Julia Fritz

Fremdsprachenunterricht aus Schülersicht


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unterrichteten (vgl. ebd.: 153). Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Studie von Czerwenka et al. (1990:133), die auf eine deutliche Verschlechterung der Beurteilungen im Verlauf der Jahrgangsstufen hinweisen.

      Während äußere Faktoren wie Alter, Geschlecht oder Aussehen der Lehrkraft eine eher untergeordnete Rolle für die Lernenden spielen (vgl. Ditton 2002:267), nehmen Faktoren wie z.B. Fach- und Methodenkompetenz, Persönlichkeit, Unterrichtsstil sowie das Verhältnis zwischen Lehrperson und Lernenden großen Einfluss auf die Unterrichtswahrnehmung. In der Schulklimaforschung werden die o.g. Merkmale immer wieder unter den Wahrnehmungsdimensionen des Love theme und Mastery theme subsumiert:

      In dieser Beurteilungsdimension [Love theme, Anm.d. Verf.] kommen Aspekte zum Ausdruck wie Wärme (Lehrkraft ist ‚menschlich‘, verständnisvoll, den Schülern zugeneigt), soziale Kompetenz (weiß, was in der Klasse und bei den Schülern vorgeht, kennt ihre Wünsche, Ängste, Befürchtungen) und Wunscherfüllung (nimmt Rücksicht auf Wünsche und Probleme der Schüler, ist flexibel). Als zweite Hauptdimension steht daneben das sog. ‚mastery theme‘, das die Aspekte des fachlichen Könnens, der Qualität des Unterrichts, der Disziplin sowie der Durchsetzungsfähigkeit der Lehrkraft beinhaltet. (ebd.)

      Mastery theme

      Wenn sich Lernende über ihre Lehrkräfte äußern1, beziehen sie sich besonders häufig auf deren methodisch-didaktische Kompetenzen (vgl. u.a. Fichten 1993:133; König 2007:22). Dies mag nicht zuletzt in dem Zusammenhang zwischen der Kompetenz der Lehrperson und dem Lernerfolg der SchülerInnen begründet liegen. So ist empirisch belegt, dass neben allgemeinen fachunabhängigen Merkmalen vor allem die methodischen Kompetenzen von Lehrenden Einfluss auf die Lernentwicklung und Schülerleistungen nehmen:

      Hierzu gehören eine interessante, klare, verständliche und vernetzte Präsentation neuer Inhalte und Konzepte, die Aktivierung des vorhandenen Vorwissens der Schüler, das Evozieren kognitiv anspruchsvoller Tätigkeiten, die Kultivierung eines diskursiven Unterrichtsstils, der Einsatz geeigneter Repräsentationsformen, die Förderung der Bewusstheit für das eigene Lernen sowie die Vermittlung von Strategien zur Strukturierung und Elaboration des Unterrichtsgegenstands. (Lipowski 2006:64)

      Wie die Untersuchung von Czerwenka et al. (1990:126) deutlich macht, äußern sich Lernende über ihre Lehrkräfte oft in Form negativer Beschreibungen. Dabei ist die methodische Kompetenz eine der zentralen Kategorien, auf die die Befragten zur Beschreibung von schlechten Lehrkräften Bezug nehmen.

      Auch wahrgenommener didaktischer Inkompetenz ist ein bedeutsamer Stellenwert in den Urteilen zuzuschreiben, d.h. ein Lehrer wird dann von Schülern als schlecht bezeichnet, wenn er ihnen aufgrund mangelnder Planungsfähigkeit, unzureichender Lernhilfen, unverständlicher Erklärungen und fehlender motivationaler Anreize die Bewältigung ihrer Aufgaben zu erschweren scheint, nach Schülermeinung also die Hauptaufgabe seiner beruflichen Tätigkeit verfehlt. (Stolz 1997:171)

      Besonders negativ wird von Lernenden außerdem ein zu hohes Tempo im Unterricht und damit verbunden mangelnde Zeit für die Klärung von Verständnisschwierigkeiten beurteilt. Dem Wunsch, dass der zu behandelnde Stoff so lange erklärt und wiederholt wird, bis alle SchülerInnen ihn verstanden haben, steht oft ein wahrgenommener Zeitdruck entgegen, zu viele Themen in einem Schuljahr bewältigen zu müssen. Dies führt zu Frustration bei den Lernenden, da sie das Gefühl haben, ihre Schwierigkeiten würden nicht ernst genommen und die Bewältigung der Inhalte sei wichtiger als ihr Lernerfolg (vgl. Haselbeck 1999:110f.; Bocka 2003:138f.). SchülerInnen erwarten von Lehrpersonen, dass sie den Stoff, vor allem schwierige Sachverhalte, anschaulich und verständlich erklären (vgl. Kanders et al. 1996:63). So könne nicht nur Verständnisschwierigkeiten und Lernhindernissen vorgebeugt, sondern auch der Lernaufwand bei hohem Lernzuwachs gering gehalten werden (vgl. Haselbeck 1999:110). Vor allem für GymnasiastInnen scheint das pädagogische Engagement der Lehrkraft, d.h. wie diese sich für die Erreichung der Lern- und Lehrziele einsetzt und die Lernentwicklung unterstützt, von besonderer Wichtigkeit (vgl. König 2007:23). Sie beklagen häufiger das mangelnde pädagogische Engagement der Lehrkräfte und erleben bezüglich des Unterstützungsverhaltens von leistungsschwächeren Lernenden ein größeres Defizit als Lernende anderer Schulformen (vgl. ebd.: 24), weshalb sie sich dementsprechend mehr Geduld mit lernschwachen SchülerInnen wünschen (vgl. Apel 1997:136).

      SchülerInnen kritisieren, dass ihre Interessen zu wenig Berücksichtigung fänden, der Unterricht oft nicht praxisorientiert sei und einem immer gleichen Ablauf folge. Starre Methodenkonzepte, reproduktive Arbeitsformen sowie mechanische, sinnleere Tätigkeiten würden zu Langeweile führen und Enttäuschung hervorrufen (vgl. Haselbeck 1999:116f.). Langeweile sei das am stärksten empfundene Problem im Schulalltag, wobei dies weniger im Desinteresse an den Unterrichtsinhalten begründet liege als vielmehr in der methodischen Gestaltung des Unterrichts durch die Lehrkraft (vgl. Fichten 1993:132). Wird der Unterricht als monoton, methodisch wenig flexibel, dirigistisch und auf die Lehrkraft zentriert erlebt, schränke dies die Möglichkeiten der Mitbestimmung und des selbstständigen Lernens stark ein (vgl. Hagstedt 1980:38f.; Haecker & Werres 1983 94f.; Fichten 1993:133).

      Der Wunsch, mehr einbezogen und zum Mitmachen angeregt zu werden2, geht einher mit der Forderung nach variierenden, aktivierenden Unterrichtsmethoden. Nach Meinung der SchülerInnen würden durch mehr eigenständiges Arbeiten im Unterricht auch das Interesse und die Freude der Lernenden steigen. Alternative Formen der Unterrichtsgestaltung, so z.B. Spiele und Wettkämpfe, Lernen außerhalb der Schule, Projektwochen und Praktika sowie die Durchführung von Versuchen und Arbeit im Sprachlabor, werden positiv hervorgehoben (vgl. Czerwenka et al. 1990:90). Auch wenn dies größere Lernanstrengungen bedeutet, bevorzugen SchülerInnen einen solchen Unterricht und erfüllen die Pflichten mit mehr Bereitschaft (vgl. Bocka 2003:141ff.). Diesbezüglich scheint sich in den Wünschen und Schülerwahrnehmungen nur wenig geändert zu haben, bedenkt man, dass bereits die Arbeit von Hagstedt (1980:38f.) zu Beginn der 1980er Jahre zu vergleichbaren Ergebnissen kommt: Wenn SchülerInnen etwas am Unterricht verändern könnten, würden sie hinsichtlich der Aufgaben, Methoden und Lernorte insgesamt mehr Abwechslung bevorzugen.

      Was das Wissen und die fachliche Kompetenz von Lehrkräften aus Schülersicht betrifft, liegen nur wenige empirische Erkenntnisse vor. Betrachtet man die vorliegenden Studien zu guten oder schlechten LehrerInnen, äußern sich die Befragten vergleichsweise selten zur wahrgenommenen Fachkompetenz (vgl. Czerwenka et al. 1990:126; Stolz 1997:164). Für SchülerInnen scheint die methodische Kompetenz von Lehrkräften demnach deutlich wichtiger als ihr fachliches Wissen zu sein. Ein möglicher Erklärungsansatz könnte sein, dass die Lernenden mit der fachlichen Kompetenz ihrer Lehrkräfte zufriedener sind als mit anderen Aspekten. So weist Hofer (1981:52) darauf hin, „daß sich Lehrer im fachlichen Bereich durchaus dem Idealbild ihrer Schüler nähern“. Dagegen seien in Bezug auf die emotionale Zuwendung, d.h. die Persönlichkeit und das Lehrer-Schüler-Verhältnis, Differenzen zwischen dem Real- und Wunschbild erkennbar (vgl. ebd.; Kanders et al. 1996:62).

      Themen, die das Lehrer-Schüler-Verhältnis betreffend besonders oft angesprochen werden, sind Kontrolle und Disziplinierungsmaßnahmen im Unterricht (vgl. u.a. Haselbeck 1999:341f.). So wird in Arbeiten zur Lehrer-Schüler-Interaktion das Klassenmanagement, d.h. inwiefern Lehrkräfte in der Lage sind, „Interaktionsprozesse im Klassenzimmer in einer lerndienlichen Weise zu organisieren und zu steuern“ (Ophart & Thiel 2017:247), neben Instruktion und Motivierung als eine weitere Basisdimension der Unterrichtsqualität operationalisiert. Dabei zählen die Arbeit mit Normen, Regeln, Prozeduren sowie der Aufbau eines erwünschten Verhaltens ebenso zu den zentralen Anforderungen wie die Steuerung von Unterrichtsprozessen und der Umgang mit Störungen (vgl. ebd.: 250ff.). SchülerInnen erwarten von ihren Lehrenden, dass sie sich durchsetzen können, für Disziplin sowie eine geordnete und ruhige Atmosphäre im Klassenzimmer sorgen. Die Befunde von Walter und Walter (2014:143f.) deuten darauf hin, dass „die Herstellung, Sicherung und Aufrechterhaltung der akademischen Rahmung des Unterrichts“ für Lernende sogar zu den wichtigsten Aufgaben der Lehrperson zählen. Allerdings ist hier zwischen den unterschiedlichen Schulformen zu differenzieren. Die Aspekte Durchsetzungsvermögen und Disziplinierung scheinen dem Erlebensbereich von GymnasiastInnen gegenüber anderen Schulformen weniger zugehörig, da diese Themen von ihnen deutlich seltener hervorgebracht