lebensnahen Medien und Materialien im Fremdsprachenunterricht, was auf eine mangelhafte Passung mit dem Lernniveau der SchülerInnen zurückgeführt wird (vgl. ebd.: 495f.).

      Obwohl die zu geringe Anwendungsorientierung des Englischunterrichts von Lernenden häufig auch bemängelt wird (vgl. Zydatis 2007:136), bleiben Französisch und Spanisch aus Sicht der Lernenden hinter dem Englischen zurück, wenn es um die Nützlichkeit von (Fremd‑)Sprachen geht (vgl. u.a. Beckmann 2016:350). Aufgrund seiner höheren Sprecherzahlen und seiner Präsenz im Alltag wird der Beherrschung der englischen Sprache der größte Stellenwert zugeschrieben (vgl. Macht & Schröder 1976:287; Kallenbach 1996:169ff.; Beckmann 2016:235)2, was dazu führt, dass eine Mehrzahl von SchülerInnen das Erlernen der englischen Sprache der französischen vorzieht (vgl. Düwell 1979:134f.; Meißner et al. 2008:105). Meißner et al. kommen gar zu dem Schluss, dass Englisch vor diesem Hintergrund „nicht länger mehr als eine (normale) Fremdsprache unter anderen gelten kann“ (2008:160). Knapp 84 % der befragten Studierenden sprechen sich in der Untersuchung von Burk et al. (2001:123) für das Englische als schulische Eingangsfremdsprache aus; nur 3,7 % würden Französisch als erste Fremdsprache bevorzugen. Doch auch wenn die Lernenden Englisch favorisieren und es nicht für realistisch halten, „dass alle EU-Bürger zwei Fremdsprachen lernen und die gewünschte Mehrsprachigkeit aktiv leben“ (Gnutzmann et al. 2012:81), geht die Überzeugung einer lingua franca Englisch nicht so weit, dass diese für sie als alleinige Verkehrssprache in Europa vorstellbar wäre.

      SchülerInnen, die das Fach Französisch gegenüber Englisch bevorzugen, geben dafür als häufigsten Grund an, dass ihnen die Sprache besser gefalle bzw. schöner sei (vgl. Düwell 1979:136). Die ästhetische Dimension zählt also in der Wahrnehmung der Lernenden zu den positiv hervorzuhebenden Aspekten der französischen Sprache (vgl. u.a. Macht & Schröder 1976:288; Schumann & Poggel 2008:117; Caspari 2005:12; Venus 2017a: 131). Die Auffassung, dass es sich beim Französischen um eine schöne Sprache handelt, deren Klang die Lernenden mögen, nimmt offenbar im Verlauf der Sekundarstufe I sogar noch zu (vgl. Hermann-Brennecke & Candelier 1993:249; Bittner 2003:344). Insgesamt scheinen die romanischen Sprachen bei SchülerInnen gegenüber dem Englischen, dessen Aussprache eher als trocken wahrgenommen wird, in diesem Punkt positiver abzuschneiden (vgl. Kallenbach 1996:168).

      3.3.6 Der Einfluss des Geschlechts auf die Wahrnehmung von Fremdsprachenlernen und Fremdsprachenunterricht

      Verschiedene allgemeinpädagogische Studien kommen bei einem geschlechterbezogenen Vergleich der Lernerperspektive zu dem Ergebnis, dass es in Bezug auf die Unterrichtswahrnehmung insgesamt weniger Unterschiede als Gemeinsamkeiten zwischen Jungen und Mädchen gibt (vgl. u.a. Haecker & Werres 1983:69; Bocka 2003:179), sodass „das Urteil über die Schule nicht von der Geschlechtszugehörigkeit