Julia Fritz

Fremdsprachenunterricht aus Schülersicht


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der Hauptschule stellen die Demonstration von Autorität und Macht offenbar weniger in Frage und neigen eher dazu, diese zu legitimieren (vgl. ebd.: 24). Zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen Haecker und Werres (1983:82f.): „Entsprechend stellen Hauptschüler signifikant bzw. sehr signifikant seltener fest, daß der Lehrer herumkommandiert, zuviel redet, nur seine Meinung gelten läßt, einige Schüler bevorzugt oder den Laissez-faire-Stil praktiziert“. In der Folge nehmen die Autoren eine größere Zufriedenheit seitens der HauptschülerInnen an.

      Love theme

      Werden SchülerInnen nach ihrer Meinung zu Lehrenden gefragt, nehmen sie häufig Bezug auf das persönliche Verhältnis zu diesen. Da schulisches Lernen in erster Linie durch die unmittelbare Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden geprägt ist, sind es auch diese sozialen Beziehungen, die in der Wahrnehmung der SchülerInnen konstituierende Bedeutung für ihre Lern- und Leistungsentwicklung haben. Die Jugendlichen sind in vielfacher Hinsicht – nicht zuletzt im Rahmen der Leistungsbewertung – auf ihre Lehrenden angewiesen. Dieser im institutionellen Rahmen Schule gegebenen Abhängigkeit von Lehrpersonen sind sie sich durchaus bewusst. So erklärt sich auch, dass sie Interesse an einem sachlich-distanzierten Verhalten sowie klaren Autoritätsverhältnissen äußern. Auch die Gleichbehandlung aller Lernenden, Gerechtigkeit und dass Lehrkräfte ihre Position nicht gegen die SchülerInnen verwenden, sind für sie von herausragender Bedeutung (vgl. Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982:36f.; Czerwenka et al. 1990:128; Kanders et al. 1996:61).

      Der Unterricht müsse stets ein angstfreier Raum sein, in dem Fehler zugelassen werden (vgl. Bocka 2003:145). Nutzen LehrerInnen ihre übergeordnete Stellung gegenüber den Lernenden aus, wird dies als Machtmissbrauch wahrgenommen, der sich bspw. durch Anschreien, Bloßstellen, Demütigungen, ungerechte Beschuldigungen oder unangemessene Strafen äußert (vgl. Holtappels 1987:133ff.; Sochatzky 1988:116; Stolz 1997:164ff.; Haselbeck 1999:341f.). SchülerInnen am Gymnasium scheinen Kritik, Drohungen, Beleidigungen und Beschimpfungen härter und belastender zu empfinden als Lernende anderer Schulformen, was Apel auf deren vermeintlich höheres Sprachvermögen zurückführt (vgl. Apel 1997:137).

      Erfahrungen mit autoritären Lehrkräften, bei denen die Lernenden das Gefühl erleben, der Willkür ihrer Lehrperson ausgeliefert zu sein, stören die Lehrer-Schüler-Beziehung nachhaltig und führen zu Unzufriedenheit, Frustration und dauerhaften emotionalen Spannungen (vgl. Haselbeck 1999:341f.). Dies deckt sich mit den Ergebnissen von Stolz, wonach SchülerInnen „ein hohes Ausmaß an Lenkung/Dirigierung bei gleichzeitiger emotionaler Zurückweisung“ (Stolz 1997:170) schlechten Lehrkräften als charakteristisches Merkmal zuschreiben. Dass Lernende sich vor allem im Falle unzureichender Gerechtigkeitserfahrungen – wie Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner SchülerInnen – zu diesem Thema äußern, lässt darauf schließen, dass Gerechtigkeit erst dann für die Lernenden bedeutsam wird, wenn sie nicht als gegeben vorausgesetzt werden kann (vgl. Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982:35; Czerwenka et al. 1990:128).

      Positiv erlebte soziale Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden hingegen „sind für Schüler eine wichtige Bedingung für ihr Interesse an einem Schulfach und für ihre Zufriedenheit mit ihrer Situation in der Schule“ (Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982:34). Auch für das Unterrichtsengagement scheint die Lehrer-Schüler-Beziehung von besonderer Bedeutung zu sein. So sind Lernende mit einem positiven Verhältnis zu ihrer Lehrkraft bei einem Thema, das sie nur wenig interessiert, eher bereit mitzuarbeiten (vgl. Fichten 1993:130). Lehrpersonen sollten freundlich und humorvoll sein, Verständnis zeigen, ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihren SchülerInnen pflegen, im Falle von (Lern‑)Schwierigkeiten Fördermöglichkeiten bereitstellen, bei Konflikten mit anderen Lernenden eingreifen oder Hilfestellungen bieten und sich großzügig zeigen (vgl. u.a. Nölle 1993:171; Haselbeck 1999:338f.; Holl 2007:381). In der Realität, so legen die Ergebnisse von Bocka (2003:145f.) nahe, erleben SchülerInnen ihre Lehrkräfte häufig als zu streng und ungerecht. Vor diesem Hintergrund lässt sich – neben dem Interesse an Subjektneutralität seitens der Lehrkräfte – der gleichzeitige Wunsch nach einem gewissen Subjektbezug erklären:

      Die Lehrer sollen auf sie als konkrete Subjekte eingehen, ihre je konkreten Probleme, Bedürfnisse und Erfahrungen berücksichtigen, sich selbst als konkrete Person und nicht nur als „Rollenträger“ in den Unterricht einbringen und so positiv erlebbare, persönliche Beziehungen herstellen. Daher werden Lehrer, die in den Augen der Schüler »kalt« sind und sich im Unterricht „wie Maschinen“ verhalten, ausgesprochen kritisiert. (Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982:35f.)

      Lernende suchen also nach einer gewissen Ambivalenz bei ihren LehrerInnen. Sie erwarten Autorität, wollen oder können diese aber nur anerkennen, wenn „sie die Lehrer als Person (d.h. ihre persönlichen, sozialen und fachlichen Fähigkeiten und Eigenschaften) akzeptieren“ (Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982:37f., Hervorh. im Orig.) können. Hier überlagern sich die beiden Beurteilungsdimensionen Mastery theme und Love theme: Die Lehrperson soll streng, aber auch nett, durchsetzungsfähig, aber auch verständnisvoll sein. Denner et al. (2002:52) sprechen in diesem Zusammenhang auch von der idealisierten Rollenerwartung des „demokratische[n] Führer[s]“. Probleme entstehen in der Lehrer-Schüler-Beziehung demnach gleichermaßen mit allzu autoritären Lehrkräften wie auch mit solchen, denen es an Durchsetzungsvermögen mangelt (vgl. Haselbeck 1999:341f.).

      3.2.2 Unterrichts- und Lerninhalte

      Werden SchülerInnen nach ihrer Meinung zu gutem Unterricht befragt, beziehen sich ihre Äußerungen eher selten auf Lerninhalte (vgl. u.a. Bocka 2003:71). Nur wenn diese für die Lernenden besonders ansprechend sind und sich von den sonstigen, eher rezipierenden Unterrichtsaktivitäten unterscheiden, werden explizit Aussagen dazu getroffen (vgl. Hildebrand-Nilshon 1980:54). Lerninhalte scheinen insgesamt weniger wichtig als die Lehrperson und deren Unterrichtsmethoden. Inhalte und die Auseinandersetzung mit diesen werden im Rahmen der Untersuchung von Hagstedt (1980:28) in den Aussagen der Lernenden als „weiße Flecken“ regelrecht ausgeklammert, sodass der Autor gar von „einer demonstrierten Gleichgültigkeit gegenüber dem Lerngegenstand“ spricht. Dabei liegt die Vernachlässigung des Lerngegenstandes in der Schülerperspektive für Hagstedt vor allem in dem häufigen Wechsel der Unterrichtsinhalte begründet. Die Methoden, Umgangs- und Präsentationsformen, die Art und Weise, wie jemand unterrichtet, hingegen seien sehr viel beständiger als die Themen im Unterricht. Während SchülerInnen bei Desinteresse oder Langeweile in Bezug auf die Inhalte abschalten können, falle es ihnen sehr viel schwerer, sich den unterrichtsmethodischen Entscheidungen ihrer Lehrkräfte zu entziehen. Außerdem unterscheide sich die Bedeutung der Unterrichtsinhalte dahingehend, dass aus der Sicht der Lernenden die Auswahl der Themen und Materialien Sache der Lehrenden sei und sie sich dafür nicht zuständig fühlen. Die Unterrichtsplanung und ‑durchführung sei für die Lehrenden sehr viel präsenter als für die Lernenden. Sie sind in ständiger Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand, wohingegen die SchülerInnen ggf. nur punktuell bei der Erarbeitung und Aneignung aktiv werden (vgl. ebd.: 30f.).

      Bocka (2003:135) begründet das weitgehende Fehlen von Schüleräußerungen zu den Unterrichtsinhalten u.a. damit, dass diese von den Lernenden als überwiegend langweilig, zu abstrakt, schwer und theoretisch wahrgenommen werden, wobei der Fremdsprachenunterricht in fächerübergreifenden Untersuchungen als positive Ausnahme erscheint, Sprachkenntnisse und landeskundliche Themen hingegen bei den SchülerInnen als interessant und nützlich gelten, sofern diese abwechslungsreich vermittelt werden (vgl. ebd.: 136; Huth & Schröder 1992:24). Eine Ursache für sinkendes Interesse an den Inhalten ist die fehlende Freude am Lernen; nimmt diese ab, steigt die Gleichgültigkeit gegenüber den Lerninhalten (vgl. Nölle 1993:171). Mädchen äußern sich insgesamt etwas positiver. Sie haben mehr Freude und finden den Unterricht interessanter als ihre männlichen Altersgenossen: „Fast ein Viertel der Jungen, aber nur 14,3 % der Mädchen bringen zum Ausdruck, dass ihnen die Schule keinen Spaß macht.“ (Czerwenka et al. 1990:198) Dementsprechend schätzen die Mädchen sich selbst auch als aufmerksamer ein und bringen eine größere Bereitschaft auf, „den Wert und Nutzen dessen, was sie im Unterricht alles lernen, zu akzeptieren“ (Haecker & Werres 1983:61).

      Auch in anderen Studien